Coronainfizierte in Lübeck: 14 Prozent sind Kinder und Jugendliche

Das Lübecker Gesundheitsamt hat Corona-Zahlen in der Hansestadt analysiert: Von den bislang mehr als 4000 coronainfizierten Menschen in Lübeck sind 571 zwischen 0 und 18 Jahren alt – die Altersgruppe macht einen Anteil von 14 Prozent aus. 364 der infizierten Jugendlichen sind älter als zehn Jahre, in der Altersgruppe von sechs bis neun sind es 86, und 121 Infizierte sind fünf Jahre oder jünger. In der Weihnachtszeit sind die Infektionen in der Altersgruppe gestiegen, obwohl Schulen und Kitas geschlossen waren. Kitawerk: Zahlen sind wichtig für Entscheidung zur Kitaöffnung: Dörte Eitel ist Geschäftsführerin des Kitawerk, des größten Kitaträgers in Lübeck. Sie überraschen die Zahlen nicht besonders. „Vor dem letzten Lockdown hatten wir in den Kitas nicht nur Mitarbeiter, die sich infiziert hatten, sondern auch Kinder mit Corona. Kinder können sich infizieren, wenn auch die Zahlen vergleichsweise niedrig sind“, sagt Eitel. Dennoch seien die neuen Zahlen ein wichtiger Faktor für die Entscheidung der Öffnung der Kitas, denn: „In Kindertagesstätten sind die Abstandsregelungen zu den Kindern schwerer einzuhalten, besonders wenn es um die Betreuung der Krippenkinder geht“, sagt Eitel. Die Zahlen belegten „die unbedingte Notwendigkeit von Testungen der Mitarbeiter in den Kindertagesstätten und Schulen sowie das berechtigte Anliegen, diese Berufsgruppen früher zu impfen als bis jetzt vorgesehen“. Grundschüler tragen das Virus in die Schule, nicht umgekehrt: Nach Angaben des Lübecker UKSH-Virologen Jan Rupp gebe es zahlreiche Studien, die zeigen, dass Kinder im Grundschulalter zumeist die Infektion vom Elternhaus in die Schule tragen. Der umgekehrte Weg spiele für das Ausbruchsgeschehen dagegen eine geringere Rolle. „Das bedeutet, dass häufig im häuslichen Umfeld Personen schon symptomatisch sind beziehungsweise Kontakt mit anderen Personen stattgefunden hat, bevor Kinder dann positiv getestet werden“, sagt Rupp. So sei auch zu erklären, warum die Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen in Lübeck zur Weihnachtszeit gestiegen sind, obwohl die Schulen und Kitas geschlossen waren. „Bei älteren Kindern und Jugendlichen gleicht sich das leider immer mehr an, sodass es hier gerechtfertigt ist, etwas länger mit den Öffnungen zu warten“, sagt Rupp. „So schwierig so eine Entscheidung auch ist.“ Lesen Sie auch Corona: Lübecks Schulen und Kitas öffnen frühestens am 1. März wieder SH: Grundschulen und Kitas öffnen am 22. Februar Lübeck: Schulen kämpfen mit Corona - 2020 im Rückblick Schul- und Kitaöffnungen: „Jeder Verdacht muss rasch geklärt sein“: Der Kieler Virologe Helmut Fickenscher gibt zu bedenken, dass der Anstieg der Infektionszahlen zur Weihnachtszeit bei Kindern und Jugendlichen auch auf die gesteigerten Fallzahlen zur Feiertagszeit zurückzuführen sein könnten. Als Argument für oder gegen Schulöffnungen seien diese Zahlen nicht brauchbar. „Im vergangenen Jahr wurde mehrfach wissenschaftlich vorgestellt, dass Kinder das Virus nur ineffizient weiter geben“, sagt Fickenscher. „Dies scheint aber bei höheren Inzidenzen nicht mehr zu stimmen.“ Um Schulen und Kitas öffnen zu können, müsse ein besonders aktives Infektionsgeschehen wie etwa in Flensburg ausgeschlossen sein. „Jeder Verdacht muss unbedingt rasch geklärt werden. Mit dem Betrieb von Kindergärten und Schulen unter Pandemie-Bedingungen gibt es reichlich Erfahrung aus dem vergangenen Jahr. Die vorübergehende Schließung einer Klasse oder gegebenenfalls sogar einer ganzen Schule ist aber im Vergleich zu Schließung aller Schulen wesentlich weniger schwerwiegend“, sagt Fickenscher. „Wir alle sind am Ende unserer Kräfte – Eltern und Kinder“: Nach Angaben von Bildungsministerin Karin Prien (CDU) beobachte man die Infektionslage sehr genau. „Gerade deshalb haben wir entschieden, dass in Lübeck, Pinneberg, dem Kreis Herzogtum Lauenburg und in Flensburg die Grundschulen noch nicht am 22. Februar öffnen werden“, sagt Prien. „Bei der Bewertung spielen nicht nur die aktuellen Inzidenzwerte eine Rolle, sondern auch Faktoren wie die Ausbreitung von Virusvarianten oder ob es sich um ein diffuses Infektionsgeschehen handelt.“ Lübecker Eltern sind mittlerweile nah an der Verzweiflung. „Keiner kann sagen, ob Kitas und Schulen viele Ansteckungen stattfinden. Das sagen mir dieses Zahlen auch nicht“, sagt Lou Arndt, dreifache Mutter und Mitglied im Verein Elternstimme. „Wir als Eltern hätten uns einfach gewünscht, dass die Priorisierung für Kinder in der Corona-Politik wirklich stattfindet, aber wieder ist nichts passiert. Wir alle sind mit unserer Kraft am Ende – Eltern und Kinder.“ Von Hannes Lintschnig