Kältebus in Lübeck: Eisiger Winter trifft Obdachlose hart

Ein Spaziergang in der Nacht durch Lübeck offenbart an der ein oder anderen Stelle das hilfsbedürftigste Gesicht der Stadt – gerade zu dieser Jahreszeit. Obdachlose Menschen schlagen vielerorts ihre Unterkünfte auf – zum Beispiel im Eingang des ehemaligen Karstadt-Sport-Gebäudes. Dort liegen zwei Matratzen, akkurat mit Decken und Schlafsäcken bezogen. Zwei Krücken lehnen an der Glastür. Aufgespannte Regenschirme schützen das Hab und Gut vor neugierigen Blicken. Eine weitere Unterkunft findet sich im Durchgang zwischen Zob und Bahnhof. Ordentlich stehen zwei paar Schuhe hinter einer Matratze. Am Kopfende stehen ein Kaffeebecher und eine Flasche Mineralwasser. Auf der Matratze liegt offenbar – dick in Decken eingehüllt – eine Person und scheint trotz eisigen Windes tief zu schlafen. Eisiger Wind macht obdachlosen Menschen zu schaffen: Wind – das ist das größte Problem in dieser Nacht. Wo bisher das befürchtete Schneechaos ausgeblieben ist, hat sich in der Hansestadt sehr wohl der angekündigte Wind eingestellt. Eigentlich sind es gerade einmal -4 Grad. Auch das ist kalt, aber die meisten der Obdachlosen in der Stadt haben sich auf diese Temperaturen mit ihren Mitteln eingestellt. Wäre da nicht der Wind. Eisig bläst dieser erbarmungslos durch die Straßen und kaum ein Winkel bietet Schutz vor der gefühlten Kälte, die noch einmal zehn Grad kälter ist. Das macht auch anderen Lübeckern Sorgen. Polizeistreifen halten Ausschau, um bei Bedarf Hilfe anzubieten. Unterstützt werden sie dabei durch Anrufe besorgter Bürger. So wie im Domkirchhof. Zwei Personen haben sich im Eingang der Oberschule zum Dom (OzD) eingerichtet. Es ist ein wenig windgeschützter hier. Trotzdem macht sich gegen 23.30 Uhr ein Anwohner Sorgen. Der Wind pfeift ganz schön im Domhof und macht auch vor der Nische des Eingangs nicht halt. Kältebus unterstützt Obdachlose mit heißen Getränken: Kurze Zeit später trifft ein Streifenwagen der Polizei vor der Schule ein. „Sehr nett haben die uns angesprochen und gefragt, ob wir irgendetwas bräuchten“, sagt Arsenus Rizos. Er ist einer der beiden, die im Eingangsbereich Schutz vor der Kälte gesucht haben. Über die Rettungsleitstelle fordern die Beamten Hilfe an. Nach kurzer Zeit ist ein Transporter des Malteser Hilfsdiensts vor Ort. Lesen Sie mehr zum Thema: Mehr Notunterkünfte für Obdachlose in Lübeck Jan Rühmling, Vorsitzender des Vereins Obdachenlosenhilfe e.V. in Lübeck, kennt die Nöte der Obdachlosen. Der Herzenswärmebus des Vereins ist in der Hansestadt auf Tour, versorgt Bedürftige mit Kaffee, warmem Eintopf bis hin zu einem Schlafplatz im Warmen in einer durch die Stadt oder andere Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellten Unterkunft. Auch bei den frierenden Obdachlosen an der OzD hatte der Bus bereits Station gemacht, erzählt Rühmling. „Wenn wir dann weiter auf Tour sind, hilft für den Transport von Obdachlosen in eine warme Unterkunft der Transportdienst des Malteser Hilfsdienstes.“ Eine gute Viertelstunde stehen Polizei, Malteser und die beiden Personen beieinander. Arsenus erzählt, er sei Grieche, sein Kollege Catalin komme aus Rumänien. Deutsch spricht dieser so gut wie nicht. Arsenus übersetzt für ihn. Dann verabschieden sich die Helfer. Die beiden Obdachlosen haben sich entschieden, lieber vor Ort zu bleiben. Für die Beamten und die Helfer des Hilfsdienstes haben die beiden nur lobende Worte. Als sehr freundlich und wertschätzend hätten sie die Ansprache der Helfer empfunden. Auch der Stadt stellen sie ein gutes Zeugnis aus. „Lübeck ist eine der Städte, die wirklich viel für uns tut“, sagt Arsenus. Einige Personen nehmen Unterkunft gerne in Anspruch: Es gibt viele Gründe, warum Obdachlose in solchen Situationen die Straße einem warmen Schlafplatz vorziehen, weiß Jan Rühmling. „Da spielt Angst manchmal eine Rolle – es kommt in solchen Unterkünften auch zu Gewalt und zu Diebstählen.“ Manche hätten auch Schulden und Sorgen, auf ihren Gläubiger zu treffen – auch wenn es sich nur um geringe Summen handele. Paare würden manchmal lieber zusammenbleiben, als getrennt nach Frau und Mann in Unterkünfte zu gehen. Auch ein Hund als Lebensgefährte könne ein Hinderungsgrund sein. Tiere seien in Unterkünften nicht gestattet, die müssten ins Tierheim gebracht werden, wenn der Besitzer ins Warme wechselt. Direkt im Anschluss an den Einsatz im Domhof fahren die Helfer der Malteser weiter zum Lindenplatz. Vor dem Eingang des ehemaligen Ford-Autohauses ist eine Polizeistreife auf einen Mann getroffen. Dieser ist offenbar froh, den herbeigerufenen Malteser-Transporter zu sehen. Nach kurzer Zeit steigt er dankbar in den Bus und lässt sich in eine Unterkunft fahren. Gegen 03.30 Uhr wird der Transporter der Malteser noch einmal zur Schlafstelle an der OzD gerufen. „ Es wurde dann wohl doch zu kalt“, sagt Jan Rühmling. Die beiden Obdachlosen am Domhof hätten sich dann doch für das Hilfsangebot der Obdachlosenhilfe entschieden. Lesen Sie auch Sturmschäden in Reinbek: Bäume stürzen auf Straße und Garagendach Wetter: Winterchaos in Schleswig-Holstein bleibt aus Warum streicht die Bahn Fernzüge nur in Schleswig-Holstein? Zurück zum ehemaligen Karstadt-Sport-Gebäude. Auch weit nach Mitternacht ist an der Schlafstelle im Eingang niemand anzutreffen. Offenbar werden die Angebote der Stadt dankend angenommen. Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels war vom Kältebus der Malteser die Rede. Das wurde korrigiert. Der Verein Obdachlosenhilfe e.V. organisiert die Unterstützung von Obdachlosen in Lübeck. Von Mike Orend und Nick Vogler