Goldschmiedin aus Lübeck fertigt Echtschmuck aus Ostsee-Muscheln

Wer kennt diesen Moment im Leben nicht, in dem man einfach mal kurz alles loslassen möchte, weil die Akkus leer sind? Einfach mal raus. Einfach mal was anderes machen – oder gar nichts. Hauptsache runterkommen, um wieder hochzufahren. Irgendwie so spielte sich das Gedankenkarussell auch bei Yvonne Sterly ab, als die heute 51-Jährige vor vier Jahren mal für zwei Monate alle Zelte abbrach und nach Hiddensee verschwand. Da kannte sie zwar Nichts und Niemanden – aber sie war bei sich. „Ich wollte das schon immer mal machen“, sagt die Goldschmiedin über die Auszeit, die so Vieles verändern sollte. „Und der Zeitpunkt war gerade richtig.“ Hauptsache Ostsee: Der Sohn war aus dem Haus, das Schmuckgeschäft an der Obertrave lief und der „Ruf nach Meer“, wie Sterly sagt, wurde immer lauter. Also wurden kurzerhand die Auszeit-Koffer in Richtung Hiddensee gepackt. Und obwohl Sterly die Ecke gar nicht kannte, war ihr die neue Destination nicht so fremd. „Meine einzige Bedingung damals war: Hauptsache an die Ostsee.“ Denn somit war das, was der gebürtigen Lübeckerin am nahesten war, gleich inkludiert im Offline-Modus: Der Duft des Heimatmeeres, lange Spaziergänge am Wasser und das Sammeln von Muscheln, die es Sterly so sehr angetan haben – auch wenn sie weiß: „Richtig heimisch sind die Muscheln an der Ostsee im ursprünglichen Sinne nicht, weil sie einst aus der Nordsee eingewandert sind.“ Aber was Sterly besonders mag, ist, dass sich die Muscheln hier über die Jahrtausende behauptet haben. „Zwar sind sie durch den geringen Salzgehalt der Ostsee etwas kleiner als die Nordsee-Muscheln, aber Ostseebewohner sind zäh und stark.“ Heimat am Hals: Zäh, stark und doch so zerbrechlich, das ist es, was Sterly so muschelbegeistert. Die häufigsten vier Arten, die in der Ostsee vorkommen, sind die Baltische Plattmuschel, die Herzmuschel, die Miesmuschel und die Sandklaffmuschel. „Die Arten sammle ich schon seit Jahren, immer wenn ich am Strand unterwegs bin. Ob nun in Heiligenhafen oder auf Hiddensee“, schwärmt Sterly. „Und ich liebe sie alle.“ Und natürlich kommen bei einer zweimonatigen Ostsee-Auszeit einige Spaziergänge und Muscheln zusammen – deswegen auch kam Sterly die Idee, die sie heute stolz als ihre Kollektion „Muscheliges“ präsentiert: Ostsee-Muscheln als Silber- oder Goldschmuck. Als Anhänger, Ohrringe, Ringe, Broschen oder Glücksbringer – und das mit einem ausgeklügelten Schmuck-Guss-Verfahren, das die Muscheln detailgetreu abbildet. „Die Natur ist mein Vorbild“, erläutert Sterly. „Bis ins kleinste Detail forme ich die Muscheln ab, damit sie als Schmuck genauso perfekt sind.“ Die Originale werden durch ein Wachsausschmelzverfahren zunächst in Silikon gehüllt und später wieder entfernt. Die „Hüllen“ werden anschließend mit Silber oder Gold ausgegossen und getrocknet. So die Kurzversion – und so ergibt sich die perfekte Echtschmuck-Muschel, die Kunden oft nicht mehr vom Original unterscheiden können, berichtet Sterly. „Ich weiß, dass ich nicht die erste und einzige Goldschmiedin bin, die Ostseeschmuck herstellt“, sagt sie, „aber diese Feinarbeit ist schon etwas Besonderes.“ Souvenirs aus der Ostsee – was liegt am Strand? Ostsee-Schmuck aus Schweißerhand Neue Adresse für Bernsteinschmuck Der Brodtener Steilufer-Ring – ein echtes Schmuckstück Muschel auf Reisen: Und noch ein Projekt hat sie auf den Weg gebracht: Die Reisemuschel. Hierbei handelt es sich um eine massive Silbermuschel in verschiedenen Größen, die man als Glücksbringer oder Andenken bei sich trägt und bei Social Media unter dem Hashtag #reisemuschel auf Tour präsentiert. „Ich habe schon Bilder von der Muschel vor dem Eiffelturm oder von der Muschel aus Moskau bekommen“, freut Sterly sich. So schaffen es ihre Schmuckstücke raus in die ganze Welt – und so ist die Liebe zur Heimat quasi grenzenlos. Von Schabnam Tafazoli