Corona in Lübeck: Weihnachten wird still, aber nicht leise

Das Läuten der Glocken, die Orgel erklingt, die Gemeinde singt – Kirchen so voll, dass die Menschen in den Vorräumen stehen. Weihnachten ist d a s Fest der Deutschen, und es ist ein kirchliches Fest, bei dem auch Menschen sich in die Kirchen gezogen fühlen, die sie sonst im ganzen Jahr nicht besuchen. Ausgerechnet in diesen Zeiten, in denen Unsicherheit und Angst wegen der Pandemie herrschen, ausgerechnet an diesem Weihnachtsfest sollen Lübecks große Kirchen leer bleiben? Es ist eine Entscheidung, die die Gemeinden sich nicht leicht gemacht haben. Die aber zugleich eine Botschaft an die Menschen ist, die von Verantwortung und Sorge und Fürsorge handelt. Eigentlich die Weihnachtsbotschaft schlechthin: „Fürchtet euch nicht!“ Und alleine gelassen wird niemand. Kirche beweist sich in der Pandemie als flexibel: Die Kirche hat sich in der Krisenzeit als so kreativ und flexibel und pragmatisch und wandelbar erwiesen, wie manche das noch vor einem Jahr nicht für möglich gehalten hätten. Es gab Gottesdienste mit Abstand und Hygieneregeln, gesungen wurde draußen und in einem eigens errichteten Chorzelt und in kleinen Gruppen an Straßenecken zu verabredeten Zeiten. Gottesdienste wurden live übertragen und aufgezeichnet, und das deutschlandweite Programm Bibel -TV setzte bei der Übertragung auf die professionelle Qualität aus dem Norden. Trotz Homeoffice und technischen Schwierigkeiten: Videokonferenzen waren in Kirchenkreisen früh eingeführt und gängiges Mittel. Sogar kirchenpolitische Entscheidungen konnten digital gefällt werden: Synodenarbeit lief per Internetübertragung. Manche weltliche politische Organisation tat sich da viel schwerer mit solchen Schritten. Lesen Sie auch Corona: Weihnachten feiern in Lübeck mit Familie, ePunkt und Sprungtuch Ausgangssperre wird geprüft: Das sagen Lübecker zur Corona-Maßnahme Stadt kontrolliert Tagestouristen in Travemünde Wählen zwischen Wegen, die gleichermaßen falsch und richtig sind: Nun ersetzt ein Videostream das Beieinander im Gottesdienst nicht komplett. Und es gibt Gemeinden, die nach strengen Regeln zum Feiern einladen. Denn die Religionsausübung ist ein hohes, im Grundgesetz verankertes Gut. Andere Gemeinden überlegen noch, beraten in ihren Gremien. „Nichts ist leicht, alle Entscheidungen wiegen schwer, und oft müssen wir wählen zwischen Wegen, die gleichermaßen falsch und richtig sind“, hat Inke Raabe, Pressereferentin im Kirchenkreis Nordfriesland treffend auf Facebook gepostet. Es ist häufig zu beobachten in der Pandemie: Einen Entschluss im Nachhinein zu bewerten und zu kritisieren ist so viel leichter, als ihn verantwortungsbewusst angesichts der ungewissen Entwicklung von Infektionszahlen zu treffen. Lübeck: Heiligabend um 14.55 erklingen die Glocken: „Fürchtet euch nicht, hat der Weihnachtsengel verkündet.“ Wenn Heiligabend in Lübeck um 14.55 Uhr und um 20 Uhr landesweit die Glocken erklingen, wird sich das großartige Geläut unzähliger Türme vermischen. Die Kirche zeigt auch dann lautstark: Sie ist für die Menschen da, und Gemeinsamkeit wird es auch zu diesem besonderen Weihnachtsfest geben. Von Nick Vogler