Coronavirus: Hilft Wirkstoff aus Lübecks Uni-Labor gegen Lungenkrankheit in China?

In zwei Monaten wird er zum Seniorprofessor und so die Institutsleitung aus Altersgründen an seinen Nachfolger übergeben, Lübecks renommierter Uni-Professor Rolf Hilgenfeld. Dass jetzt kurz vor seinem Schritt in die zweite Reihe noch mal seine wissenschaftliche Expertise dermaßen in den Fokus rückt, war natürlich nicht vorauszusehen. „Nein, absolut nicht“, betont der Biochemiker, „weil man sich ansonsten auf so einen Ausbruch ja ganz anders vorbereiten könnte.“ Mit der Entschlüsselung des gefährlichen Sars-Virus vor rund 17 Jahren gelang Hilgenfeld ein weltweit beachteter Forschungscoup, der ihm sogar ein eigenes Denkmal bescherte. Zwei in Lübeck entwickelte Wirkstoffe könnten helfen: Und genau diese Erreger-Familie, die Familie der sogenannten Coronaviren, ist auch verantwortlich für die derzeit vor allem im Reich der Mitte grassierende Lungenkrankheit. „Durch unsere mehrjährige, vorher geleistete Grundlagenforschung an diesen behüllten RNA-Viren war es uns 2003 nach dem Auftreten des ,Schweren Akuten Atemwegssyndroms’ rasch möglich, ein Molekül für die Entwicklung einer Sars-Arznei vorzuschlagen“, blickt der 65-jährige Wissenschaftler zurück. Und so wie damals auch fährt er nun ebenfalls wieder direkt in das Krisengebiet. „Diesmal ist es jedoch keine Dienstreise, sondern eine rein familiär bedingte private Tour zum chinesischen Neujahrsfest“, sagt der Forscher. Aber aufgrund der neuesten Geschehnisse bekommt der seit mehreren Wochen geplante Trip jetzt auch einen wissenschaftlichen Aspekt. Denn: „Ich werde zwei Substanzen mit nach China nehmen, die wir in unserem Labor in jüngster Zeit gegen das Sars-Virus entwickelt haben und bei denen ich sicher bin, dass sie auch gegen das neue Wuhan-Coronavirus wirken“, berichtet der Uni-Forscher. Der Zusatz „Wuhan“ ist dadurch begründet, weil dort auf einem Marktplatz der Ursprung der Erkrankungswelle nachgewiesen werden konnte. „Man geht davon aus, dass der Erreger von Fledermäusen, die dort auch verkauft werden, auf den Menschen übertragen wurde“, erklärt er. Und Hilgenfeld hofft nun, dass seine chinesischen Kolleginnen und Kollegen seine positive Einschätzung in Versuchen vor Ort mit dem aktuellen Virus-Typ dann bestätigen werden. Bis zum fertigen Medikament dauert es noch wenige Jahre: Aber gleichzeitig dämpft er auch die Erwartung, dass damit zeitnah ein wirksames Medikament für Erkrankte zur Verfügung stehen könnte. „Wir sind kurz vor der Erprobung der Substanzen im Tierversuch und optimieren noch die Verbindung auch hinsichtlich ihres Verhaltens im menschlichen Körper“, so seine Erläuterung. Danach komme die klinische Prüfung an die Reihe. Einige wenige Jahre würde die ganze Prozedur bis zur Zulassung wohl noch dauern. Es sei denn, China stecke in Folge wahnsinnig viel Geld in den Prozess bis zum fertigen Medikament und „peitscht das alles durch“, merkt er an. Dass es das riesige Land trotz der durchlittenen Sars-Epidemie Anfang der 2000er Jahre mit circa 1000 Todesopfern jetzt wieder so völlig unerwartet getroffen hat, ist seiner Ansicht nach nicht verwunderlich. „Damals war die vorherrschende Meinung – auch unter vielen Virologen –, dass es sich um ein einmaliges Ereignis handeln würde, sodass kaum weitergeforscht worden ist“, sagt Rolf Hilgenfeld. Aber seit 2013 sei eigentlich klar, dass das Coronavirus erneut zuschlagen könne. „Denn in dem Jahr konnten Kollegen vom – ironischerweise – Wuhan Institute of Virology nachweisen, dass so ein ,Fledermaus-Typ’ direkt an einen menschlichen Rezeptor binden kann“, erinnert sich der Uni-Biochemiker. Und das jetzige Virus sei zu 89-prozentig identisch zu dem 2013 gefundenen Fledermaus-Virus der Wuhan-Forscher. Fragt man ihn, wie das Erreger-Geschehen nun weitergehen könnte, bleibt er verständlicherweise vage. „Das weiß niemand. Aber wenn sich das jetzige Virus ähnlich verhalten wird wie Sars und sich anpasst an den menschlichen Wirt, dann kann es noch sehr gefährlich werden“, mutmaßt Rolf Hilgenfeld. Er wird am 6. Februar auf dem Lübecker Campus zurück erwartet. Lesen Sie auch: Klimawandel und Luftverkehr verbreiten Viren Auf der Spur des Zika-Virus Das Institut für Biochemie Von Michael Hollinde

Prof. Rolf Hilgenfeld kämpft gegen Lungenkrankheit - Lübecker Wirkstoffe könnten gegen Coronavirus helfen