Die Lübecker Künstlerin Julie Weißbach: „Corona hat mich angestachelt, neue Wege zu gehen“

„Ich spreche es jetzt mal aus. Ich wünsche mir das schöne Leben. Für jede und jeden, für alles, was atmet. Völlig utopisch. Träum weiter.“ So beginnt eine Geschichte von Julie Weißbach. Geschrieben in einer Zeit, als die Koordinaten für „das schöne Leben“ noch anders definiert wurden als nach dem Ausbruch der Pandemie. Die neue Situation erklärte Weißbach für sich als Chance. „Für mich war es ein gutes Jahr. Die Corona-Krise hat mich angestachelt, neue Wege zu gehen“, sagt die Lübecker Künstlerin, die mit vielen Talenten gesegnet ist: Sie schreibt Lieder, singt, spielt Klavier, malt, macht Animationsfilme und hat jetzt ihr erstes Buch veröffentlicht. Mehr als 1100 Euro Spenden nach Online-Konzert: Natürlich musste auch Julie Weißbach nach dem Lockdown zunächst improvisieren, geplante Auftritte sind ausgefallen. Und natürlich hat auch sie mit Online-Konzerten zu Hause angefangen. „Bei meinem ersten Konzert im Frühjahr habe ich mehr als 1100 Euro eingenommen.“ Wer hätte das vermutet. „Ich bin eigentlich ein absoluter Analog-Mensch, brauche die Begegnung. Aber die Online-Konzerte sind eine sehr schöne Erfahrung“, sagt die 38-Jährige. Zwar fehle der direkte Kontakt zum Publikum, dafür erreiche sie jetzt Menschen auch aus weiter Ferne, die sonst vermutlich nie in ihre Konzerte gekommen wären. Zusammen mit der Singer-Songwriterin Synje Norland hat sie im November ihr jüngstes Wohnzimmerkonzert gegeben. „Wir haben bis jetzt mehr als 1000 Zuschauer und knapp 900 Euro bekommen“, sagt Weißbach. Ihr Mann, der bei der Firma Dräger arbeitet, hat das technische Equipment aufgebaut und bedient. Lesen Sie auch: Am Sonnabend in Lübeck: Kulturdemo quer durch die Innenstadt Julie Weißbach stellt ihr „Gedankenbilderbuch“ vor: Online stellte sie auch ihr jüngstes und derzeit liebstes Projekt vor: das Buch „Hinter dem Rauschen der Welt klopft das Herz“. Bis zum gedruckten Buch war es ein steiniger Weg, erzählt sie. Nach einem Jahr fand sie einen Verlag für das „Gedankenbilderbuch“, wie sie es nennt. Es vereint Gedichte, Alltagsbeobachtungen und Gedanken von Julie Weißbach, die jeder nachempfinden kann, mit feinem Strich und ebensolchem Humor illustriert: das Beobachten fremder Menschen im Zug, das Spüren eigener Unzulänglichkeit, zufällige Begegnungen, unverhoffte Wendungen, kleine Fluchten und die Suche nach dem großen Glück im Kleinen. Julie Weißbach hat Romanistik und Freie Kunst studiert: Wenn man sich des Lebens Lauf von Julie Weißbach anschaut, scheint sie dieses gefunden zu haben. 1982 in Dresden geboren und in Meißen aufgewachsen, ging sie zunächst ins Ausland: nach Albuquerque in den USA und nach Paris. Sie studierte Romanistik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, schloss das Studium 2011 mit dem ersten Staatsexamen ab. Und sie studierte als Meisterschülerin von Lili Fischer Freie Kunst an der Kunstakademie Münster. Dabei interessierte sie die Schnittstelle von Zeichnung, Musik und Performance. Ihr Animationsfilm „Existence Extra Ordinaire“ erhielt den 2. Preis bei den Konstanzer Kurzfilmspielen. „True Stories“ heißt das neue Album von Julie Weißbach: Die Liebe führte Julie Weißbach in den Norden, seit 2011 lebt und arbeitet sie als freischaffende Künstlerin, Illustratorin, Singer-Songwriterin und Französisch-Lehrerin in Lübeck. „True Stories“ heißt ihr neues Album, in dem sie auf deutsch, englisch und französisch ihre Geschichten erzählt. Manchmal werde sie gefragt, ob sie sich nicht entscheiden wolle zwischen Musik, Malerei, Schreiberei. „Das kann und möchte ich nicht. Es wäre so, als würde ich einen Arm nicht benutzen, nur weil der andere dann besser funktionieren könnte. Aber dann wäre alles eher schlechter.“ Gerne macht sie viele Dinge parallel, und Ideen für neue Projekte gibt es genug: Ein Buch mit illustrierten Blumennamen, ein Ausmalbuch für Erwachsene und im Frühjahr wieder Wohnzimmerkonzerte mit anderen Sängerinnen. „Ist das das schöne Leben? Die Fähigkeit, das Leben spüren zu können? Und sich dann auszusuchen, welches Adjektiv man davor positionieren will? Das nenne ich Glück“. Ein schönes Ende. Julie Weißbach, „Hinter dem Rauschen der Welt klopft das Herz“, Verlag Agentur Altepost, 72 Seiten, 12 Euro. Von Petra Haase