Auf den Spuren der lübschen Urgemeinde

Vorsichtig, in einem Kästchen verpackt, zeigt sie das Fundstück. „Das ist unsere Kruzifix-Tafel, die dem 11. Jahrhundert zuzuordnen ist“, erklärt Doris Mührenberg aus der Abteilung Archäologie der Hansestadt. Über ihre Funktion könne man jedoch nur mutmaßen – „möglicherweise hat sie damals als Beschlag eines Reliquienkästchens oder einer Bibel gedient, ein Vortragekreuz oder das Gewand eines Geistlichen geschmückt“, erklärt die Expertin. Gefunden wurden die beiden Teile jedenfalls bei Ausgrabungskampagnen 1977 und 1999 an ein und demselben Ort, in der slawischen Ringburganlage „Alt Lübeck, oder in Liubice, wie die Slawen sagten“, so Mührenberg. Es sei ein eindeutiger Beweis, dass hier zu dieser Zeit schon das Christentum zu Hause gewesen sei, quasi die christliche lübsche Urgemeinde. „Entsprechend hatten wir gemeinsam die Idee, an diesem Ort passend zum Stadtjubiläum einen Open-Air-Gottesdienst zu feiern“, sagt Pröpstin Petra Kallies. Auf einer Halbinsel zwischen Trave und Schwartau liegt Alt Lübeck, der slawische Vorgänger der heutigen Hansestadt. Der Ort war im Mittelalter Fürstensitz und Mittelpunkt eines Reiches, das sich von der Kieler Bucht bis zur Oder erstreckte. Zentral im noch gut erhaltenen Burgwall erkennt man die Überreste einer Kirche aus dem frühen 12. Jahrhundert. Burgwall und Gotteshaus wurden 1138 bei einem slawischen Aufstand zerstört. Seitdem hat in der Mutterkirche Lübecks nie wieder ein Gottesdienst stattgefunden. „Das ändert sich nun 7. Juni um 18 Uhr“, freut sich Petra Kallies. Es ist der Vorabend des Hanse-Kulturfestivals, „sozusagen die Eröffnung“, wie die Pröpstin anmerkt, die zusammen mit Pastorin Byrthe Kröncke-Schultz aus Kücknitz sowie Pastor Heiko von Kiedrowski aus St. Jürgen bei „Lübeck ursprünglich“ für den theologisch-liturgischen Part zuständig sein wird. Zudem werde es ein Wechselgespräch mit Doris Mührenberg und Prof. Manfred Gläser aus der Archäologie geben, blickt sie voraus. „Dabei möchten wir gemeinsam den Fragen nachgehen, wie das alltägliche und christliche Leben in Liubice gewesen sein könnte und was die Unterschiede zwischen Christentum und Götterglauben der Slawen waren“, so Kallies. Musikalisch gestaltet wird der Abend von einem Posaunenchor unter der Leitung von Dr. Reinhard Lettau. Und etwa 80 Sitzplätze werden vorgehalten. Dass sich der Juni als Veranstaltungsmonat für diesen Gottesdienst geradezu anbietet, hat übrigens mit dem Märtyrer Gottschalk der Wende zu tun. Sein Gedenktag fällt in diese Zeit. „Und Fürst Gottschalk, der zum christlichen Glauben übergetreten ist, hat in Liubice das Christentum installiert“, weiß Doris Mührenberg. Im Jahr 1066 ist er dann bei einem Aufstand ermordet worden. Die Anfahrt ist am einfachsten mit Rad, Bus oder Bahn: – ab Bahnhof Dänischburg knapp zwei Kilometer auf dem Wanderweg an der Trave Richtung Innenstadt. – über den Bahnhof Bad Schwartau, ab dort über den Fuß- und Radweg Bismarckstraße, links in die Elisabethstraße, rechts und wieder links in die Straße Zur Teerhofsinsel, knapp zwei Kilometer. – über die Haltestelle Cleverbrücker Straße (Buslinien 1 und 10), von dort zu Fuß in die Straße Zur Teerhofsinsel, hinter den Gleisen links halten und Weg folgen, knapp zwei Kilometer. Michael Hollinde

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