Lübeck: Bürgerschaft will keinen AKW-Bauschutt

Die Bürgerschaft sagt Nein: Der Bauschutt aus Atomkraftwerken (AKW) soll nicht auf der Deponie Niemark gelagert werden. Das hat die Große Koalition mit den Stimmen von Unabhängigen, Linken, Freien Wählern, GAL und BfL am Donnerstag beschlossen. Dagegen votiert haben die Grünen, FDP und AfD. Als die Entscheidung fällt, ist es 23.15 Uhr. Massive Kritik von der Großen Koalition: Massive Kritik kommt von SPD und CDU. „Das Land will eine billige Lösung für die Lagerung des Bauschutts aus Brokdorf“, kritisiert Marek Lengen (SPD). Aus seiner Sicht macht sich die Jamaika-Regierung in Kiel damit „einen schlanken Fuß“. CDU-Fraktionschef Oliver Prieur stimmt zu: „Die Grünen wollen Lastwagen mit Tonnen von Bauschutt durch Schleswig-Holstein fahren lassen.“ Außerdem bezweifelt er, dass die Deponie Niemark „zu hundert Prozent wasserdicht“ ist. Forderung nach einer Sonderdeponie für den AKW-Schrott: Zustimmung kommt von den kleineren Fraktionen. Antje Jansen (GAL): „Niemark hat keine Basis-Abdeckung.“ Außerdem: AKW-Müll gehöre nicht auf eine Hausmüll-Deponie. Und Katjana Zunft (Linke) sagt: „Brokdorf ist überall.“ Das sei die Parole der Anti-Atomkraft-Bewegung gewesen. Und jetzt „soll Brokdorf über ganz Schleswig-Holstein verteilt werden?“ Sie lehnt das ab. Die Forderung der Großen Koalition und Co.: Das Land soll eine Sonderdeponie in der Nähe des Atomkraftwerkes bauen und den Müll dort lagern. Jede Kommune in Schleswig-Holstein muss dafür Geld aufbringen. Zunft: „Das ist die vernünftigste Lösung.“ Lesen Sie hier: Die Bürgerschaft im Live-Ticker AKW-Bauschutt ist die Folge des Atomausstiegs: Vehement dagegen argumentieren die Grünen. „Das ist dummes Zeug“, ärgert sich Silke Mählenhoff (Grüne). Die Menschen woanders werden den Müll auch nicht haben wollen. Zudem sei der AKW-Bauschutt die Folge des Atomausstiegs. „Wir können uns nicht der Verantwortung entziehen, wenn wir Kernkraftwerke abschalten“, sagt Grünen-Fraktionschef Bruno Hönel. „Der Atomausstieg stellt jede Partei vor schwierige Entscheidungen“, so Thorsten Fürter (Grüne). Er wundere sich, wie wenig die Lübecker CDU die CDU-geführte Landesregierung unterstütze. Harte Kritik an der Großen Koalition: Sauer auf die Große Koalition reagieren auch FDP und AfD. „Das Verhalten ist hochgradig asozial“, sagt FDP-Vormann Thomas Rathcke. „Wo ist denn die soziale Verantwortung der SPD?“ Und Heiko Steffen (AFD) meint: „Die Lübecker haben immer von den Atomkraftwerken profitiert.“ Schließlich hätten sie sie den Strom bezogen. Das Risiko eines Atomunfalls hätten indes die Menschen in Brokdorf und Brunsbüttel getragen. Steffen: „Wo ist denn jetzt die Solidarität mit den Brunsbüttelern?“ Lesen Sie auch: Bauschutt aus Atomkraftwerken – Lässt Lübeck das Land im Stich? Grüner Minister Robert Habeck hat Atomausstieg beschlossen: Der Hintergrund: Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) will den AKW-Bauschutt in Lübeck lagern. Angestoßen hatte die Debatte sein Vorgänger Robert Habeck. In seiner Zeit als Umweltminister wurde die Stilllegung der drei Kernkraftwerke in Schleswig-Holstein sowie eines Forschungsreaktors beschlossen. Nach Angaben des Landes fallen zwischen 30 000 und 50 000 Tonnen Bauschutt an – verteilt auf 20 Jahre. Die Deponie Niemark ist eine von landesweit vier Stätten, auf denen dieser Bauschutt eingelagert werden könnte. Dieser Bauschutt ist freigemessen, das heißt, die Strahlung darf den Grenzwert von zehn Mikrosievert nicht überschreiten. Die Umweltgewerkschaftsgruppe Lübeck hat Stadtpräsidentin Gabriele Schopenhauer (SPD) am Donnerstag 1111 Unterschriften von Bürgern aus Lübeck und dem Umland übergeben, die gegen die Deponierung des AKW-Bauschutts sind. Vattenfall, Betreiber der Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel, bietet den Lübecker Politikern auch nach dem Nein weiterhin Gespräche an. AfD nimmt Einladung von Vattenfall an: „Wir würden den Politikern gern vor Ort zeigen, wie die Entsorgung und Freimessung funktioniert“, sagt eine Sprecherin. Das Angebot besteht schon länger. Aber erst eine Fraktion hat zugesagt. Am Donnerstag habe sich die AfD gemeldet, erklärt die Sprecherin. Land setzt begonnenes Verfahren fort: Das Kieler Umweltministerium setzt das begonnene Verfahren auch nach dem Bürgerschaftsbeschluss fort. „Wir setzen darauf, dass die Entsorgungsbetriebe Lübeck den in den letzten Jahren beschrittenen und in den vergangenen Wochen intensivierten konstruktiven und kooperativen Dialog mit dem Land und allen Beteiligten und Interessierten fortsetzen“, erklärt Patrick Tiede, Sprecher des Umweltministeriums. Dieser politische Beschluss ändere zunächst einmal nichts daran, dass die Verwaltung die bestehenden Probleme mit den bestehenden gesetzlichen Vorgaben lösen müsse, sagt Tiede: „Für eine verhältnismäßig kleine Teilmenge der nicht-radioaktiven Stoffe aus kerntechnischen Anlagen ist die Deponierung der bundesgesetzlich vorgeschriebene und zugleich sicherste Entsorgungsweg.“ Von Josephine von Zastrow und Kai Dordowsky

Politik im Rathaus - Lübeck: Bürgerschaft sagt Nein zum AKW-Bauschutt