Einzeln einkaufen in Lübeck: So laufen die Corona-Kontrollen

„Was soll das Ganze?“„Das ist doch alles Blödsinn!“ So etwas bekommt Frank Balzer im Moment oft zu hören. Er ist „Doorman“, eine Art Türsteher, beim Citti-Markt, einem großen Supermarkt im Einkaufszentrum Citti-Park. Seit 20 Jahren arbeitet er im Sicherheitsdienst, doch in Corona-Zeiten ist der Job auch für ihn ungewohnt. „Jetzt haben wir viel mehr Kontakt zu den Kunden“, erklärt er. Er weist die Kunden darauf hin, dass sie einen eigenen Einkaufswagen benutzen müssen und dass sie das Geschäft nur allein betreten dürfen, ohne weitere Personen aus ihrem Haushalt. Das steht so in dem Erlass der Allgemeinverfügung der Hansestadt vom 20. Dezember. Ob diese Maßnahme gerechtfertigt ist? Marktleiter Carsten Gehrdt ist sich nicht sicher: „Als sie erlassen wurde, lag der Inzidenzwert in Lübeck bei rund 230, im Moment liegt er bei etwa 120, und doch wurde die Allgemeinverfügung verlängert.“ Das sei für den Markt nicht leicht, denn mit sinkender Inzidenz sinke auch das Verständnis der Kunden. Woanders einkaufen wegen der Corona-Maßnahmen: „Erst gestern sind zwei junge Männer gekommen und wollten ohne Einkaufswagen in den Markt“, berichtet Sicherheitsmann Frank Balzer. „Als ich sie darauf hingewiesen habe, dass sich jeder einen Wagen nehmen muss und sie einzeln den Laden betreten müssen, sind sie gegangen.“ Und es sei nicht das erste Mal gewesen, dass Kunden den Markt aufgrund der Corona-Maßnahmen verlassen haben. Denn wenn Paare oder Familien nicht in Lübeck zusammen einkaufen könnten, dann führen sie eben kurz über die Autobahn nach Reinfeld, wo das noch möglich sei, sagt Carsten Gehrdt. Für ihn als Kaufmann ein Alptraum. Wegen des hohen Corona-Inzidenzwerts gelten in Lübeck bis zum 4. Januar besonders strenge Regeln beim Einkaufen. Einzelhandelsgeschäfte, die weiter offen haben, sowie Wochenmärkte darf pro Haushalt nur eine Person betreten. Ausnahmen gibt es für Begleiter von gesundheitlich beeinträchtigten Menschen und für Kinder unter 14, wenn es keine Betreuung gibt. Geschlossene Geschäfte oder Restaurants darf nur betreten, wer vorher für die bestellten Waren oder Speisen einen Abholtermin vereinbart hat. Einkaufszentren müssen den Zugang zu den Geschäften steuern. „Insbesondere durch eine angemessene Anzahl an Kontrollkräften ist der Einlass von einer Person pro Haushalt sicherzustellen“, heißt es in der Allgemeinverfügung der Hansestadt Lübeck. Familien kaufen trotzdem zusammen ein: Als Frank Balzer Fercan Bulup auffordert, einen Einkaufswagen zu nehmen, bevor er in den Laden geht, kommt dieser der Aufforderung sofort nach. „Mich persönlich stört die Regel nicht“, sagt Bulup. „Aber ich bezweifle stark, dass diese Maßnahme irgendetwas bringt.“ Dauernd sehe der 33-Jährige Familien mit mehreren Einkaufswagen, die aber trotzdem Schulter an Schulter zusammen einkaufen gingen, sobald sie im Supermarkt seien. Frank Balzer ist sich dieses Problems bewusst, und eine Lösung hat er auch nicht: „Was soll ich zum Beispiel machen, wenn zwei Menschen einzeln den Laden betreten, sich jeder einen Einkaufswagen nimmt, einer ihn im Laden abstellt und sie zusammen einkaufen gehen?“ Ordnungsamt kommt nur auf Hinweis: Das weiß auch Marktleiter Carsten Gehrdt: „Wir sind nun einmal nicht die Polizei oder das Ordnungsamt. Wir können auch nicht die Ausweise der Menschen kontrollieren und gucken, ob sie aus einem Haushalt kommen oder nicht“, erklärt er. „Wir tun, was wir können.“ Bis zu drei „Doormen“ setzt der Citti-Markt täglich ein. Die amtlichen Kontrolleure kommen nur in besonderen Fällen. „Das Ordnungsamt kontrolliert im Einzelhandel nur, wenn Hinweise aus der Bevölkerung darauf hindeuten, dass die Maßnahmen dort nicht eingehalten werden“, erklärt Hansjörg Wittern, stellvertretender Pressesprecher der Hansestadt Lübeck, auf Anfrage. „Wir können nicht überall präsent sein.“ Lesen Sie auch Silvester in Lübeck: Wo sind böllern, Raketen und Feuerwerk verboten? Monika Frank: Lübecks neue Senatorin ist auf Wohnungssuche Corona 2020: Lübecks Bürgermeister Lindenau zieht Bilanz Lübeck: Bundespolizei erwartet Taschendieb nach der Tat am Bahnsteig Marie-Louise Rist und ihr Mann Karsten Rist säubern die Griffe ihrer Einkaufswagen gründlich mit Desinfektionsmittel, bevor sie in den Laden gehen. „Es wäre gut, wenn alle die Maßnahmen genau so sinnvoll finden würden, wie wir“, erklärt Karsten Rist. Wenn er mit seiner Frau zusammen unterwegs ist und sie einkaufen gehen, nimmt jeder einen Wagen. „Meine Frau geht dann fünf Meter vor mir“, berichtet er. „Wenn alle Abstand halten, ist damit doch schon viel getan“, appelliert Karsten Rist an andere Kunden. Auch Franziska Lorenz versteht nicht, wo das Problem liegt: „Man muss aus dem Einkauf ja keinen Familienausflug machen. Mein Mann und ich gehen schon seit dem Beginn der Pandemie nur noch einzeln einkaufen.“ Anders sei es natürlich bei Alleinerziehenden, die sich um ihre Kinder kümmern müssen. „Dann müssen die Kinder ja mitkommen – anders geht es nun mal nicht“, sagt sie. Das berücksichtigt auch die Hansestadt in ihrer Allgemeinverfügung: „Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr dürfen ihre Eltern begleiten, soweit eine anderweitige Betreuung nicht gesichert werden kann“, heißt es in ihr. Die Allgemeinverfügung gilt bis zum 4. Januar. Von Nina Lennartz