Discos in Lübeck: Hüx-Betreiber denkt über Schließung nach

Es ist noch früh am Abend, und das Hüx, Lübecks Traditions-Disco, ist fast leer. Nur die Kernbesetzung ist im Einsatz, statt eines DJs gibt es Playlists, und auf der Tanzfläche stehen Bar-Tische. „Echt, wir dürfen nicht tanzen?“ wundert sich Freddie Kayser. Warum es diese Regelung gibt, kann die Tochter des Inhabers ihm nicht beantworten. Sie kann aber sagen, was passieren wird, falls er sich nicht daran hält: „Dann fliegt ihr raus.“ Dort, wo die Lübecker sich bis zum vergangenen März tanzend und trinkend vergnügten, ist jetzt, unter Corona-Bedingungen, wenig bis nichts los. Wie viele Party-Locations das überleben werden, ist ungewiss. Der Betreiber des Hüx, Herbert Sachers, überlegt, seine Disco für immer zu schließen. „Zum Jahresende werde ich das entscheiden“, sagt er. „Die Discos werden schließen, eine nach der anderen“: Im Moment ist das Hüx die einzige Disco in Lübeck, die geöffnet hat. „Wir wollen, dass die Gäste auch jetzt ein bisschen Spaß haben“, sagt Sachers. Er hofft, dass die Idee des Berliner Senats, den Alkoholausschank zu verbieten, nicht Schule macht. „Dann verdienen wir praktisch nichts mehr. Eine Fanta kann ich auch zu Hause trinken.“ Freddie Kayser und Markus Zurek trinken jedenfalls keine Fanta, sondern Longdrinks. Die Landesverordnung verbietet das Tanzen auf Veranstaltungen. Aber was ist eine Diskothek ohne Tanzen? Das Sounds an der Untertrave hat seit dem Lockdown im März noch nicht wieder geöffnet. Mit den wenigen Gästen, die kommen dürften, wäre der Betrieb nicht wirtschaftlich, sagt Betreiber Christian Kahl. Er fühlt sich vom Staat im Stich gelassen: Die Soforthilfe war von den Fixkosten nach anderthalb Monaten aufgebraucht, und dass er jetzt aus dem Ende Juli beschlossenen Lübecker „Strukturhilfeprogramm Kultur“ Hilfe bekommen würde, bezweifelt er. Er ist überzeugt: „Die Discos werden schließen, eine nach der anderen“. In Tanzschulen ist Tanzen erlaubt: Immerhin, im La Havanna wird getanzt. Das geht deswegen, weil das Lokal an der Engelsgrube keine Disco ist, sondern eine Tanzschule mit Schankgenehmigung, auch wenn es mit seinem opulenten historischen Flair eher wie eine mondäne Bar wirkt. Die Paare mieten sich eines von sechs Quadraten, die im Abstand von anderthalb Metern auf dem Boden abgeklebt sind. Anderthalb Stunden haben sie Zeit, dann kommen die nächsten. Mehr als 25 Gäste dürfen nicht ins Haus. Spiegelwände umrahmen das Tanzparkett, Paare drehen sich zu schmachtenden Melodien und knackigen Bongo-Rhythmen der karibischen Bachata-Musik. Alles, was Lübeck voranbringt: Jeden Montag gegen 18 Uhr in Ihrem E-Mail-Postfach. Hier kostenlos den Newsletter „Lübeck next“ bestellen! Unter der Galerie sitzen drei Frauen mit glücklichen Gesichtern. Karin Petersen hat gerade eine Runde getanzt und ist noch außer Atem. „Das Schöne ist, man hat jetzt immer genug Platz“, sagt sie. „Vor Corona war es schon oft sehr voll“. Ramona Stuht glaubt, dass das an der Anmeldepflicht liegt, weil man „nicht mehr spontan kommen kann“. Die beiden Frauen sind seit zwölf Jahren Stammgäste. La Havanna: Stammgäste haben gespendet: Vor zwölf Jahren war das La Havanna gerade ein Jahr alt. Der kubanischstämmige Tanzlehrer Hector Ruiz Valdéz und seine damalige Frau Ilona möchten ein Stückchen Lateinamerika nach Norddeutschland holen, vor allem aber mit den Gästen tanzen. Von diesen haben viele gespendet, um dem La Havanna durch die Krise zu helfen. Denn die Einnahmen decken nicht wirklich die Kosten. Sie habe Überbrückungshilfe bekommen, erzählt Ilona Ruiz Valdéz, „aber das reicht nicht, und ein Drittel davon ging an den Steuerberater“. Nun sucht sie Untermieter, die das 1300 Jahre alte Dielenhaus tagsüber nutzen möchten. Strandsalon: „Wir spielen bewusst nicht so die Tanzmusik“: Ein Ort, an dem auch in diesem Sommer manchmal getanzt werden darf, ist der Strandsalon auf der Wallhalbinsel. Mittwochs ist hier Salsa-Tanzstunde, und weil Tanzunterricht als Sport gilt, ist er erlaubt. Aber es ist Freitag, und während Max & Friends auftreten, achten zusätzliche Ordner darauf, dass die Gäste nicht tanzen. Später steht Geschäftsführer Andreas Donskoj am DJ-Pult. „Wir spielen jetzt bewusst nicht so die Tanzmusik“, sagt er. Es sei nicht einfach, unter den Corona-Auflagen zu arbeiten. „Aber es ist relativ entspannt, weil man hier nur auf den Toiletten Maske tragen muss. Wir hatten tolles Wetter und ein schönes Programm.“ „Das Party-Gefühl lässt sich nicht ersetzen“: Etwa 500 Gäste sind zum Konzert auf das weitläufige Strand-Gelände gekommen. Unter ihnen sind drei junge Männer, die sonst lieber ins A1 gehen, Lübecks größte Disco an der Lohmühle. „Es wäre schlimm, wenn sie schließen würde“, sagt Lukas Wester. „Wir tanzen, um uns vom Alltagsdruck zu befreien und unterdrückte Gefühle herauszulassen. Dieses Party-Gefühl, das Ausflippen, das lässt sich nicht ersetzen.“ Von Friederike Grabitz