AKW-Schutt nach Lübeck: Wie gefährlich ist das Material?

250 Tonnen Bauschutt aus dem AKW Brunsbüttel zur Deponie Niemark: Die Ankündigung des grünen Umweltministers Jan Philipp Albrecht sorgt für Aufregung in der Hansestadt. Nicht nur die Politiker der verschiedenen Fraktionen im Rathaus sind gespalten. Lübecker Familien wollen nicht, dass ihre Kinder neben AKW-Bauschutt aufwachsen müssen – und der BUND warnt vor gesundheitlichen Schäden. Lübecker Familien starten Petition: Einige junge Familien aus dem Neubaugebiet Rothebek 1 und 2 in St. Jürgen waren geschockt von der Nachricht. Sie haben eine Online-Petition gestartet und die Facebook-Gruppe „Lübeck ohne Atomschutt“ gegründet. „Wir wollten nicht einfach tatenlos zusehen. Natürlich möchten wir unsere Kinder nicht in der Nähe von Atomschutt großziehen. Da schwingt eben auch viel Angst und Sorge mit“, sagt Philip Möhring, einer der Organisatoren der Online-Petition. Auch wenn es sich um geringfügig belastetes Material handele, bleibe es eben Schutt aus einem Atomkraftwerk. „Kann die Landesregierung denn wirklich zu 100 Prozent garantieren, dass das Material in den Mengen nicht schädlich ist?“, fragt der 41-jährige Vater. Wie gefährlich ist das freigemessene Material? Eine 100-prozentige Garantie gibt es wohl nicht. Aber nach Einschätzung von Umweltminister Albrecht bestehe kein gesundheitliches Risiko für Lübecker, da der AKW-Schutt (bis zu zehn Mikrosievert) deutlich geringer strahle als die natürliche Strahlung in der Umwelt (mehr als 2000 Mikrosievert), der jeder Mensch ausgesetzt ist. Der BUND hingegen sieht das anders. Es seien gering radioaktive Stoffe und nicht so gefährlich, dass sie in Castoren gelagert werden müssten. Aber es gebe eine relevante statistische Gefahr für die Umwelt. „Die Gefährdung durch niedrig energetische radioaktive Strahlung unterhalb von zehn Mikrosievert wird von wissenschaftlicher Seite nach wie vor kontrovers diskutiert“, sagt Landesgeschäftsführer Ole Eggers. „Solange eine Gefährdung der Umwelt durch diese Emissionen nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, muss zumindest eine Überwachung und Rückholbarkeit dieser Partien gewährleistet sein.“ Laut Eggers müsste in einer Deponie ein abgegrenzter Bereich für das freigemessene Material geschaffen werden. „Schließlich weiß man nicht, was die Forschung zukünftig über die Strahlung und die Gefährdung für Menschen herausfindet – und dann kommt man nicht mehr an den Schutt ran, wenn man ihn auf der Deponie verteilt.“ Ärzte schließen gesundheitliche Schäden nicht aus: Auch von Medizinerseite wird eine Gesundheitsgefährdung des AKW-Schutts keineswegs ausgeschlossen. „Als Ärzte weisen wir darauf hin, dass es keine Schwellenwerte für die Unbedenklichkeit von ionisierender Strahlung gibt und auch durch vermeintlich geringe Strahlenmengen gesundheitliche Schäden und Spätfolgen über Generationen entstehen können“, heißt es in dem Beschlussprotokoll des 120. Deutschen Ärztetages im Mai 2017. Die Mediziner empfehlen, den AKW-Schutt so sicher wie möglich zu lagern – am besten auf dem Kraftwerksgelände. Online-Petition: Junge Familien hoffen auf breite Unterstützung: Das wollen die Lübecker Familien auch. „Warum kann der AKW-Schutt nicht dort gelagert werden, wo er auch entstanden ist?“, fragt Möhring. „Wir hoffen einfach darauf, dass sich viele, viele Lübecker anschließen und die Landesregierung daraufhin noch einmal die Lagerung und das alleinige Bestimmen des Standortes für die Ablagerung des Schutts überdenkt.“ Lesen Sie auch Lübeck: Frauenrechtler und Klimaschützer demonstrieren vor der MuK Lübeck: Fridays for Future ruft zum Klimastreik am 25. September auf Verölte Priwallpromenade: So kann sie gereinigt werden Von Hannes Lintschnig