Lübeck: Eltern empört über Flugblätter von Masken-Gegnern an Schulen

Morgens an der Kaland-Schule: Eine Frau drückt Flugblätter in die Hände von Eltern, die gerade ihre Kinder zur Schule bringen. Das Ganze geschieht auf und vor dem Schulhof. Die Frau selbst trägt keine Maske. Der Aufruf „Wir wollen Gesicht zeigen“ – und das Foto von drei lachenden und bunt bemalten Kinder-Gesichtern. Die Kleinen sollen keine Masken tragen – das impliziert das Flugblatt. „Die Verbreitung des Coronavirus in Kindergärten, Schulen und Familien wurde bisher offenbar überschätzt.“ Und weiter steht geschrieben: „Desinfektionsmittel stellen eine Gesundheitsgefahr da.“ Dubiose Quellen gegen Masken: Dubiose Quellen werden unter den Zitaten aufgeführt wie die Website „Rubikon News“. Gemischt sind sie mit Ausschnitten aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dem Bundesinstitut für Risikoabschätzung und einem Thesenpapier der Uni Bremen. Herausgeber ist Dr. Bodo Schiffmann aus Sinsheim, ein bekennender Corona-Verharmloser. Gedruckt wurde es von den Querdenkern. Eltern sind sauer über Flugblätter: Empört und verärgert reagieren die Eltern. „Ich bin maximal entsetzt, dass angesichts steigender Corona-Zahlen, so verqueres Gedankengut und Unwahrheiten auf einem Schulhof verteilt werden“, sagt Teresa Claussen. Ihre Tochter geht in die erste Klasse der Grundschule. „Unfassbar“, sagt Melanie Jäger. „Ich arbeite selbst an einer anderen Grundschule und bin eigentlich dafür, dass die Maskenpflicht noch ausgeweitet wird zum Schutz der Lehrer und Schüler.“ Und Noa Winkelmann meint: „Wer sich vor allem die unseriösen Quellen wie ,Rubikon News‘ ansieht, weiß, was die für Nachrichten verbreiten.“ Auf LN-Anfrage erklärt eine Frau, die Flugblätter verteilt haben soll: „Ich habe nur ein Flugblatt weitergegeben, um mit den Eltern ins Gespräch zu kommen.“ Sie selbst gehöre nicht zu den Querdenkern. Eine Anfrage der LN bei den Querdenkern wurde am Mittwoch nicht beantwortet. Auf dem Schulhof gilt Maskenpflicht: Klare Ansage von Direktor Ulf-Michael Cosmus: „Auf unserem Schulhof gilt eine Maskenpflicht. Diese Verordnung des Landes ist nicht diskutabel.“ Der Direktor habe mit der betroffenen Mutter gesprochen und ihr gesagt, dass sie das Weitergeben dieser Zettel auf dem Schulgelände zu unterlassen hat. Allerdings: „Was außerhalb des Schulgeländes passiert, dafür trage ich keine Verantwortung“, so Cosmus. Er bleibe weiter mit der Frau im Gespräch. Die Schule werde aber keine Eltern-Info herausgeben. Cosmus: „Ich traue meiner Elternschaft zu, dass sie das richtig einordnet.“ Vorfall an weiterer Grundschule: Einen ähnlichen Vorfall gab es bereits an einer anderen Grundschule. An der Rangenbergschule in Kücknitz hat ein Mann ähnliche Flugblätter verteilt. Dabei ging es um politische Corona-Maßnahmen und den Aufruf zum Widerstand. „Wir haben uns gegen einen Eltern-Brief entschieden, gemeinsam mit dem Land“, erklärt Schulrat Gustaf Dreier. Man wolle diesen Organisationen nicht noch zusätzliche Aufmerksamkeit verschaffen. Zettel an Schulen im Land: Ähnlich sieht man es im Kieler Bildungsministerium. „Mit skurrilen Flugblättern haben Schulen Erfahrung“, sagt Sprecher David Ermes. Denn auch rechte oder linke Organisationen versuchen ihre Ansichten auf Schulhöfen zu verbreiten. Zettel der Corona-Gegner seien an ein paar anderen Schulen im Land verteilt worden. „Die Lehrer sind erfahren im Umgang damit.“ So würden diese Flugblätter auch als pädagogisches Material genutzt, um über das Thema aufzuklären und Falsch-Nachrichten aufzudecken. Flugblätter in Briefkästen: Allerdings: Nicht nur an Schulen werden solche Flugblätter verteilt. Immer häufiger stecken diese Zettel auch in Lübecker Briefkästen. Erst jüngst wurden sie in Häuser in der Altstadt verteilt und im Wohnviertel rund um den Brink. Die Polizei weiß darüber Bescheid. „Wir haben auch Kenntnis von Aktionen, die solche Gruppen planen“, sagt Polizeisprecherin Vanessa Gräfin von Hahn. Allerdings: Das Verteilen dieser Flugblätter ist nicht verboten. Der Inhalt fällt unter die Meinungsfreiheit. Zettel der Corona-Gegner bei der Stadt: Den Kampf gegen diese Falsch-Mitteilungen hat auch die Stadt aufgenommen. Denn seit zwei Wochen werden solche Flugblätter in den Wartebereichen von städtischen Gebäuden ausgelegt. „Unsere Mitarbeiter sind angewiesen, derartiges Material zu entfernen und zu vernichten“, sagt Bürgermeister Jan Lindenau (SPD). Denn: „Diese vermeintlich seriösen Informations-Faltblätter zur Corona-Pandemie stellen Behauptungen auf, die keine breite wissenschaftlich, fundierte Expertise darstellen.“ Warnung des Bürgermeisters: Die Warnung des Bürgermeisters: „Derartige Falschinformationen können schwerwiegende Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gemeinschaft haben.“ Vor allem, wenn sie wissenschaftlich nachgewiesenen Richtlinien vorgezogen werden. Lindenau: „Ich empfehle dringend, Informationsblätter nur von öffentlichen Stellen zu nutzen.“ Dazu zählen das Robert-Koch-Institut, die Bundes- und Landesministerien sowie die Hansestadt Lübeck. Lesen Sie auch „Gestorben wegen Maske“: Wie Corona-Leugner Kinder instrumentalisieren Nordische Filmtage 2020: So kann man die Filme online anschauen Lübeck: Wer ist der Käufer der beiden Karstadt-Häuser? Von Josephine von Zastrow