Lübeck: Abriss am Zob macht Platz für Intercity-Hotel am Hauptbahnhof

Krachend und knirschend greift der riesige, gelbe Bagger am Montag mit seiner Stahlschaufel in die Fassade des alten Gebäudes am Lübecker Zob. Steine, Putz und dicke Eisenträger werden aus den Wänden gerissen und fallen donnernd zu Boden. Weißer Staub wirbelt über den ganzen Busbahnhof. Die wartenden Fahrgäste staunen nicht schlecht, denn sie bekommen tiefe Einblicke: Kahle Innenräume mit abgewetzten Tapeten und rissigen Fliesen kommen dort zum Vorschein, wo die große Maschine ein klaffendes Loch hinterlassen hat. Alte Diskothek weicht modernem Hotel: Das war’s nun mit dem alten Gebäude, in dem sich einst eine Diskothek befand. Schon bald soll hier eine moderne Hotelfront aus roten Ziegeln und hohen Fenstern emporragen. Sie wird die Erscheinung des neuen Vier-Sterne-Intercity-Hotels sein, das hier seit Jahren geplant wird. Rückblick auf eine lange Vorgeschichte: Der Start des Neubaus hatte sich in der Vergangenheit mehrfach verzögert. Auch der Verkauf des Grundstücks hat eine lange Vorgeschichte. Ein Rückblick: Die Stadt hat am 4. Oktober 1990 mit Siegfried Hohmann einen Vertrag geschlossen. Dieser besagte, dass er das Grundstück zwar kaufen kann, aber einen städtebaulichen Wettbewerb ausschreiben muss. Eine Frist wurde dabei nicht gesetzt, aber eine Art Reservierung für Hohmann im Grundbuch eingetragen. Neuer Investor hat übernommen: Einen solchen städtebaulichen Wettbewerb hat es anschließend aber nie gegeben. Im Mai 2017 ist dann Jürgen Wernekinck mit der WKM GbR in den alten Kaufvertrag eingestiegen. Die Fläche des Grundstücks wurde allerdings von 3050 Quadratmetern auf 2463 Quadratmeter verkleinert. Der Kaufpreis für das Areal belief sich 1990 auf 3,5 Millionen D-Mark. 2017 betrug er 1,7 Millionen Euro. Die Bürgerschaft segnete das Vorhaben ab. Baustart verzögerte sich mehrfach: Schon bald entstand die Planung für einen Neubau auf dem Grundstück. Es gab jedoch Widerstand: Ein Nachbar klagte 2018 gegen das Projekt. Er scheiterte, aber der Baubeginn verzögerte sich. Der Entwurf musste noch einmal überarbeitet werden. Der Baubeginn wurde folglich für das Frühjahr 2019 angesetzt – doch auch daraus wurde nichts. Im Sommer 2019 hieß es von Seiten des Berliner Projektentwicklers GBI, die Firma habe „einfach viele Projekte“. Der Start wurde wieder verschoben – um knapp ein Jahr. Doch auch im Sommer 2020 geschah vorerst nichts. Am 11. Januar 2021 haben die Arbeiten nun endlich begonnen. Hotel soll im Frühjahr 2023 eröffnen: Nach Angabe des Projektentwicklers GBI wird der Abriss voraussichtlich zwei bis drei Wochen dauern. Zum kommenden Monatswechsel sollen die bauvorbereitenden Maßnahmen beginnen. „In diesem Zusammenhang wird auch nach Altlasten untersucht, wobei wir nach derzeitigem Kenntnisstand keine besonderen Probleme erwarten“, sagt Steven Schachtschneider, Director of Real Estate Management der GBI Unternehmensgruppe. Im März beginne dann der eigentliche Bau des Hotels mit dem Tiefbau und Keller. „Anfang 2023 wird das Hotel fertig sein und dann im Frühjahr 2023 eröffnen“, so Schachtschneider. Für das Intercity-Hotel seien 176 Zimmer vorgesehen, aber keine Tiefgarage. Die meisten Gäste kämen bei der Marke IntercityHotel ohnehin per Bahn. Schachtschneider: „Und aufgrund der exzellenten Park-Infrastruktur rund um den Bahnhof gibt es viele Parkmöglichkeiten in direkter Umgebung.“ Drei neue Haltestellen vor dem Hotel geplant: Für eine neue Optik am Zob wird künftig nicht nur das Intercity-Hotel sorgen. Direkt vor dem Gebäude sollen außerdem drei neue, barrierefreie Bushaltestellen gebaut werden. Derzeit halten die großen Busse dort in einer Kurve. Beim Aussteigen treten die Fahrgäste nicht direkt auf den Bordstein, sondern in die Lücke zwischen Bus und Bordstein – Für Rollstuhlfahrer ist das Ein- und Aussteigen dort also kaum möglich. An sogenannten Sägezahn-Haltestellen sollen die Busse in Zukunft schräg parken können. Bau erfolgt nach Fertigstellung des Hotels: Für das Projekt reservierte die Stadt 1,3 Millionen Euro in 2019. „Die Haushaltsmittel sind für das Jahr 2023 vorgesehen“, sagt Stadtverkehr-Sprecherin Gerlinde Zielke. Die Planung und Umsetzung des Baus erfolge in enger Kooperation zwischen dem Stadtverkehr, der Hansestadt Lübeck und dem Amt für Stadtgrün und Verkehr. Losgehen kann es laut Zielke erst nach der Fertigstellung des Hotels, da sich im Bereich der geplanten Haltestellen zunächst die Bauzufahrt befinden wird. Lesen Sie auch InterCity-Hotel kommt nach Lübeck an den Zob Buddenbrookhaus in Lübeck: Zerstörung des Gewölbekellers soll verhindert werden Lübeck: Termine beim Bürgerservice - Büros sind wieder geöffnet Gemischte Gefühle bei den Bürgern: Einige Bürger blicken dem Neubau indes mit gemischten Gefühlen entgegen. Ramona Schneidereit, die täglich am Zob auf den Bus wartet, meint: „Dass das Gebäude wegkommt, ist super. Das war ja ein richtiger Schandfleck.“ Dennoch kritisiert die Lübeckerin, dass dort nun ausgerechnet ein Hotel entstehen soll. „Die Stadt ist doch schon voller Hotels, der Bahnhof sowieso.“ Die 55-Jährige wünscht sich stattdessen lieber Einkaufsmöglichkeiten. „Zum Beispiel eine Ladenzeile“, sagt sie. Ein anderer Fahrgast, der seinen Namen nicht nennen möchte, hält ein neues Hotel ebenfalls für sinnlos. „Da sollte lieber etwas Vernünftiges hin“, sagt er und schlägt zum Beispiel eine Anlage mit öffentlichen Toiletten vor. Gerade in Zeiten von Corona sei ein Hotel eine Fehlinvestition. „Da kann doch sowieso niemand rein“, meint er. Bürgermeister Lindenau: Ein „Schandfleck“ wird beseitig: Anders ist die Stimmung dagegen im Rathaus. Dort begrüßt man den Baustart des Hotels – Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) lobte das Projekt erst kürzlich. Mit dem Abriss des alten Hauses werde endlich ein „Schandfleck“ beseitigt, sagte er im LN-Interview. Von Rabea Osol