Kampfkandidatur ums Spitzenamt: Kann die Lübecker GroKo das überstehen?

Unabhängige, Liberale und Linke haben sich festgelegt: Sie werden bei der Bürgerschaftssitzung am 26. November für Klaus Puschaddel stimmen. Der CDU-Politiker tritt in einer Kampfkandidatur gegen die SPD-Politikerin Sabine Haltern an. Die Grünen sind das Zünglein an der Waage: Sollte die CDU-Fraktion wie ein Mann hinter Puschaddel stehen, so wie bei der Nominierung des altgedienten Kommunalpolitikers, stünden 20 Stimmen auf seiner Habenseite. Aber das reicht nicht. 25 Stimmen brauchen Puschaddel und Haltern, um Nachfolger oder Nachfolgerin von Stadtpräsidentin Gabriele Schopenhauer (SPD) zu werden. Allen Spekulationen, dass Sabine Haltern ihre Kandidatur womöglich zurückzieht, schiebt der SPD-Kreisvorsitzende Jörn Puhle einen Riegel vor: „Sabine Haltern tritt an.“ Und während die Puschaddel-Fans auf dessen hohe Reputation und Wertschätzung, seine straffe Sitzungsleitung und seinen Humor bauen, setzt die SPD auf eine andere Karte. „Die Fraktionen der Unabhängigen, Linken und Grünen können jetzt zeigen, ob ihnen Frauenförderung wirklich ein Anliegen ist.“ Mehrere Fraktionen noch nicht festgelegt: „Wir diskutieren noch, weil wir gerne eine Frau auf der Position hätten“, erklärt Antje Jansen (GAL). Und auch Thomas Misch von den Freien Wählern sagt: „Uns wäre schon daran gelegen, dass eine Frau in das Amt gewählt wird.“ Aber auch bei den Freien Wählern gibt es noch keine Festlegung, genauso wenig wie bei der AfD. Am Ende wird alles von den Grünen abhängen. „Wir sind das Zünglein an der Waage“, bestätigt Fraktionschef Bruno Hönel. Die Fraktion hat am Mittwochabend das Thema diskutiert, aber noch kein Meinungsbild abgefragt. Puschaddel werde von vielen Grünen sehr geschätzt, sagt Hönel, aber auch das Frauen-Argument spiele eine Rolle. Das städtische Rechtsamt habe am Mittwoch bestätigt, dass SPD und CDU ein Vorschlagsrecht hätten, berichtet CDU-Fraktionschef Oliver Prieur. „Die CDU greift mit dem Rücktritt von Klaus Puschaddel in eine Trickkiste“, sagt SPD-Kreisvorsitzender Puhle: „Wir haben bei der Kommunalwahl die meisten Stimmen geholt und haben einen Anspruch auf das Amt.“ SPD holte bei der Kommunalwahl die meisten Stimmen: Klaus Puschaddel, der bisher stellvertretender Stadtpräsident war, musste seinen Rücktritt einreichen, um für das oberste Amt antreten zu können. Die SPD holte bei der Kommunalwahl am 6. Mai mit 16 494 Stimmen (27,6 Prozent) tatsächlich mehr Stimmen als die CDU (14 799 Voten oder 24,7 Prozent), verlor aber seitdem zwei Bürgerschaftsmitglieder an die Grünen. Seitdem sind die beiden Kooperationspartner mit je zwölf Sitzen gleich stark. Können SPD und CDU nach dem 26. November, wenn einer von beiden eine Niederlage bei der Wahl des höchsten politischen Amtes erlitten hat, einfach weiter machen wie bisher? „Wir sehen das nicht so dramatisch“, sagt CDU-Fraktionschef Prieur, „die GroKo überlebt das.“ Auch SPD-Kreisvorsitzender Puhle stellt klar: „Wir stellen die GroKo nicht infrage.“ Die Kampfkandidatur um dieses Amt sei kein Verstoß gegen den Kooperationsvertrag. Verärgerung bis Entsetzen – hinter vorgehaltener Hand: So weit die offizielle Version. Hinter vorgehaltener Hand hört man aus beiden Parteien, dass es Verärgerung bis Entsetzen über den Vorgang gibt. An einen Bruch der Kooperation glauben aber die wenigsten. Zumal die beiden Parteien für die Senatorenwahlen der nächsten Jahre Verabredungen getroffen haben – und die wollen sie nicht gefährden. Thomas Misch (Freie Wähler) sieht durchaus eine Gefahr für die Kooperation. „Wenn die beiden Parteien bei der Wahl um das höchste politische Amt gegeneinander antreten, kommt das der Zusammenarbeit nicht zugute“, erklärt Misch: „Die Unabhängigen haben einen Keil in die GroKo getrieben.“ Die Unabhängigen hatten als erste öffentlich gefordert, dass die CDU mit Klaus Puschaddel antreten solle und der SPD nicht kampflos das Feld überlassen dürfe. Lesen Sie auch: Lübeck: 2000 Kubikmeter Sand für neue Rampe an der Possehlbrücke Lübeck: „Trave“ saniert für 17 Millionen Euro Hochhaus in Moisling Lindenau: Strengere Corona-Regeln für Lübecks Standesamt Von Kai Dordowsky