Zu viel Altkleidung auf dem Markt

„Der Markt spielt verrückt, wir werden die Altkleider nicht mehr los“, erklärt Jan-Dirk Verwey, Chef der Entsorgungsbetriebe (EBL). Der ukrainische Markt sei schon vor einer Weile zusammengebrochen, berichtet Verwey, große Absatzprobleme gebe es auch in Afrika. Der Bonner Fachverband Textilrecycling schreibt in einem Marktbericht 2016/2017: „Zudem gestalten sich die Afrika-Geschäfte immer problematischer, sowohl der seinerzeit sinkende Ölpreis, als auch die angespannte Liquidität aufgrund der Devisenknappheit waren hierfür ursächlich.“ Hinzu komme, dass ostafrikanische Staaten ein Altkleider-Importverbot von 2019 an vereinbart hätten. Schließlich würden immer mehr Anbieter neuer Waren aus Fernost auf die afrikanischen Märkte drängen. Das bestätigt Michael J. Schneider, Sprecher des privaten Entsorgers Remondis: „Gründe hierfür sind zum einen die schwierigen Zahlungsmodalitäten in Afrika, Asien und Osteuropa, zum anderen billige Neuware aus China, die Altkleidung verdrängt, nicht nur, aber insbesondere in Afrika.“ Laut Peter Timmermanns, DRK-Kreisgeschäftsführer im Lauenburgischen, gibt es zwei Gründe für die Probleme auf dem globalen Textilmarkt. „Die Qualität von Textilien ist schlechter geworden. Auch bei Markenkleidung.“ Bei der Abgabe der Altkleider seien die Textilien heute bereits zu 70 Prozent abgenutzt. Ein zweiter Faktor sei, dass noch nie so viel Ware auf dem Markt war wie im Augenblick. Durch weltweite Krisen gebe es Absatzschwierigkeiten. Dadurch sinke der Erlös. Der DRK-Kreisverband allerdings bringe die gesammelte Kleidung nur in der Region an bedürftige Kunden. Die Ortsverbände im Lauenburgischen hingegen handelten bei Überschüssen in der Region auch teilweise auf dem internationalem Altkleidermarkt, um Mittel für ihre gemeinnützige Arbeit zu generieren. „Wir hören, dass die Lage auf dem Altkleidermarkt schwieriger geworden ist“, erklärt auch Olaf Stötefalke, Sprecher der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH). Das seien die Informationen der Partner, die die AWSH mit der Verwertung der Kleidung beauftragt habe. Es habe auch eine Zeit gegeben, in der Container nicht mehr regelmäßig geleert worden seien. Doch ganz aktuell seien solche Probleme beseitigt worden. Tim Krawczyk, Unternehmenssprecher der Soex-Gruppe, zu der der Entsorger Retextil gehört, erläutert „Der Absatzmarkt für Alttextilien schwankt, ist aber nicht zusammengebrochen.“ Der Nachfrageknick komme vor allem zustande, „weil große Abnehmerregionen wie Afrika und der Nahe Osten mit niedrigen Öl- beziehungsweise Rohstoffpreisen oder politischen Krisen zu kämpfen haben“. Genehmigungen werden überprüft. Die Folgen sind auf den Sammelplätzen in Lübeck tagtäglich sichtbar. „Private Entsorger stellen ihre Dienste ein“, erklärt EBL-Chef Jan-Dirk Verwey. Die EBL müssten sich dann um den „überquellenden Müll kümmern“, weil sie dazu gesetzlich verpflichtet seien. Aber die Entsorgungsbetriebe, die mit aktuell 150 Altkleider-Containern die Nummer zwei auf dem lübschen Markt sind, werden das Zeug auch nicht mehr los. Deshalb wird die Ware an der Deponie Niemark zwischengelagert. Der Hamburger Vertragspartner der EBL, der bisher die Lübecker Alttextilien übernommen hat, hole die Ware nicht mehr ab, sagt Verwey: „Wir suchen einen neuen Vertragspartner.“ Der private Entsorger Retextil, der mit 285 Containern und 900 Tonnen Altkleidung pro Jahr der größte Sammler in Lübeck ist, stellt die Lage anders dar als Verwey. „Die Leerung unserer Alttextil-Sammelbehälter erfolgt regelmäßig. Allerdings müssen wir einräumen, dass es in den letzten Wochen krankheitsbedingte Tourenausfälle gab“, sagt Unternehmenssprecher Krawczyk, „dieses Problem ist aber behoben. Zudem stellen wir fest, dass durch den zunehmenden Konsum von Textilien auch mehr entsorgt wird“, ergänzt Krawczyk. In diesem Jahr seien die Mengen mit den wärmeren Temperaturen nach Ostern plötzlich rapide angestiegen. Generell kommt es laut dem privaten Entsorger „Retextil“ vor allem in den Frühjahrsmonaten zu einem erhöhten Abgabevolumen bei Altkleidern und Schuhen, da sich viele Haushalte gerade zwischen März und Mai von alten Kleidungsstücken trennten. Für die AWSH übernehmen Vertragspartner die Verwertung der im Lauenburgischen gesammelten Textilien: Wenkhaus Textilien Recycling in Hamburg und die Textil-Recycling Nord GmbH in Himmelpforten. fg Kai Dordowsky und Florian Grombein

Lübeck/Ratzeburg - Zu viel Altkleidung auf dem Markt