Ziethen: Oldtimer von 1925 fast nur mit Originalteilen restauriert

Seit nunmehr fünf Jahren ist Mario Wehner aus Ziethen stolzer Besitzer eines Autos, das wirklich aus dem Rahmen fällt: Es ist extrem selten und extrem alt. Der Essex Super 6 wurde 1925 gebaut – und fast alle Teile des US-amerikanischen Oldtimers sind noch original. Essex wurde im Internet angeboten: Wehner entdeckte den Blech-Veteranen im Internet, damals stand der Essex an der Nordseeküste und war, so der jetzige Besitzer, „eher ein Schrotthaufen als ein Auto“. Aber gerade das habe ihn gereizt. Mario Wehner: „Ich wollte den Wagen wieder fahrbereit machen, aber so viele Originalteile wie irgend möglich erhalten.“ Essex-Automobile wurden von 1919 bis 1933 in Detroit im US-Bundesstaat Michigan hergestellt. Sie galten als robust und vergleichsweise preiswert. Während noch in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts fast alle Autos offene Tourenwagen waren, baute Essex Fahrzeuge mit einem festen Dach – was durchaus als Luxus galt. An kalten Tagen waren diese Fahrzeuge nämlich weit besser zu beheizen. Die Wagen der Marke Essex erwarben sich vor allem wegen ihrer Zuverlässigkeit einen guten Ruf. Einer der größten Kunden war die Post der USA. Der Autokonzern Hudson, zu dem Essex zuletzt gehörte, gab den Markennamen Essex im Jahr 1933 auf. Hudson wiederum existierte bis 1954 und fusionierte dann mit Nash Motors zur American Motors Corporation. Aus diesem Grund kam auch keine Neulackierung in Frage. Und so präsentiert sich der Super 6 in jenem leicht matt schimmernden schwarzen Lack, der schon vor 96 Jahren aufgetragen wurde. Genau so alt sind die vorderen Reifen. Die hinteren waren leider nicht mehr reparabel, als Wehner den Oldtimer erwarb. Sie mussten ersetzt werden. Auto schafft knapp 50 Stundenkilometer: Ein bisschen Rost an manchen Ecken der Karosserie und auch am Armaturenbrett ist bei einem so betagten Fahrzeug keine Überraschung, doch dieser Rost gehört nun mal zur Geschichte des Wagens. Mario Wehner hat die betroffenen Stellen deshalb nicht beseitigt, sondern mit einem speziellen Öl konserviert. Ähnlich ging er beim Dach vor, das aus geteerter Stoffpappe besteht, aber nach so vielen Jahrzehnten undicht geworden war. Ein neues Dach wurde eingefügt, die originalen Reste des alten aber darüber geklebt. Unter der Motorhaube blieb ebenfalls alles so, wie es dort seit 1925 war. Der Essex verfügt über einen Sechszylinder-Reihenmotor mit 2,7 Litern Hubraum. Das klingt nach heutigen Maßstäben nach einem kraftvollen Triebwerk, aber die Realität sieht ganz anders aus: Mit seinen nur 20 PS schafft der Wagen gerade mal knapp Tempo 50. Für Langstrecken ist dieses Gefährt also weniger geeignet, sehr wohl aber für Oldtimer-Treffen im Lauenburgischen oder in den angrenzenden Kreisen und Städten. „Da ist mein Auto immer ein Blickfang“, erzählt Wehner nicht ohne Stolz. Er muss dann auch stets viele Fragen beantworten – zum Beispiel die, wo man denn noch an Ersatzteile für einen so seltenen Wagen kommt. Wehner war schon mit alten Fahrzeugen vertraut: In diesem Punkt hat Wehner allerdings gute Beziehungen. Er betreibt in Ziethen einen Abschleppdienst und eine Autowerkstatt, ist ausgebildeter Kfz-Mechaniker und schon seit seiner Kindheit mit alten Fahrzeugen vertraut: „Ich war neun Jahre alt, da schenkte mir mein Vater einen 20 Jahre alten NSU-Motorroller. Den habe ich komplett zerlegt und wieder zusammengebaut.“ Diesen Roller besitzt Wehner heute noch. Die früh erlernte Fähigkeit, Fahrzeuge zu zerlegen und zu reparieren, kommt dem heute 55-Jährigen allemal zugute. „Viele Oldtimer-Freunde präsentieren ihre blitzblank polierten Wagen, aber mit deren Technik kennen sie sich kaum aus.“ Bei ihm sei das anders, und so gelang es ihm eben auch, seinen alten Essex, der zuvor 60 Jahre lang nicht bewegt worden war, in mühevoller Arbeit wieder in Fahrt zu bringen. Die Ölwanne beispielsweise war halb voll Schlamm, und bei der Neubefüllung gab es auch einiges zu beachten: „Heutige Motoröle sind für ein solches Auto völlig ungeeignet.“ Lesen Sie auch Dr. Peter Bauer - Krummesser Original und CDU-Mitglied seit 50 Jahren Lübeckerin kauft Oldtimer: Camper trotz frischem Tüv ein „Schrotthaufen“ Das etwas andere Auto-Tuning: Wahlstedter auf Tour mit Horror-Hingucker Wehner aber kennt alle Tricks und Schliche, um sein schwarzes „Schätzchen“ bei Laune zu halten. Die Winterzeit nutzt er für immer mal nötige Pflege- und Reparaturarbeiten. Wenn dann hoffentlich in einigen Monaten wieder Oldtimer-Treffen stattfinden können, soll der rüstige Essex natürlich dabei sein. Von Norbert Dreessen