Karstadt-Rettung: Schwung durch Lübecks Weihnachtswunder

Was für ein Weihnachtsmärchen in Lübeck – ein Geschenk an die Familien von 170 Karstadt-Mitarbeitern: Das Kaufhaus im Herzen Lübecks ist gerettet. 169 Tage lang lasteten Sorge und Ungewissheit auf ihnen. Wie soll es weitergehen ohne den Job? Am Freitag die erlösende Nachricht: Drohende Arbeitslosigkeit oder Jobwechsel sind für die meisten abgewendet. Und auch für Lübeck bedeutet der verkündete Karstadt-Erhalt: Aufatmen. Durchatmen. Und: Weitermachen! Lohn für harte Arbeit hinter den Kulissen: Denn Lübeck hat sich das Geschenk hart erarbeitet. Im Sommer hatte Karstadt angekündigt, vier der fünf Warenhäuser in Schleswig-Holstein schließen zu wollen. Deutschlandweit traf es 37 Filialen. Dass mit Lübeck eine der ältesten in Deutschland betroffen sein sollte, hatte kaum einer für möglich gehalten. Doch schnell zeichnete sich die bittere Realität ab. Der Ausverkauf lief, Karstadt Sports musste bereits schließen. Ein bitterer Vorgeschmack auf das, was die Innenstadt mit einem Leerstand beider Häuser erwartet hätte. Doch vom ersten Tag an liefen im Hintergrund Verhandlungen. Hartnäckig und zäh brachte sich Lübeck ins Spiel. Die SPD hatte sich das Thema früh auf die Fahnen geschrieben, stand mit Mitarbeitern in Kontakt. Bürgermeister Jan Lindenau lag dem Konzern in den Ohren, breitete schriftlich Konzepte aus, suchte Kontakt zu den Eigentümern der Immobilie. Und die Belegschaft kämpfte nachdrücklich für ihre Zukunft – und die des Standorts. All das hätte vermutlich nichts genutzt, wäre es nicht zu dem Eigentümerwechsel gekommen. Alles zusammengenommen jedoch ergab die Zauberformel: Karstadt bleibt doch in Lübeck. Dieser Erfolg sollte jetzt den nötigen Schwung verleihen, weiterzuarbeiten. Was geschieht mit den Mitarbeitern, die jetzt (noch) nicht abgesichert sind? Wie geht man mit Flächen um, die trotz des Warenhaus-Erhalts demnächst leerstehen könnten? Auch dazu gibt es Ideen und Verhandlungen, die trotz der guten Nachricht jetzt um so dringlicher vorangetrieben werden müssen. Jetzt Neuanfang wagen: Die Corona-Pandemie macht es nicht leichter, den Innenstadthandel zu entwickeln, im Gegenteil. Aber kleine Läden werden davon profitieren, wenn es den großen Magneten Karstadt am Schrangen weiter gibt. Vielleicht braucht es dort den Charme eines mutigen Neuauftritts, der die Kritiker des Systems Warenkaufhaus verstummen lässt. Eines hat die Karstadtkrise gezeigt: Die Lübecker lieben ihre Innenstadt, und ja: Sie lieben ihr Karstadt-Warenhaus. Die Stadt wird das ihre tun, diese Liebe zu beweisen. Stichwort: die Sanierung der Fußgängerzone. Und was können die Lübecker tun? Ganz einfach: Weniger im Internet bestellen, sondern die Weihnachtseinkäufe in Lübecks Geschäften erledigen. Von Nick Vogler