Lübeck: Fridays for Future fordern autofreie Innenstadt und mehr Busse

Das abgelaufene Jahr war nicht leicht für die Klimaaktivisten. Sobald Corona es zulässt, will Fridays for Future in Lübeck wieder auf die Straße. Im LN-Interview spricht die Aktivistin Sophia Marie Pott über die konkreten Forderungen der Klimabewegung für Lübeck. Wie war das Jahr 2020 für die Klimabewegung Fridays for Future? Sophia Marie Pott: Wir waren zweifellos öffentlich nicht mehr so präsent wie 2019. Wir haben in Lübeck einmal groß gestreikt. Das Thema Klimaschutz ist nicht komplett untergegangen, und das ist vor allem unser Erfolg. 2021 werden wir aber wieder öffentlich lauter werden und noch mehr Druck ausüben – vor allem in Hinblick auf die Wahl. Was hat die Hansestadt 2020 klimapolitisch erreicht? Es wurden konkrete Maßnahmen beschlossen, das ist die Basis für die nächsten Jahre. Wir haben stets kritisiert, dass zu wenig vorankommt, aber nun haben wir immerhin ein paar Beschlüsse, auf denen wir in den nächsten fünf Jahren aufbauen können. 2021 veröffentlicht die Stadt eine neue CO2-Bilanz für Lübeck. Schon jetzt ist klar, dass es keine riesigen Fortschritte geben wird. Was muss passieren? Die Stadt kann am meisten mit einer Verkehrswende für das Klima tun. Der Verkehrsversuch Beckergrube ist ein guter Ansatz, aber private Pkws müssen in der ganzen Innenstadt und auch in den Stadtteilen zurückgedrängt werden. Außerdem muss die Solarenergie in viel größerem Maßstab ausgebaut werden. Es genügt nicht, zehn Dächer von städtischen Gebäuden mit Solaranlagen auszustatten. Das muss in ganzen Stadtteilen geschehen. Das wird viel Geld kosten, aber Corona hat gezeigt: In Krisen ist Geld vorhanden. 2021 stellt die Stadt ihren Masterplan Klimaschutz vor. Was muss für Fridays for Future da drin stehen? Auf jeden Fall muss die autofreie Innenstadt in wenigen Jahren kommen. Der Radverkehr muss Kernpunkt des Plans werden. Lübeck hat eine ideale Größe für eine Fahrradstadt. Aber ein paar Vorzeigeprojekte wie der neue Radweg an der Travemünder Allee reichen nicht. Der Busverkehr muss deutlich verbessert werden. Fahrten müssen preisgünstiger werden, und vor allem müssen die Busse viel öfter fahren. Müssen die Lübeckerinnen und Lübecker ihre Lebensweise verändern? Natürlich kann jeder und jede Einzelne das Verhalten ändern. Aber das ist zu klein, um Großes zu verändern. Außerdem stoßen Menschen oft an Grenzen, beispielsweise beim Einkaufen im Supermarkt, wo Waren aus weit entfernten Gegenden dieser Welt angeboten werden oder Waren in Plastik eingeschweißt sind. Nein, die Politiker sind gefordert, den Hebel umzulegen. Welche Aktionen plant Fridays for Future Lübeck für 2021? Am 19. März findet der erste globale Klimastreik im Jahr 2021 statt. Wir wollen versuchen, einen physischen Streik zu organisieren. Davor planen wir eine Fahrrad-Demo. Konkret geht es dabei um die Wallbrechtbrücke und die Lärmschutzwand, die den Radweg verbaut. Das ist eben kein Zeichen für klimapolitischen Fortschritt. Viele weitere Aktionen werden online stattfinden. Fridays for Future ist nicht nur auf der Straße aktiv, sondern begleitet auch die Sitzungen der Kommunalpolitiker. Verändert sich die Bewegung? Ja, wir beobachten intensiv die Kommunalpolitik, indem wir bei zahlreichen Sitzungen von politischen Gremien anwesend sind. Und wir schreiben Stellungnahmen beispielsweise zum Hafenentwicklungsplan. Nichtsdestotrotz bleibt der gesellschaftliche Protest auf der Straße unsere Kernaufgabe. Von Kai Dordowsky