Gemeinsam ein Haus kaufen: Neues Familien-Wohnprojekt in Lübeck

Isabel und Tim haben ähnliche Träume wie viele junge Eltern: sie möchten mit ihren beiden Töchtern (3 Jahr und 9 Monate) im eigenen Haus wohnen. Doch diesen Traum werden sie sich nicht mit einem Einfamilienhaus erfüllen. Mit drei anderen Paaren und Familien haben sie ein Wohnprojekt gegründet und suchen nun zusammen ein großes Haus. „Wir wollen in Gemeinschaft wohnen, die Kinder miteinander spielen lassen, abends beim Bier einen Film mit den Anderen schauen“, sagt Isabel. Ein Schlüsselerlebnis war für sie die Besichtigung eines Reihenhauses in einem Lübecker Stadtteil. „Da haben wir gemerkt: Das ist es nicht, was wir wollen.“ Die heutige Diskussion über den zu großen Flächenverbrauch von Einfamilienhäusern gab es damals noch nicht. Die junge Familie wollte einfach die Vorteile der Wohngemeinschaft, in der sie schon jetzt lebt, nicht aufgeben: Nachbarschaftshilfe, ein Garten für alle und gemeinsam genutzte Räume. Gemeinschaftsfindung als Prozess: Sie stellten fest, dass viele ihrer Bekannten ähnliche Träume hatten wie sie und überlegten, gemeinsam mit anderen Familien ein Haus zu kaufen. Zum Beispiel Stadtplaner Wolfgang und die Konditorin Imke, die die Idee mochten, „Ressourcen und ein soziales Netzwerk zu teilen“. Isabel arbeitet bei Landwege und erzählte ihrer Kollegin Kristin Saß von dem Projekt. Die junge Frau, die mit ihrem Partner Jonas gerade Lübecks erste „Market Garden“-Gärtnerei gründet, fand sie spannend: „Wir hatten schon daran gedacht, ein Haus auf dem Land zu kaufen. Aber allein hätten wir uns das nicht getraut.“ Im Februar 2020 trafen sich im Café Sofa zum ersten Mal fünf Familien, um Gemeinsamkeiten zu finden. Wegen Corona mussten sie ihre wöchentlichen Treffen schnell ins Internet verlegen. Trotzdem haben sie sich in diesem Jahr gut kennen gelernt. Als Arbeitstitel gaben sie dem Projekt den Namen „Stadtgestalten“. Sie machten Listen: Wie viel Privatsphäre braucht jeder und jede? Wollen wir eine gemeinsame Küche? Soll es ein Alt- oder Neubau sein, wo liegt das Limit bei den Kosten? „Es war ein Prozess. Manchmal haben wir dabei erst gemerkt, was wir selber möchten“, sagt Maria, die zwei Kinder im gleichen Alter hat wie Isabel und Tim. „Es gibt viele verschiedene Wege, zusammen zu leben.“ Diese können sich zum Beispiel eine Gemeinschaftsküche vorstellen, während für Imke und Wolfgang ein Rückzugsraum besonders wichtig ist. Geld sparen durch gemeinsam genutzte Räume: Oft stellten sie sich selbst „Hausaufgaben“. Sie beschäftigten sich mit möglichen Rechtsformen für ihr Wohnprojekt, etwa Genossenschaften, GbRs, dem Mietshäuser-Syndikat oder Wohneigentümer-Gemeinschaften. Welche es am Ende sein wird, hängt auch von der Immobilie ab, die sie kaufen werden. Ein paar Häuser haben sie schon besichtigt, doch diese waren entweder schon vermietet, schlecht geschnitten oder zu teuer. „Der Markt ist sehr angespannt“, sagt Lutz, der Partner von Maria. „Für normales Geld gibt es wenig bezahlbare Häuser. Aber wenn sich nur die High Society in ein Wohnprojekt einkaufen kann, fehlt die Vielfalt.“ Andererseits sei es ein Vorteil, zusammen ein größeres Haus zu suchen. Wenn die Gemeinschaft Ressourcen wie ein Auto oder ein Gästezimmer gemeinsam nutzt, sparen dabei alle, sagt Lutz. Lesen Sie auch Lübeck: Junges Paar gründet erste Market Garden-Gärtnerei Ökodorf Allmende-Wulfsdorf: Ahrensburg plant Erweiterung Eigentum für alle? Was Wohnungsgenossenschaften wieder so attraktiv macht Die „Stadtgestalten“ kennen mehrere Projekte, die in Lübeck neu entstehen. Diese Wohnform gewinnt offenbar an Beliebtheit. „Es ist eine Generationenfrage“, sagt Maria, „wir machen uns heute mehr Gedanken darüber, wie wir leben möchten. Und das Thema Wohnen ist dafür ganz wichtig.“ Die „Stadtgestalten“ sind erreichbar unter stadtgestalten-hl@posteo.de. Von Friederike Grabitz