Lübeck: Architekten-Ideen für die Zukunft der Karstadt-Häuser

Und jetzt? Die Karstadt-Häuser in der Innenstadt haben einen neuen Eigentümer – doch das Warenhaus muss schließen. Und noch ist unklar, was aus den beiden Gebäuden wird. Wenn alles möglich wäre, was könnte mit den mächtigen Kolossen mitten in der Fußgängerzone geschehen? Drei Architektur-Experten haben Ideen für die Bauwerke von 1993. Architekten-Ideen für die Karstadt-Gebäude: Klare Vorstellung: Zwei Karstadt-Gebäude, zwei Geschichten. Ein Haus für die Vergangenheit, ein Haus für die Zukunft. Das ist die Idee der Architektin Petra Kahlfeldt. Die Berliner Professorin ist Mitglied im Gestaltungsbeirat Lübeck. Für sie ist der Karstadt-Koloss ein „Wohlstandsbau“. Aus heutiger Sicht sind die Bauwerke viel zu überdimensioniert. „Die Gebäude sind fast doppelt so groß wie die Marienkirche“, sagt Kahlfeldt. Die Altstadt Lübecks habe eine Parzellen-Struktur, mit nur einigen großen Solitär-Gebäuden wie das Rathaus oder auch das P&C-Gebäude am Markt. Handelshaus der Vergangenheit: Die Historie ist Kahlfeldt wichtig. „An dieser Stelle stand eines der ältesten Karstadt-Häuser“, sagt Kahlfeldt. Denn 1884 wurde Deutschlands zweites Karstadt-Haus in Lübeck eröffnet, 1904 hat es seinen heutigen Standort an der Breiten Straße bezogen. Lübeck als alte Handelsstadt sollte dieser Tradition Rechnung tragen. So könnte ein Karstadt-Haus der Vergangenheit verbunden sein und ein klassisches Handelshaus bleiben. Allerdings: Kein Einkaufszentrum, sondern ausgewählte lokale Geschäfte, die zueinander passen. Hinzukommen sogenannte „Pop-up-Stores“, die nur für kurze Zeit ihre Waren feilbieten. Wie im Kaufhaus „Bikini“ am Berliner Zoologischer Garten. Kreativhaus der Zukunft: Die Zukunft könnte in das zweite Karstadt-Haus einziehen. „Die Kreativwirtschaft“, sagt Kahlfeldt. Ateliers, Studios, Büros für junge Unternehmen, Bildhauer, Maler, Fotografen, Designer. Platz für Veranstaltungen, Aufführungen, Ausstellungen, Workshops, Kurse, Seminare, Konzerte – Partys. Das „Rechenzentrum“ in Potsdam verfolgt diesen Ansatz frei nach dem Motto: „Ein Ort von vielen für viele – mitten in der Stadt“. Hässliche Häuser erhalten: Eindeutige Haltung: Die Fassade muss neu, der Rest muss stehen bleiben. Das sagt Architekt Tobias Mißfeldt, Professor an der TH Lübeck. Die beiden Karstadt-Häuser seien zwar hässlich. „Aber sie müssen unbedingt erhalten bleiben“, so Mißfeldt. Auch wenn die Karstadt-Häuser für eine „Zeit stehen, mit der man sich nicht anfreunden kann“. Mißfeldt macht klar: „Wir müssen mit dem umgehen, was da ist.“ Das sei allein schon aus Gründen der Nachhaltigkeit wichtig. Die Gebäude seien solide aus Stahlbeton gefertigt. Mißfeldt: „Der Erhalt der Substanz ist das Gebot der Zeit.“ Neue Fassade für Karstadt: Allerdings: „Die Fassade muss mehr mit ihrer Umgebung sprechen“, erklärt Mißfeldt. Derzeit schotte sie das Gebäude von außen ab. Die Fassaden bräuchten vor allem im Erdgeschoss mehr Türen. In der Hüxstraße gebe es viele Geschäfte, die Eingänge stehen dicht an dicht. Mißfeldt: „Diese alte Parzellen-Struktur müsste wieder aufgenommen werden.“ Neues Innenleben mit kleinen Läden: Ein neues Innenleben wäre die Folge. Vorstellbar seien kleine Läden im Erdgeschoss, in den oberen Etagen Wohnungen. Dann könnten die Menschen unter einem Dach leben und arbeiten. Eine Kombination aus Arbeiten im Erdgeschoss und Wohnen darüber finde sich häufig in der Altstadt, sagt Mißfeldt. „So ist die Stadt entstanden.“ Markthalle für die Menschen: Exakte Analyse: Die beiden Karstadt-Gebäude riegeln sich ab. „Was dem Ort insbesondere fehlt, ist die Belebung zum Straßenraum“, sagt Architekt Klaus Petersen. Sein Lübecker Büro hatte ein Gebäude für den Schrangen zwischen den beiden Karstadt-Häusern geplant und damit einen Wettbewerb gewonnen. Allerdings wurde das geplante Welterbe-Zentrum nie errichtet. Doch schon damals waren die geschlossenen Fassaden der beiden Karstadt-Häuser ein Thema. Petersens Forderung zu den Karstadt-Häusern: „Weg vom Autisten – hin zu kleinteiliger Mischung.“ Thinktank für die Stadt: Um die Häuser mehr zu öffnen, wäre eine öffentliche Nutzung sinnvoll. „Wie eine Markthalle im Erdgeschoss“, so Petersen. Cafés, Orte zum Verweilen. Klar ist für ihn: „Die Obergeschosse sind total schwierig.“ Er kann sich Orte der Begegnung vorstellen – für Gedankenaustausch über Themen der Zukunft wie Fridays for Future sie anspricht. Oder einen „Thinktank“ – eine Art geistiges Zentrum der Stadt. Dazu könnten die Gebäude werden, wenn beispielsweise die Hochschulen es nutzen. Ein zweites Gründungsviertel? Und ein Abriss? Den befürwortet keiner der drei Experten. Lediglich als Gedankenspiel: „Dann könnte man wie im Gründungsviertel am Fuße von St. Marien ein neues Quartier entwickeln“, so Kahlfeldt. Das wäre dann eher ein Handelsviertel.“ Aber Kahlfeldt sagt: „Ich favorisiere den Erhalt.“ Lesen Sie auch Lübeck - Karstadt-Schließung: So groß ist der Einfluss der Stadt Lübeck: Corona - So viele neue Fälle wie nie Nordische Filmtage 2020: So kann man die Filme online anschauen Von Josephine von Zastrow