Corona: Lübeck will 2500 Klassenräume mit CO2-Meldern ausstatten

Schulleiterin Gesine Weinhold trägt an diesem Morgen wieder einmal mehrlagige Kleidung. Dicke Winterschuhe, eine Pudelmütze liegt griffbereit auf dem Schreibtisch, und im Lehrerzimmer sind mehrere Decken ausgebreitet, die die Schulleiterin zusammen mit einer Kollegin spontan bei Ikea erworben hat, als die ersten richtig kalten Tage einzogen. Maske und Mütze im Unterricht: Maske und Mütze – das ist das Motto in dieser Corona-Krise in der Schule am Meer in Travemünde. Folke Bender, Lehrer für Englisch und Sport, trägt beides, während er mit Schülerinnen und Schülern die Glasfenster im eiskalten Flur weihnachtlich dekoriert. Katja Wilms, die Weltkunde und Naturwissenschaften in einer fünften Klasse unterrichtet, kämpft mit der beschlagenen Brille, die gerade so zwischen gelber Mütze und Mundschutz passt. Dicke Jacken, Winterschuhe, Mützen – überall sitzen die Schüler der Travemünder Grund- und Gemeinschaftsschule vor offenen Fenstern in den Klassen. „Bei den Grundschülern können sie sogar Kinder in Schneeanzügen sehen“, sagt die Schulleiterin. Und in der Mensa sei es manchmal so kalt, „dass die Kinder gar nicht so schnell essen können, wie ihr Essen abkühlt“. Mit Messgeräten das Lüften steuern: Stoßlüften gegen Corona – das wird in der Grund- und Gemeinschaftsschule sehr ernst genommen. Alle 20 Minuten reißen die Jungen und Mädchen die Fenster für fünf Minuten auf. Die Stadt arbeitet jetzt an Alternativen zum Stoßlüften. „Bis zum Ende des ersten Quartals 2021 wollen wir alle Schulen mit Messgeräten für Kohlendioxid ausgerüstet haben“, kündigt Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) an. Rund 2500 Klassenräume müssten mit den Geräten ausgestattet werden, die den CO2-Gehalt in der Raumluft messen, sagt Lindenau. Vorteil: Es wird nur noch gelüftet, wenn die CO2-Ampel über eine rote Farbe signalisiert. Die Beschaffung solcher CO2-Ampeln werde mit der TraveKom abgestimmt. Die TraveKom ist eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke, die die Schulen bereits mit mobilen Endgeräten beliefert. Die Idee dahinter: „Aerosole in der Raumluft verhalten sich wie Kohlendioxid“, erklärt Stefan Philippi, „ist zu viel Kohlendioxid im Raum, sind auch zu viele Aerosole in der Luft.“ Der Leiter des Katharineums hat Erfahrung. Sein Gymnasium arbeitet seit einiger Zeit mit den Messgeräten, mittlerweile sind alle Klassenräume damit ausgestattet. Schulräte warnen vor zu kalten Schulen: Das Kieler Bildungsministerium stellt für solche Corona-Investitionen Geld bereit. 15 Millionen Euro sind in dem Topf. Bürgermeister Lindenau schätzt, dass Lübeck bis zu 1,5 Millionen Euro daraus erhalten könnte. Die Hoffnung, dass mithilfe dieser Messgeräte die Fenster länger geschlossen bleiben können, erfülle sich nicht immer, sagt Schulleiter Stefan Philippi: „In einem vollen Klassenraum schlagen die Geräte öfter an, als es das Lüftungsintervall vorgibt.“ In der jüngsten Telefonkonferenz des Schulausschusses der Bürgerschaft haben die Schulräte darauf hingewiesen, dass einige Schulen wegen des Stoßlüftens nicht mehr auf die vorgeschriebene Mindesttemperatur von 19 Grad aufgeheizt werden können. „Lehrkräfte und Kinder tragen nun permanent warme Bekleidung, aber ein Aufenthalt bei 15 Grad oder deutlich weniger über 6 bis 7 Stunden ist kaum zumutbar“, sagen die Schulräte, „es müsste früher und mit höherer Temperatur geheizt werden, damit vor allem an Standorten mit alten, schlecht gedämmten Gebäuden überhaupt eine erträgliche Raumtemperatur aufkommt.“ Lesen Sie auch: Corona: Lübecker Unternehmen messen mit Fieber-Scan Temperatur von Mitarbeitern Lübeck: Karstadt schließt am 18. Januar Travemünde: Stadtverkehr Lübeck erhöht die Fährpreise zum 1. Januar Gebäudemanagement dreht Heizungen auf: Wenn hier keine Veränderung eintrete, sei absehbar, dass nicht nur eine hohe Zahl von Schülern, sondern auch viele Lehrkräfte krank werden. „Angesichts der Tatsache, dass dem Schulamt so gut wie keine Vertretungskräfte mehr zur Verfügung stehen, wird es dann zu Ausfällen von Unterricht in größerem Umfang kommen“, mahnen die Schulräte. Das zuständige Gebäudemanagement (GMHL) versichert auf LN-Anfrage, dass „entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden“. Die Heizkurven für die Gebäude, die je nach Gebäudevolumen, Bauart und Wärmeversorgung unterschiedlich ausfallen, würden angepasst. Die Schulräte haben transportable Filteranlagen und Plexiglaswände zwischen den Schüler- und Lehrerarbeitsplätzen als Alternativen zum intensiven Lüften vorgeschlagen. Bürgermeister Lindenau sieht in Filteranlagen keine kurzfristige Lösung. „Ich bekomme drei Mal in der Woche Post von Herstellern“, sagt der Verwaltungschef, „aber kein Gerät genügt bisher unseren Ansprüchen.“ Von Kai Dordowsky