Glück im Unglück? Ostholsteiner Offizier in der Heimat gestrandet

Rosenstadt statt Alaska, Großer Eutiner See statt Glacier Bay, Hausrenovierung in der Riemannstraße statt Cruising auf Kurs Beringsee: Das lange Himmelfahrts-Wochenende und auch Pfingsten „darf“ Till Uekermann unverhofft im Kreise seiner Liebsten in Eutin verbringen. Unverhofft, aber unfreiwillig und nicht unbesorgt. Denn der 36-jährige Familienvater würde in diesen Tagen eigentlich als Erster Offizier auf dem Kreuzfahrtschiff „Westerdam“ von Japan aus in Richtung Alaska unterwegs sein und nicht während einer Hausumbau-Verschnaufpause mit Sohn Titus (4) und Töchterchen Charlotte (1) in der Sandkiste spielen. Wenn da nicht die Corona-Pandemie wäre . . . Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach 150 000 Seeleute warten weltweit auf Ablösung: Während wegen der seit Februar ausgesetzten Crewwechsel 150 000 Seeleute auf allen Meeren und in zahllosen Häfen dieser Welt festsitzen, gehört der gebürtige Braunschweiger, studierte Wirtschaftsingenieur für Seeverkehr und Wahl-Ostholsteiner zur ähnlich großen Schar der Fahrensleute, die bereits seit Monaten nicht anheuern können und buchstäblich auf dem Trockenen sitzen. 14 HAL-Kreuzfahrer schippern passagierlos umher: Denn auch die 14 Kreuzfahrer seiner Reederei, der Holland-America-Line (HAL) mit Sitz in Seattle im US-Bundesstaat Washington, schippern derzeit passagierlos, aber mit zumeist kompletten Besatzungen erfolglos von Hafen zu Hafen. Nur vereinzelt können Crewmitglieder aufgrund weltweit verschärfter Corona-Beschränkungen und gekappter Flugverbindungen an Land abgesetzt und nach Hause geschickt werden. Glück im Unglück nach Abflug aus Singapur: Der immerhin in der Heimat Gestrandete berichtet: „Ich hatte im Januar Glück im Unglück, da ich nach einem Werftaufenthalt in Singapur nach Hause fliegen konnte. Denn vier Wochen später konnte die ,Westerdam’ zwar die letzten ihrer gut 1450 Passagiere nach einigen Covid-19-Verdachtsfällen und einer wahren Odyssee in Kambodscha aussteigen lassen. Aber das Gros der 750-köpfigen Crew musste an Bord bleiben und wartet seitdem vergebens auf Ablösung – mitunter schon über ein halbes Jahr lang.“ Safety Officer hängt seit März in der Luft: Da Uekermanns Heuerverträge mit der HAL offiziell stets nur für die dreimonatige „aktive Zeit“ an Bord gelten und nach dreimonatiger „Off-Phase“ wieder erneuert werden müssen, hängt der ostholsteinische Safety Officer derzeit nicht nur routenmäßig, sondern auch finanziell in der Luft. Der 36-Jährige freut sich mit Ehefrau Anncathrin (38) zwar darüber, mit der Renovierung des im Januar übernommenen, 70 Jahre alten Hauses auch dank familiärer Hilfe über die Runden zu kommen. Aber er räumt auch ein: „Wir wissen ja nicht, wie sich das alles entwickelt. Schließlich hätte ich schon am 28. März nach Yokohama fliegen sollen, um von dort aus in Richtung Kanada und Alaska in See zu stechen.“ Hartz-IV-Antrag und Bewerbungen an Land abgegeben: Um in seinem vorerst unbefristeten und unbezahlten Zwangsurlaub auf Nummer sicher zu gehen, hat der ausgebootete Familienvater auch bereits einen Hartz-IV-Antrag gestellt und sich auf Stellen an Land – unter anderem als Lehrer bei der Seemannsschule auf dem Lübecker Priwall – beworben. Insgeheim jedoch hofft Uekermann, sich möglichst bald wieder an Bord des 285 Meter langen und 32 Meter breiten, 2004 in Dienst gestellten Ozeanriesen mit seiner zehnköpfigen Crew um die Sicherheits- und Rettungstechnik kümmern zu dürfen. 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Für mich ist dieser angekündigte Vorschuss auch ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Reederei in diesen schweren Zeiten an uns und unsere Jobs denkt.“ Beim Buddeln sind die Gedanken im Westpazifik: Und auch seine Gedanken kreisen derzeit nicht nur um die Riemannstraße oder den Großen Eutiner See. Wenn er im heimischen Garten mit Titus und Charlotte in der Sandkiste buddelt, schweift sein innerer Blick immer wieder gen Westpazifik ab. Denn Uekermann sagt: „Ich stehe mit meinem holländischen Ablöser in Kontakt und weiß, dass unser Schiff gerade die Philippinen ansteuert, um nach monatelanger Irrfahrt wenigstens das Gros der philippinischen Crewmitglieder in Manila absetzen zu können. Wenn ich daran denke, habe ich im Vergleich zu ihnen wohl tatsächlich Glück im Unglück.“ Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in und um Lübeck: Diese Texte sollten Sie gelesen haben Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Schutzmasken richtig tragen: So geht’s! Alle aktuellen Informationen aus Deutschland und der Welt im Live-Blog #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So helfen Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck Klamme Kassen wegen Corona: Parkplätze an der Küste bald gebührenpflichtig? 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