Kriminalitätsstatistik: Mehr Sexualdelikte an Kindern in Lübeck

Die Kriminalität in der Hansestadt hat im Jahr 2020 insgesamt zwar einen neuen Tiefstand erreicht: Waren 2019 noch 21 768 Straftaten bekannt geworden, wurden im Jahr darauf nur 20 942 Taten zu verzeichnen – 826 oder 3,8 Prozent weniger als 2019. Allerdings gab es 2020 bei einzelnen Delikten eine Zunahme: Vor allem bei den Sexualdelikten, insbesondere Kindesmissbrauch, bei Umweltdelikten, bei Sachbeschädigung und Widerstand. Und auch im Landesvergleich schneidet Lübeck nicht gut ab: Auf Landesebene ging die Zahl der Straftaten von 183 445 auf 173 929, also um 5,2 Prozent, zurück. Auch die Aufklärungsquote in Lübeck ging zurück – von 59,3 auf 57,1 Prozent. Mehr Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs wegen Corona? Gerade im Bereich der Sexualdelikte in der Hansestadt Lübeck ist ein Anstieg zu verzeichnen. Sie stiegen von 234 (2019) auf 265 (2020), also insgesamt um 13,25 Prozent. Während die Zahl der Vergewaltigungen in der Hansestadt mit 24 gleich blieb, stieg die Zahl des sexuellen Missbrauchs von Kindern von 29 auf 36 – ein Plus von 24,1 Prozent. Die Zahl der sexuellen Belästigungen stieg von 58 auf 63 registrierte Fälle – ein Plus von 8,6 Prozent. Die Dunkelziffer dürfte gerade beim Kindesmissbrauch deutlich höher sein. Kriminaldirektor Jochen Berndt kann diesbezüglich „nur spekulieren, ob das mit Corona zusammenhängt, weil einfach mehr Menschen zu Hause waren“. Generell sei die Zahl der Sexualdelikte in den vergangenen Jahren immer ungefähr gleich gewesen. Mehr Umweltdelikte wegen Infektionsschutzgesetz: Definitiv mit Corona hängt die Zahl der Umweltdelikte zusammen: Sie stieg von 67 im Jahr 2019 auf 175 im Jahr 2020, also um 161,2 Prozent. Des Rätsels Lösung: Unter den Umweltdelikten befinden sich auch die Quarantäne-Brecher, die es natürlich im Vorjahr noch nicht gab. Kein Corona-Effekt bei Partnerschaftsgewalt: Sogenannte „Partnerschaftsgewalt“ registrierte die Polizeidirektion im Jahr 2020 insgesamt 647 Mal – das sind 23 Fälle mehr als im Jahr 2019. Betrachte man die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre, so Polizeisprecher Stefan Muhtz, so handele es sich nach 2019 um die zweitniedrigste Anzahl an Opfern (2019: 624 / 2018: 685 / 2017: 687 / 2016: 746). „Ein besonderer „Corona“-Effekt lässt sich aus dieser Entwicklung für die Hansestadt Lübeck nicht herleiten.“ Mehr Sachbeschädigungen als 2019: Auch die Zahl der Sachbeschädigungen ist im ersten Corona-Jahr leicht gestiegen: von 2355 auf 2477, also um 5,2 Prozent. Ob auch das mit Corona und einem gewissen Lockdown-Frust zusammen hängt, vermag Kriminaldirektor Berndt nicht zu sagen. Weniger Gewaltdelikte und Wohnungseinbrüche: Aber es gibt auch Erfreuliches aus dem Corona-Jahr 2020: Die Zahl der Raubdelikte nahm um 20,3 Prozent ab, die Gewaltkriminalität um 11,5 Prozent. Und immerhin gab es im vergangenen Jahr 12,2 Prozent weniger Ladendiebstähle und 2,67 Prozent weniger Wohnungseinbruchdiebstähle als im Vorjahr. Allerdings beträgt der Anteil der Tageseinbruchdiebstähle – trotz Lockdown und Homeoffice – 34,9 Prozent aller Einbruchsdiebstähle. Im Vorjahr waren es 22,5 Prozent. Betrugsfälle haben laut Statistik abgenommen: Auffällig ist die Abnahme der Straftaten bei den Betrugsdelikten: Es sind 21,3 Prozent weniger als im Vorjahr, beim Delikt „Erschleichen von Leistungen“ sogar 39,2 Prozent weniger, beim Delikt „Vorenthalten/Veruntreuen von Arbeitsentgelten“ sogar 82,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Um 35,7 Prozent gestiegen ist hingegen das Delikt Geldkreditbetrug. Kriminaldirektor Berndt warnt allerdings: „Die Statistik ist immer eine Ausgangs-Statistik der Fälle, die wir an die Staatsanwaltschaft weitergeben.“ Es könne durchaus sein, dass Corona-bedingt noch nicht alle Betrugsfälle bearbeitet seien. Drogen: Sicherheitspartnerschaft scheint zu wirken: Die Zahl der Rauschgiftdelikte – 2019 wurden 2099 registriert, 2020 waren es 1993 – ist um 5,1 Prozent gesunken. Behördenleiter Norbert Trabs führt das auf die „Bekämpfung der offenen Drogenszene im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft in Lübeck“ zurück. Lesen Sie auch Lübeck: Laut Studie eine der unsichersten Städte Deutschlands Wegen der Coronakrise: Zahl der Straftaten in Schleswig-Holstein sinkt Nach Rekordfund in Lübeck: Kritik an Kieler Drogenpolitik Gegen häusliche Gewalt: Lübecker machen beim Video vom Weißen Ring mit Historischer Tiefstand der Kriminalität: Bilanzierend sagt der Leitende Polizeidirektor: „Die Kriminalitätsbelastung in Lübeck ist auf einem historischen Tiefstand angelangt.“ Besondere Beachtung müsse der Bereich der häuslichen Gewalt und des Stalkings finden. „Neben den offiziellen Zahlen ist hier ein hohes Dunkelfeld anzunehmen.“ Mit Sorge, so Trabs, betrachte er auch die Entwicklung bei den Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamtinnen und -beamte.“ Hier wurden im Jahr 2020 insgesamt 230 Taten verzeichnet –21 oder 10,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Von Sabine Risch