E-Scooter-Fahrer aufgepasst: So rollern Sie in Lübeck sicher

Sich den Wind ins Gesicht pusten zu lassen, stehend von A nach B düsen, schwören die einen. Überflüssiges Spielzeug, und viel zu gefährlich, mahnen andere. Am Wochenende standen die E-Scooter im Fokus. 60 Teilnehmer eines Sicherheitstrainings haben die Roller ausprobiert. 100 Rechtsanwälte, Richter, Staatsanwälte und Vertreter der Polizei haben sich beim 18. Lübecker Juristenseminar ebenfalls mit den Flitzern befasst – und sind auch ein paar Runden gerollert. Positive Fahrbilanz: Seit Juli sind die E-Roller in Lübeck am Start. Zu kurz für ein Fazit mit dem Umgang der Roller. Allerdings berichtet das schwedische Tretroller-Unternehmen Voi, das zusammen mit dem Stadtverkehr zum Training geladen hatte, jetzt schon von einer „sehr positiven Fahrbilanz.“ Bei bis zu 1000 Fahrten pro Tag seien die Lübecker mit den Rollern viel unterwegs. Derzeit beschäftige sich Voi mit der Auswertung eigener Erhebungen, beispielsweise in Bezug auf die durchschnittliche Länge einzelner Fahrten. „Wir wissen aber jetzt schon, dass insbesondere im Innenstadtbereich die Fahrten relativ kurz sind“, sagt Svante Lietzke, Betriebsmanager bei Voi-Technology, und zuständig für Lübecks Scooter. Der Manager fasste die wichtigsten Hinweise zusammen: „Nicht betrunken, nicht zu zweit, und auf keinen Fall auf dem Bürgersteig fahren“, sagte Lietzke. Und dann ging es für die neugierigen Teilnehmer zur Sache: Anfahr- und Bremstests, sowie Slalomfahren standen genauso auf dem Programm wie das technische Wissen. So erklärte Lietzke erst mal, dass so ein E-Scooter nicht aus dem Stand heraus beschleunigen kann. „Die ersten Meter müssen angetreten, also gerollert werden“, sagte der Voi-Mitarbeiter. Erst dann könne Gas gegeben werden. Und auch das ist eine Besonderheit beim Scooter-Fahren: „Einen Gashebelgriff wie beim Motorrad gibt es nicht, wir geben mit dem Daumen der rechten Hand Gas“, erklärte er den kleinen Schalter. „Das ist ein gut durchdachtes Konzept“: Sandra Grohmann hat getestet, wie sich so ein Daumen-Gas anfühlt. „Ja, das macht schon Spaß“, sagte die Lübeckerin über ihr Ersterlebnis mit dem Roller. „Aber mir persönlich ist der zu schnell, in der Stadt werde ich mir keinen Roller ausleihen“, so das schnelle Fazit der Testerin. Auf jeden Fall bekam sie wie alle anderen Teilnehmer einen Schutzhelm der Firma Voi. „Den kann ich ja auch auf dem Fahrrad aufsetzen“, so Grohmann schmunzelnd. Mehr Scooter-Fahrfreude hatte Erkan Yilmaz. Der Lübecker habe sich bereits eine App von Voi heruntergeladen und will die Scooter regelmäßig nutzen. „Das ist ein gut durchdachtes Konzept, insbesondere vor dem Hintergrund vieler Baustellen und Brückensperrungen“, sagte Yilmaz. Angst, zu verunfallen, habe er keine. „Es ist eher die erhöhte Aufmerksamkeit, weil mir natürlich bewusst ist, dass ich als Rollerfahrer noch schlechter wahrgenommen werde als etwa ein Radfahrer“, so Yilmaz. 150 Roller am Start: Laut Lietzke gibt es inzwischen 150 Roller in der Stadt. „Weitere 50 Scooter sind in der Wartung oder der Reparatur“, erklärt Lietzke. „Ziel des Trainings ist es, Menschen, die noch nie damit gefahren sind, die erste Angst vor dem Scooter zu nehmen“, so der Manager. Es gebe unterschiedliche Ängste, sagt Lietzke. So wüssten Neulinge noch nicht, wie so ein Roller sich beim Gasgeben oder beim Bremsen oder in den Kurven verhält. „Vor allem möchten wir auch das Bewusstsein dafür schärfen, wo überhaupt mit den Scootern gefahren werden darf“, so Lietzke. Vom Stadtverkehr Lübeck, Kooperationspartner der Scooter-Aktion, gab es Kaffee und Kuchen. „Zusammen mit dem Stadtverkehr suchen wir nach weiteren möglichen Kooperationsmöglichkeiten, beispielsweise mit der LTM“, sagt Lietzke. Verhaltene Juristen : Eher verhalten gaben sich die Teilnehmer des 18. Lübecker Juristen-Seminars. Sie trafen sich am Freitag in der Rotunde der Dachdeckerinnung auf dem Ausbildungspark Blankensee. Ein Themenschwerpunkt der Juristen aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern waren die E-Scooter. Zu Rechtsfragen sprach der Berliner Verkehrsrechtsanwalt Roman Becker. Er wagte eine erste Prognose für die Unfallentwicklung und Schadensregulierung. „Belastbares Material gibt es noch nicht, die Zulassung der Roller ist mit gerade mal drei Monaten zu jung“, so Becker. Versicherer forderten von der Polizei, eine eigene Unfallkategorie zu entwickeln. „In Lübeck gibt es diese eigene Kategorie schon, gefordert wird sie bundesweit. Nur so lassen sich Prognosen zu Unfallzahlen und der weiteren Entwicklung wie der Vermeidung von Unfällen stellen“, sagte Becker, der in einem illustren Vortrag auch auf die erste elektrobetriebene Technik einging. So war auch der erste Porsche ein Elektromobil als Nachfolger einer Pferdekutsche in Wien, so Becker. Steffen Kohl (55), Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Lübeck, kennt sich aus in der Materie. Die LN haben ihn befragt: Muss eine Haftpflichtversicherung bestehen? Ja, E-Scooter sind haftpflichtversicherungspflichtig Welche Wege müssen benutzt werden? Fahrradwege. E-Scooter-Fahrer sind den Fahrradfahren angenähert, dürfen aber beispielsweise nicht wie Radfahrer in bestimmten Straßen gegen die Einbahnstraßenrichtung fahren. Fehlt ein Radweg, dürfen Scooter die Straße benutzen. Besteht eine gesetzliche Helmpflicht? Nein, die gibt ebenso wenig wie bei Radfahrern Braucht man einen Führerschein? Nein. Wie schnell dürfen E-Scooter fahren? Maximal 20 Kilometer pro Stunde Experten befürchten Zunahme von Verletzten: „Mein Fazit ist, dass wir derzeit eine Findungsphase durchmachen, die bei der Eingliederung eines neuen Verkehrsmittels in unseren relativ engen und belebten Innenstädten zu erwarten war“, so Stephan Schal vom ausrichtenden Ingenieurbüro Schal und Meyer. „Auch werden wir eine Zunahme der Zahl der Verletzten beobachten, nicht jedoch die Einführung einer Helmpflicht, die, wie bei Fahrrädern und Pedelecs, eigentlich wünschenswert wäre, da sie sich letztlich nicht mit dem Konzept der E-Scooter auf Leihbasis vereinbaren lässt“, so Schal. Übrigens hat den Juristen mit ihrer eher kritischen Sichtweise auf die E-Scooter das Fahren mit verschiedenen Kleinelektromobilen am Ende des Seminars trotzdem Spaß gemacht. Weiter Sicherheitstrainings geplant: Das Sicherheitstraining wird an den Sonntagen, 22. und 29. September, wiederholt. Dann heißt es auf dem Parkplatz des Verwaltungsgebäudes des Lübecker Stadtverkehrs im Ratekauer Weg 1-7 Gas geben und üben. Lesen Sie hier: Die LN testen die kleinen Flitzer E-Scooter: So werden sie aufgeladen und eingesammelt Von Rüdiger Jacob

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