Der Lyriker Klaus Rainer Goll aus Lübeck wird 75

Zeichnen mit Worten kennzeichnet die Dichtung des Lyrikers und Zeichners Klaus Rainer Goll: Am 2. Juli wird der Lübecker Poet 75 Jahre alt. 1945 im Lübecker Stadtteil Herrenwyk geboren, erlebte er den Aufbau der Bundesrepublik und wurde literarisch geprägt von den Großen seiner Zunft, Thomas Mann und Günter Grass, aber auch von Knut Hamsun und Else Lasker-Schüler. In der Auseinandersetzung mit ihnen ist Golls eigenes Schaffen entstanden. In die Dinge horchen: „Ich habe schon als Schüler angefangen, Gedichte zu schreiben“, sagt er rückblickend. Der Lyrik ist er treu geblieben, auch wenn er durchaus auch Prosa schreibt. „An Lyrik reizt mich die Verknappung“, sagt er. Das Hineinhorchen in Dinge und die daraus resultierende Erkenntnis könne man im Vers konzentriert verfügbar machen. „Ich sehe mich als Entdecker“, erklärt Goll. Das Entdeckte fasst er in Worte, und so entstehen Gedichte, die sich an der Natur orientieren und darüber inneren Empfindungen ein Gesicht geben. „Ich finde die Seelenlage der Landschaft in mir selbst“, beschreibt es Goll. „Die Verbindung des Innen und Außen zieht mich an.“ Dabei verschmelzen beide Bereiche zu der Erkenntnis, dass der Natur-Betrachter zugleich auch Teil des Beschriebenen ist. Der „Lübecker Autorenkreis und seine Freunde e. V.“ wurde im September 1980 gegründet. Klaus Rainer Goll hat ihn initiiert und ist bis heute sein Vorsitzender. Der Verein zählt nach eigenen Angaben etwa hundert Mitglieder, und zwar längst nicht mehr nur aus der Region. Haben sich die Autorinnen und Autoren anfangs im Café Maret am Markt zu Lesungen und Gesprächen getroffen, sind sie bald in das Gasthaus „Im alten Zolln“ gewechselt. Schon zu DDR-Zeiten haben sie den Kontakt zu ostdeutschen Kollegen gesucht und später auch Partnerschaften mit Schriftstellerverbänden in Polen geschlossen. Geprägt hat den Literaten das Werk von Thomas Mann. „Thomas Mann war für mich ein großer Übervater, als ich 15 Jahre alt war.“ Über ihn schrieb der spätere Lehrer seine Examensarbeiten und beschäftigte sich jahrelang mit seinem Werk. Als er erfuhr, dass Katia Mann noch lebte, schrieb er ihr, und daraus entwickelte sich eine zehn Jahre währende Brieffreundschaft, die erst mit dem Tod Katia Manns endete. Ihr widmete Goll 1973 seinen ersten Gedichtband, nachdem er jahrelang in den „Lübecker Nachrichten“ veröffentlicht hatte. Das Feilen an der Sprache habe er von Thomas Mann gelernt, so Goll, dazu das disziplinierte Arbeiten. Auf den Spuren Knut Hamsuns: Zweiter literarischer Vater wurde für den Lübecker der norwegische Schriftsteller Knut Hamsun, dem Goll nicht nur im Wort, sondern auch im Leben nachspürte. 20 Jahre lang reiste er auf Hamsuns Spuren durch Norwegen und besuchte die Orte dessen Schaffens, was er in einem Tagebuch und Zeichnungen festhielt. Schreibfeder und Zeichenfeder liegen bei Goll eng beieinander. „Mittlerweile ist mir das Zeichnen genauso wichtig geworden wie das Wort“, sagt er, das Zeichnen sei die Schwester der Dichtung. Zuweilen äußerten sich Gedanken, die er niederschreiben wolle, nicht als Worte, sondern als Strich, der sich erweitere. Der Schwerpunkt von Golls Zeichnungen liegt auf Porträts. Die findet er auch, gleichsam von der Natur gemalt, in Steinen wieder, die er gesammelt hat und mit denen sich für ihn das Miteinander von Kunst und Natur bestätigt. „Immer ein Ohr an der Zeit“: 1980 gründete Goll den Lübecker Autorenkreis, ursprünglich, um weitere Autoren in Lübeck zu finden. In den 40 Jahren seines Bestehens ist der Verein zu einer festen Größe in der Kulturlandschaft der Hansestadt geworden. „Ich begleite mit meiner Lyrik das aktuelle Leben und habe immer ein Ohr an der Zeit“, erklärt Goll. Die ist gegenwärtig durch die Corona-Pandemie geprägt, und auch sie hat sich in Golls Arbeiten niedergeschlagen. Viele Veranstaltungen seien wegen des Virus ausgefallen, aber Corona habe ihm auch Zeit geschenkt zum Schauen und Entdecken. Kreative Formate seien entstanden, aber es werde Zeit, dass Kunst und Kultur wieder in den Vordergrund treten, wünscht sich der Dichter. Ehrungen und Preise: Klaus Rainer Goll ist für sein literarisches Schaffen im Laufe seines Lebens mit zahlreichen Preisen geehrt worden, darunter der Lyrikpreis „Der goldene Federkiel“ und die Heinrich-Mann-Plakette. 2010 wurde er mit der Verdienstmedaille des Bundesverdienstkreuzes ausgezeichnet. Zu seinem Geburtstag sollte sein neues Buch erscheinen, aber das ist nun verschoben worden. Live zu erleben ist der Lyriker im August in Niendorf, wenn er zu einer Sommerlesung dorthin zurückkehrt, wo er als Kind seine Ferien verbracht hat. Lesen Sie auch „Bücher sind Freunde“, sagt Klaus Rainer Goll Der Lehrer, der über Nacht zum Dichter wurde Literaturtage in Lübeck Von Bettina Albrod