Karstadt Lübeck: Ideen eines Immobilienmaklers für die Gebäude

Im Säulengang des Karstadt-Gebäudes an der Königstraße überkommt Wolf-Christian Wittke der Zorn. „Schmuddelkram“, schimpft er und zeigt auf ein altes Hemd, das zerknüllt auf der Rampe der Lieferanteneinfahrt liegt. „Dunkel, verbarrikadiert“, sagt er mit Blick auf die Fensterfront. Er zeigt auf den Schmutz an der Decke, auf das Unkraut, das zwischen den Pflastersteinen hervorsprießt, auf die Hundeurin-Lache an einem Pfeiler, und spricht sein Urteil: „Das hat nichts mit Immobilienbewirtschaftung zu tun.“ Große Anleger-Gesellschaften auf dem Immobilienmarkt: Auf Highstreet, das Konsortium, dem die Karstadt-Immobilien in der Innenstadt gehören, ist Wolf-Christian Wittke nicht gut zu sprechen. Nicht, weil er etwas gegen Vermieter hätte. Er selbst vermietet, verwaltet und vermittelt Immobilien in Lübeck und Umgebung. Auch mehrere Gewerbeimmobilien in der Innenstadt gehören ihm. Aber ihm passt die Richtung nicht, die das Geschäft genommen hat: Immer mehr Gewerbeimmobilien gehören nach seiner Beobachtung großen Anleger-Gesellschaften, die sich um die Pflege ihres Eigentums wenig kümmern – und die eher Leerstand in Kauf nehmen, als die Mieten herabzusetzen. Alles, was Lübeck voranbringt: Jeden Montag gegen 18 Uhr in Ihrem E-Mail-Postfach. Hier kostenlos den Newsletter „Lübeck next“ bestellen! „Eigentümer und Investoren müssen umdenken“: „Man muss mir den Handel zeigen, der so viel erwirtschaften kann, dass er 120 Euro Miete pro Quadratmeter zahlen kann“, sagt Wittke. Das ist der Spitzenwert, der ihm zufolge in der 1a-Lage der Innenstadt – also der Breiten Straße zwischen Kohlmarkt und Schrangen – verlangt wird. „Da muss ein Umdenken der Eigentümer und Investoren stattfinden.“ Ein Warenhaus mit vielen Händlern: Was Highstreet mit den Karstadt-Häusern vorhat, weiß Wittke genauso wenig wie irgendjemand sonst in Lübeck. Aber wäre er selbst der Eigentümer, hätte er einige Ideen. Er könnte sich dort weiterhin ein Warenhaus vorstellen – aber eines mit vielen, kleinen Händlern. Die Königpassage und das Haerder-Center, sagt er, seien „zu klein, um eine vernünftige Mischung hinzubekommen. Und ich behaupte mal, dass das auch dort ein Problem der Mietforderungen ist.“ Die Miete für ein etwa 60 Quadratmeter großes Geschäft in bester Innenstadtlage kostet in Lübeck im Schnitt 80 Euro pro Quadratmeter. Das geht aus dem aktuellen Immobilienpreisspiegel des Immobilienverbands Deutschland (IVD) hervor. In Lüneburg ist die Quadratmetermiete für kleine Geschäfte genauso hoch, in Kiel liegt sie bei 45 Euro, in Hamburg bei 140 und in Hannover sogar bei 155 Euro. Beste Lage (1a-Lage) – das bedeutet in Lübeck: an der Breiten Straße zwischen Kohlmarkt und Schrangen. In der 1b-Lage – dazu zählen Königstraße und Hüxstraße – liegt der Wert nur noch bei 25 Euro (Kiel: 13, Hamburg: 45, Hannover: 28 Euro). Bei höheren Quadratmeterzahlen reduziert sich die Miete pro Quadratmeter stark. Gestiegen sind die Gewerbemieten in Lübeck kaum – auch nicht über einen längeren Zeitraum. 2005 wurden 70 Euro in der 1a-Lage fällig, 28 Euro in der 1b-Lage. Das gehe auch aus dem Einzelhandelsmonitor der Lübecker Wirtschaftsförderung hervor, sagt deren Chef Dirk Gerdes: „De facto sind die Mieten in der Innenstadt seit 2011 konstant.“ Dass es Unterschiede zwischen, zum Beispiel, den Innenstädten von Lübeck und Kiel gibt, bedeutet keine Störung des Marktes. „Eine Gewerbemiete“, sagt Peter-Georg Wagner, Geschäftsführer des IVD Nord, „ist nichts anderes als eine Konsequenz von Angebot und Nachfrage. Wenn alle sagen, dass die Miete zu hoch sei, dann müssen ja die Mieten runtergehen.“ So weit die Theorie. Tatsächlich ist es komplizierter. Denn die Mieten sind zwar konstant – die Umsätze des stationären Einzelhandels aber rückläufig. „Die Innenstädte werden unattraktiver“, sagt Mareike Petersen, Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord, „aber die Mieten passen sich dem nicht an.“ Sie nennt dafür zwei Ursachen: Erstens den immer höheren Anteil von institutionellen Anlegern unter den Eigentümern. „Wenn da mal ein Gebäude leer steht – das tut denen nicht weh.“ Zweitens die langen Laufzeiten von Mietverträgen. Zusammenarbeit mit Hüxstraßen-Händlern: Er würde sich, sagt Wittke, ein Konzept überlegen „für ein ansprechendes Einkaufserlebnis“. Er könnte sich eine Mischnutzung vorstellen: oben Büros, unten Einzelhandel. Die Dachterrasse mit Blick auf die Marienkirche, die zurzeit ungenutzt ist, würde er auf jeden Fall einbeziehen. Im Erdgeschoss könnte er sich eine Zusammenarbeit mit kleinen Händlern, zum Beispiel aus der Hüxstraße, mit Künstlern oder mit Kunsthandwerkern vorstellen, die dort ohne Vertragsbindung eine umsatzabhängige Miete zahlen, in der Anfangsphase vielleicht sogar gar keine. „Ich rede nicht von Luxus, von KaDeWe“, sagt Wittke. „Aber davon, dass ich dort Dinge finde, die ich nicht beim Media Markt kriege und vielleicht auch nicht bei Herrn Amazon.“ Kleinbusse von der Kanalstraße: Dazu, sagt Wittke, müsste eine entsprechende Infrastruktur in der Umgebung kommen – zum Beispiel ein Großparkplatz an der Kanalstraße, kostenlos für die Kunden ab einem bestimmten Einkaufswert. Ein E-Roller-Parkplatz. Eine kurz getaktete Kleinbusverbindung zum Innenstadtrand. Kleine Leih-Elektromobile. Kritik an Highstreet: Mit einer gewissen Zeit des Leerstands rechnet Wittke in jedem Fall. „Das ist nichts, was man in sechs Monaten weitervermietet.“ Aber jetzt sei der Eigentümer gefragt. „Und da reicht es nicht, dass irgendein Bereichsleiter für den Postleitzahl-Bezirk 2 seinem Sachgebietsleiter einen Auftrag erteilt.“ Das bisherige Verhalten des Karstadt-Vermieters Highstreet stimmt ihn nicht optimistisch: „Wenn ein Immobilienbesitzer für den Bürgermeister der Stadt, in dem ihm eine nicht unbedeutende Immobilie gehört, nicht erreichbar ist – dann stimmt etwas nicht.“ Von Hanno Kabel