Kiel prescht vor: Lübecker Politiker wollen auch Drogenkonsumraum

Das Thema schien für Lübeck eigentlich erledigt. Zuletzt hatte eine Mehrheit in der Bürgerschaft Ende Juni einen Drogenkonsumraum abgelehnt. Doch die Befürworter lassen nicht locker und verweisen auf die Landeshauptstadt: Dort hat die Ratsversammlung einen Drogenkonsumraum beschlossen. „Wir begrüßen ausdrücklich den Kieler Ratsbeschluss“, sagt Grünen-Fraktionschef Bruno Hönel. Auch in Lübeck sei der Bedarf für einen Drogenkonsumraum groß und werde durch die Corona-Pandemie noch verschärft. Hönel: „Wir fordern die Landesregierung und explizit die CDU-Landtagsfraktion auf, den Weg für die in Schleswig-Holstein noch fehlende, notwendige Rechtsverordnung frei zu machen.“ „Höchste Zeit für menschenwürdige Drogenpolitik“: Die Erfahrungen der letzten Jahre hätten gezeigt, dass sich Drogensüchtige weder durch die Pandemie noch durch Repression oder sicherheitspolitische Maßnahmen am Konsum hindern lassen würden. „Auch hier bei uns in Lübeck ist es höchste Zeit für eine menschenwürdige Drogenpolitik mit dem Fokus auf Prävention, sozialer Hilfe, Infektionsvermeidung und der Verhinderung von Drogentoten durch Überdosierungen“, erklärt Hönel. Der Grünen-Fraktionschef hofft, dass das Thema durch den Kieler Vorstoß auch in Lübeck neu beraten werde. „Wir hatten in Lübeck schon 2018 durch unseren Antrag die Chance, beim Thema Drogenkonsumraum Vorreiter in Schleswig-Holstein zu werden“, sagt Bastian Langbehn (Die Partei). Diese Chance sei von der GroKo aus SPD und CDU leichtfertig vergeben worden. Langbehn ist Mitglied der Fraktion der Grünen in der Bürgerschaft. Lesen Sie auch Corona: Mit diesem Plan will SH aus dem Lockdown kommen Bußgeldkatalog in Schleswig-Holstein: So teuer sind Corona-Verstöße Krankenhäusern im Kreis Herzogtum Lauenburg gehen Intensivbetten aus Auch die Lübecker Liberalen erneuern nach dem Beschluss der Kieler Ratsversammlung ihre Forderung nach einem Drogenkonsumraum. „Nachdem der offene Drogenhandel am Krähenteich endlich konsequent eingestellt werden konnte, wurde es versäumt, den Suchtkranken eine Perspektive zu geben“, kritisiert der FDP-Sozialpolitiker Axel Walter: „Wir werden in der nächsten Sitzung des Sozialausschusses einen Antrag stellen, in Lübeck alle Möglichkeiten zu prüfen, einen solchen sicheren Raum zu ermöglichen.“ „Kiel macht uns hier vor, wie moderne Drogenpolitik geht“, sagt die Fraktionschefin der Linken, Katjana Zunft, „es wurde erkannt, dass ein Drogenkonsumraum kein rechtsfreier Raum für Dealer und Drogensüchtige ist, sondern eine soziale Einrichtung, die gesundheitliche und drogentherapeutische Ziele verfolgt.“ Linken-Kreisvorsitzender Andreas Müller fordert die SPD auf, ihren Widerstand gegen einen solchen Raum aufzugeben. Polizei sieht ein Dilemma: SPD und CDU haben bisher immer gegen diese Einrichtung gestimmt. Sozialsenator Sven Schindler (SPD) hält nichts von „immer neuen Bausteinen in der Drogenpolitik“. Die Verwaltung arbeite an einem Gesamtplan, erklärte er zuletzt. Auch außerhalb der Politik erntet die Idee eines Konsumraums viel Skepsis. Die Polizei hat ebenso wie die Awo-Drogenhilfe auf die Rechtslage in Schleswig-Holstein hingewiesen. Die Polizei müsse eingreifen, wenn strafbare Handlungen wie der illegale Besitz von Betäubungsmitteln vorliegen, lautet das Argument der Polizei. Süchtige, die einen Konsumraum betreten, hätten ihre Drogen bei sich. Ohne eine Rechtsverordnung des Landes sei dieses Dilemma nicht lösbar. Von Kai Dordowsky