Corona-Impfung Lübeck: Senioren über 80 sind wütend über Terminvergabe

Seit vergangenen Dienstag versuchen über 80-jährige Lübecker, Termine für die Corona-Impfung zu bekommen. Entweder über die Impfhotline des Bundesgesundheitsministeriums (Telefon 116117) oder per Internet über das Landesportal (www.impfen-sh.de). Doch vergeblich. Die Hotline war überlastet und die Termine innerhalb von 30 Minuten vergeben. Neue gibt er erst am 12. Januar. Senioren, Angehörige und Politiker fordern Nachbesserungen. Corona: Das vergebliche Warten auf einen Impftermin: Karin Kottwitz (82) hat Stunden am Telefon verbracht. „Immer wieder habe ich in der Warteschleife gehangen“, sagt sie. Parallel hat es ihre Tochter über die Hotline versucht und auch im Internet. Alles erfolglos. „Ich finde das unmöglich“, meint die 82-Jährige an Seite ihres Mannes Siegfried (86). „Man hätte besser planen müssen“, fordert sie, „wenn wir privat in unserem Chor etwas veranstalten wollen, beginnen wir ein Vierteljahr vorher mit der Organisation.“ Auch für Professor Günter Schäfer (85) ist die Empörung über das „vollkommen absurde Verfahren“ verständlich. „Die Vergabe am Telefon funktioniert nicht“, sagt er, „und Senioren, die nicht über Internet verfügen, sind gänzlich ausgeschlossen, solange sie keine fremde Hilfe erhalten.“ Es sei kein Wunder, dass ein Großteil der Senioren „ frustriert und erbost“ reagiere, betont der ehemalige Direktor des Instituts für Biochemie an der Universität zu Lübeck. Format des Portals wird kritisiert: Zudem sei das „Format des Internetportals nicht benutzerfreundlich und didaktisch unzureichend“, so der Lübecker. Er findet ein Einladungsverfahren sinnvoller. Die älteren Menschen könnten sich dafür per E-Mail registrieren lassen. „Dazu würden standardisierte Formulare genügen, die sich jeder einfach herunterladen und ausgefüllt absenden könnte“, sagt er. Sein Fazit: „Derzeit kann man wartenden Senioren nur Glück wünschen, wie für die nächste Lotto Ausspielung.“ Ab 8 Uhr war er in der Warteschleife: Michael Platthoff (56) geht es ähnlich. Er wollte für seine 81 und 82 Jahre alten Eltern telefonisch einen Termin für das Lübecker Impfzentrum in der Musik- und Kongresshalle buchen. „Ich war Dienstag, ab 8 Uhr, bis zum Mittag immer wieder in der Warteschleife“, sagt der Mann aus Hamburg. Sein Bruder habe es zeitgleich versucht. Am nächsten Tag wieder. „Ohne Erfolg“, so der 56-Jährige. „Was denkt sich ein Landesministerium dabei, sehr alte und hilfsbedürftige Menschen sich allein darum bemühen zu lassen, einen Impftermin zu bekommen?“, fragt er und weiter: „Man richtet eine Hotline ein, bei der man über Stunden vergebens versucht, eine Person ans Telefon zu kommen, die vielleicht helfen kann? Wo leben wir denn?“ Die psychische Belastung, die Sorge und Ungewissheit, seien schlimm für die alten Menschen. „Das ist unmenschlich,“ sagt Platthoff. Für seine Eltern werde er online „schon noch irgendwann einen Termin bekommen“, ergänzt er. „Aber was ist mit den alten Menschen, die niemanden haben, der ihnen helfen kann?“, fragt er verärgert und fügt hinzu: „Hier wird Lotterie mit dem Leben gespielt: Wer durchkommt, hat gewonnen!“ Eine andere Seniorin bittet in ihrer Verzweiflung sogar Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau schriftlich um Hilfe. „Bitte finden Sie einen Weg für uns LübeckerInnen über 80 Jahre, die allein in einer Wohnung leben, damit wir an einen Impftermin kommen und somit Sicherheit entwickeln und Angst verlieren können“, schreibt die alte Dame. Lesen Sie auch Lübeck: Stadt räumt ehemaliges C&A-Haus Lübeck: Rocker vor der Villa am Burgfeld verhaftet In Schleswig-Holstein sind künftig mehr Corona-Impfungen möglich Für Ingrid Boll (85) ist der Wunsch in Erfüllung gegangen. „Meine Tochter hat einen Termin für mich gemacht“, sagt sie, „ich hätte sonst wohl ewig auf eine Benachrichtigung gewartet.“ Rita Voigt (81) ist dankbar für die Hilfe ihres Sohnes. „Alleine hatte ich das nicht geschafft“, sagt sie vor dem Impfzentrum in der Lübecker Musik- und Kongresshalle. Von Cosima Künzel