Corona: Gelingt Lübeck nächste Woche die Trendwende?

Der steile Anstieg der Corona-Infektionszahlen in der Hansestadt scheint erst einmal gestoppt. Die Zahlen stabilisieren sich. Wie ist die aktuelle Corona-Lage in Lübeck, fragten die LN Experten aus Wissenschaft, Ärzteschaft, Kliniken, Testzentrum und Verwaltung. So bewertet ein Epidemiologe die Corona-Lage in Lübeck: Der Epidemiologe: „Ich würde noch nicht von einer Entspannung sprechen wollen“, sagt Prof. Alexander Katalinic, Direktor des Institutes für Sozialmedizin und Epidemiologie der Uni Lübeck. Lübeck habe seit Beginn des Teil-Lockdowns am 2. November zusammen mit den Kreisen Stormarn und Pinneberg den höchsten Anstieg der Infektionszahlen im Land gezeigt. „Zeitweise hatte Lübeck die höchste 7-Tagesinzidenz in Schleswig-Holstein“, so der Epidemiologe. Die Zahlen hätten sich stabilisiert, aber noch auf einem recht hohen Niveau. Katalinic: „Ich interpretiere die aktuellen Zahlen so, dass man es mit dem Teil-Lockdown geschafft hat, den Anstieg zunächst abzubremsen und die Zahl der Neuinfektionen zu stabilisieren.“ Das sei ein erster Teilerfolg, aber die Zahlen seien noch zu hoch. „Die nächste Woche wird zeigen, ob es zu einer Trendumkehr kommt“, sagt der Wissenschaftler, „wenn wir uns an die geltenden Vorschriften halten, dann sollte das gelingen.“ Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Testen Sie jetzt kostenlos LN+! Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn So bewertet Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau die aktuelle Corona-Lage: Der Bürgermeister: „Die Anzahl der aktiv Erkrankten ist in der letzten Woche zwar leicht zurückgegangen, bleibt aber mit knapp 150 Personen auf hohem Niveau“, sagt Bürgermeister Jan Lindenau (SPD). Die Maßnahmen des Teil-Lockdowns hätten für Lübeck immerhin bewirkt, dass der ungebremste Infektionsanstieg von Ende Oktober gestoppt werden konnte. Lindenau: „Wir haben auch bei dieser Infektionslage allen Grund für Optimismus, da wir in Lübeck im Vergleich zur bundesweiten Entwicklung besser dastehen und eine Impfung spätestens ab Januar möglich erscheint.“ Im Gesundheitsamt seien derzeit 100 Frauen und Männer im Schichtbetrieb im Einsatz, unter ihnen Beschäftigte aus den geschlossenen Schwimmbädern und Museen. „Die 14 Soldaten sind zunächst bis Ende November verbindlich vor Ort“, erklärt Lindenau, „wir haben eine Verlängerung des Einsatzes bis Ende Dezember bei der Bundeswehr beantragt.“ Fazit des Verwaltungschefs: „Lübeck macht einen Top-Job!“ So ist die Lage in den Lübecker Kliniken: Die Kliniken: „Wir sind gut vorbereitet“, erklärt Oliver Grieve, Sprecher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Das UKSH verfüge inklusive Reservebetten über je 203 Intensivbetten auf dem Campus Lübeck und auf dem Campus Kiel. „Ärztliches und pflegerisches Fachpersonal steht aktuell für den Betrieb von 120 Intensivbetten je Campus bereit“, so Grieve, „ die weiteren Intensivbetten können durch ärztliches und pflegerisches Personal aus anderen Einheiten des UKSH betrieben werden.“ Am Freitag waren in Lübeck 95 und in Kiel 84 Intensivbetten belegt, davon in Lübeck eines mit einem Covid-19-Patienten. Acht weitere Covid-19-Patienten liegen auf der Normalstation. „Auch wenn wir am UKSH aktuell keine Engpässe sehen, haben wir unsere Kapazitäten vorsorglich gesteigert“, erklärt der UKSH-Sprecher, „derzeit bauen wir den Helferpool zur Unterstützung der Pflege wieder auf.“ „Wir nutzen die regulär vorhandenen 18 Beatmungsplätze aktuell im Regelbetrieb und können um 16 weitere Betten auf 34 hochfahren“, erklärt Birte Gruhle von der Sana-Klinik Lübeck, „zum jetzigen Zeitpunkt haben wir noch freie Kapazitäten im Normalbetrieb.“ Sollte das Infektionsgeschehen weiter steigen, sei das Klinikum in der Lage, kurzfristig die Beatmungskapazitäten weiter zu erhöhen. So ist die Lage im Testzentrum: Der Betreiber eines Corona-Testzentrums: Seit dem 5. November betreibt das Deutsche Rote Kreuz Lübeck auf dem Gelände des Zentrallabors das Corona-Testzentrum. „Die Anzahl der Tests ist derzeit rückläufig“, stellt Ulf Möller, Leiter der Hilfsorganisation des DRK-Kreisverbandes, fest, „es kommen weniger Menschen in das Testzentrum als Anfang November.“ Allerdings hat das Land in diesem Monat seine Teststrategie geändert, weil die Labore überlastet waren. Lesen Sie auch: Corona und Lockdown: So locken die Lübecker Geschäfte Kunden an Kommentar: Bürger in Lübeck gegen Bauschutt aus Atomkraftwerken Paul-Gerhardt-Schule in Lübeck: Drei Tage Quarantäne für alle Das sagen Ärzte zur Corona-Lage in Lübeck: Der Ärztesprecher: Sven Soecknick, Facharzt und Vorsitzender des Lübecker Ärztenetzes, gibt Politik, Kassenärztlicher Vereinigung und Gesundheitsamt gute Noten. Aus dem ersten Lockdown hätten die Beteiligten viel gelernt und funktionierende Abläufe entwickelt. Sven Soecknick: „Die Versorgung mit Masken, Handschuhen, Kitteln und Desinfektionsmitteln klappt, wir sind gut versorgt.“ Nach dem persönlichen Eindruck des Ärztevorsitzenden kommen weniger Patienten in die Praxen als in einem „normalen November“. Gründe seien die Verlängerung der Krankschreibung per Telefon, die Verschiebung nicht zwingend notwendiger Termine – und bei einigen auch die Angst vor Corona. Die meisten Patienten seien höflich und verständnisvoll. Der Facharzt registriert allerdings auch, dass die Zahl der fordernden Patienten zugenommen hat. Der Vorsitzende des Ärztenetzwerkes: „Helferinnen, Patienten und Ärzte arbeiten vor allem emotional am Limit.“ Von Kai Dordowsky