AKW-Bauschutt: Lübeck will 5000 Einwohner dazu befragen

Die Kommunalpolitiker sagen Nein zu Bauschutt aus Atomkraftwerken. Das Land weist der Deponie Niemark trotzdem 12 500 Tonnen Bauschutt aus dem AKW Brunsbüttel zu. Was sagen die Lübeckerinnen und Lübecker dazu? Das will die Stadt durch eine repräsentative Meinungsumfrage herausfinden. 5000 Einwohner ab 16 Jahren aus allen Stadtteilen, Altersgruppen und aller Geschlechter sollen von einem Meinungsforschungsinstitut interviewt werden. Angestrebt werden Antworten von rund 1000 Bürgern. Fünf bis acht Fragen zur generellen Haltung zum Atomausstieg, zum Informationsstand und zur Ablagerung sogenannter, freigemessener Abfälle auf Niemark werden den Bürgern gestellt. Die Lübeckerinnen und Lübecker können per Brief oder online antworten. Ursprünglich sollten alle Einwohner befragt werden: Ursprünglich hatte die Bürgerschaft eine Befragung aller Einwohner beschlossen. Laut Verwaltung würde die aber bis zu 350 000 Euro kosten und könnte frühestens im zweiten Quartal 2021 durchgeführt werden, weil zunächst Satzungen dafür geändert werden müssten. Die repräsentative Meinungsumfrage könnte im ersten Quartal abgeschlossen werden und wird bis zu 90 000 Euro kosten. CDU und SPD im Rathaus befürworten die kleinere Variante. „Dieses Vorgehen ist deutlich schlanker“, sagt SPD-Umweltpolitiker Marek Lengen. „Die Einwohnerbefragung dauert zu lange“, erklärt CDU-Fraktionschef Oliver Prieur, „und wir würden Geld verbrennen.“ „Bauchlandung für die GroKo aus SPD und CDU“: Grüne und Unabhängige lehnen jede Form von Bürgerbefragung ab. „Die ganze Idee war von vorneherein unausgegoren“, sagt Grünen-Politiker Thorsten Fürter. Die Bürgerschaft könne in der Frage der Bauschutt-Deponierung gar nichts entscheiden. Der Schwenk von einer Befragung aller Einwohner auf eine repräsentative Umfrage sei eine „Bauchlandung für die GroKo aus SPD und CDU.“ Es brauche keine Umfrage, um festzustellen, dass niemand für Bauschutt sei. Fürter: „Die eigentliche Frage ist, wie der Ausstieg aus der Atomkraft verantwortlich bewerkstelligt werden kann.“ Detlev Stolzenberg, Fraktionschef der Unabhängigen: „Welche Folgen hätte eine Meinungsumfrage: Werden die Beschlüsse der Bürgerschaft gegen die Aufnahme des AKW-Bauschutts dann aufgehoben?“ CDU: „Früher haben sich Grüne an jedes Gleis gekettet“: Für die Entscheidung, insgesamt 18 000 Tonnen Bauschutt aus dem AKW Brunsbüttel auf die Deponien Niemark und Johannistal in Ostholstein zu fahren, erntet der Kieler Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) weiterhin viel Kritik. „Dass nun gerade ein Umweltminister der Grünen diesen Zwang ausführt, halten wir für einen Skandal sondergleichen“, erklärt CDU-Fraktionschef Oliver Prieur: „Gerade die Grünen, die sich früher an jedes Gleis und an jeden Baum gekettet haben, knicken staatstragend ein und folgen Jan Philipp Albrecht wie Parteisoldaten.“ Lesen Sie auch SPD: Schließung kleiner Wochenmärkte darf kein Tabu sein Lübeck: Wegen Corona bleiben Präsenzgottesdienste Mangelware Gymnasium oder Gemeinschaftsschule? Die weiterführenden Schulen Lübeck Die GAL findet interessant, dass die Deponie Harrislee zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zwangsbeliefert werden soll. „Zum einen liegt dies sicherlich an dem breiten, gut organisierten, grenzübergreifenden Widerstand der Bevölkerung“, sagt GAL-Politikerin Antje Jansen, „es könnte jedoch auch wahltaktische Gründe haben.“ Im hohen Norden habe der Bundesvorsitzende Robert Habeck seinen Wahlkreis. GAL und Freie Wähler fordern, jetzt zügig die Bürger zu befragen, „damit die Bevölkerung weiß, was auf Lübeck zukommt“, so Jansen. „Ausdruck des politischen Versagens“: Die Bürgerinitiative in Harrislee wirft dem Kieler Umweltministerium vor, allen Bemühungen zu einem Dialog über eine verantwortungsvolle, einvernehmliche Lösung für die Lagerung der schwach radioaktiven Abfälle eine klare Absage erteilt zu haben. „Dass das Land gegen den ausdrücklichen Willen der kommunalpolitischen Vertreter, der Deponie-Betreiber und der Bürger mit aller Härte durchgreift, ist Ausdruck politischen Versagens eines grün geführten Ministeriums“, erklärt Sprecherin Angela Wolff. Es sei nicht hinnehmbar, dass der Bevölkerung vermeidbare Gesundheitsrisiken zugemutet werden, damit die Atomkonzerne bei der Stilllegung ihrer Kraftwerke Kosten sparen, so Wolff. Von Kai Dordowsky