Lübeck: IHK und Tüv helfen nach Kauf von Schrotthaufen-Bulli

Hier wurde ein Stein ins Rollen gebracht: Nachdem die Lübecker Nachrichten davon berichtet hatten, dass eine Lübeckerin einen Oldtimer-Bulli gekauft hatte, der trotz frischer Tüv-Plakette nicht verkehrssicher ist, erhielt die Betroffene zahlreiche Rückmeldungen. Der Sachverständige der IHK bietet Jenny S. seine Hilfe an und auch der Tüv stellt auf eigene Kosten einen Gutachter zur Verfügung. Betroffene: „So langsam tut sich etwas!“: Sogar ein Reporter der Auto Bild habe zu ihr Kontakt aufgenommen, um über den Vorfall zu berichten. „Ich war anfangs echt verzweifelt, doch so langsam habe ich das Gefühl, es tut sich etwas“, erzählt Jenny S. zuversichtlich. Ein kurzer Blick auf die Vorgeschichte: Zehn Jahre spart die 31-Jährige auf einen VW T3 Oldtimer, kauft ihn frisch vom Tüv geprüft bei einem Privatmann in Lübeck und dann das: Eine Werkstatt findet eine Vielzahl gravierender Mängel von porösen Bremsschläuchen bis zum undichten Kraftstofftank. „Wie kann man so einen Wagen nur durch den Tüv lassen?“, fragte sich nicht nur die Betroffene. IHK-Sachverständiger rät zu Kaufbegleitung: Auch Andreas Gasze, der Sachverständige für Kraftfahrzeugschäden und –bewertung der IHK Lübeck, zeigt sich schockiert über den geschilderten Vorfall. Der Spezialist für Wohnmobile und Oldtimer betont: „Frau S. kann kein Vorwurf gemacht werden. Sie hatte wie die allermeisten keine Kenntnis davon, welche Beratungsangebote es gibt, die man vor einem Kauf wahrnehmen kann, um so etwas zu verhindern.“ Als Technischer Überwachungsverein (Tüv) werden eingetragene Vereine bezeichnet, die als technische Prüforganisation Sicherheitskontrollen durchführen. Oft handelt es sich dabei um Sicherheitskontrollen, die durch staatliche Gesetze oder Anordnungen vorgeschrieben sind und auf privatwirtschaftlicher Basis vollzogen werden. Deren bekannteste ist die Hauptuntersuchung für Kraftfahrzeuge, die umgangssprachlich ebenfalls „Tüv“ genannt wird. Mitglieder des Tüv sind seit Gründung des ersten Dampfkessel-Revisions-Vereins – so der ursprüngliche Name – im Jahre 1866 Wirtschaftsunternehmen, die überwachungsbedürftige Anlagen betreiben. Weitere Organisationen, die Hauptuntersuchungen durchführen sind Dekra, Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ), FSP Fahrzeug-Sicherheitsprüfung und die Kraftfahrzeug-Überwachungsorganisation freiberuflicher Kfz-Sachverständiger (KÜS). Außerhalb Deutschland werden äquivalente Untersuchung zu der deutschen Hauptuntersuchung durch eine Vielzahl von Organisationen durchgeführt (beispielsweise ist die SGS und Applus über Töchter in verschiedenen europäischen Ländern in dieser Funktion tätig). Gasze meint damit die „Kaufbegleitung“ durch einen Sachverständigen. Dabei wird der Wagen eingehend begutachtet und Probe gefahren. „Es geht hierbei nicht nur um die Prüfung der Verkehrssicherheit. Auch andere mögliche Mängel wie eine fehlerhafte Dichtung oder Schimmel werden festgehalten, die bei einer Hauptuntersuchung meist keine Rolle spielen“, erklärt der Sachverständige. Eine solche Sachverständigen-Prüfung koste je nach Fahrzeugtyp meist 100 bis 150 Euro. Tüv bietet der Betroffenen eigenen Sachverständigen an: Als Sachverständiger befindet sich Gasze nach eigener Aussage „an der Schnittstelle zwischen Technik und Juristerei“. Damit kann er auch Jenny S. behilflich sein, der er angeboten hat, den Wagen zu besichtigen, um ein rechtskräftiges Gutachten anzufertigen. Nur so kann klar entschieden werden, was Tüv und Dekra bei den Untersuchungen unweigerlich hätten feststellen „müssen“, so der Sachverständige. Lesen Sie auch: Lübeckerin kauft Oldtimer: Camper trotz frischem Tüv ein „Schrotthaufen“ Kurz nachdem Andreas Gasze sich bei Jenny S. gemeldet hatte, reagierte auch der Tüv. „Der Tüv hat angeboten, auf eigene Kosten einen Sachverständigen zu schicken“, berichtet die Oldtimer-Besitzerin. Im nächsten Schritt wird es darum gehen, dass Herr Gasze gemeinsam mit dem Sachverständigen des Tüvs den Wagen begutachtet, der derzeit in der Werkstatt steht. Betroffene freut sich über zahlreiche Rückmeldungen: Jenny S. konnte schon jetzt neuen Mut schöpfen: „Ich bekam superviele Nachrichten von allen Seiten!“, erzählt die 31-Jährige. „Nicht nur alle meine Freunde haben auf den Bericht reagiert und mir ihre Unterstützung angeboten. Ich bekam Anrufe und Hilfsangebote von den verschiedensten Stellen, aus der Umgebung und selbst von einem Karosseriebauer aus Köln“, zeigt sich Jenny S. überrascht. Großes Online-Echo der LN-Leser: Auch online zeigt sich, dass die Ereignisse um den T3-Oldtimer auf großes Interesse stießen. Auf Facebook brachten viele Leserinnen und Leser ihren Unmut zum Ausdruck. Unter den über 170 Kommentaren zu dem Bericht finden sich Stimmen der Empörung und Anteilnahme. „Ich hoffe, du bekommst nun ordentlich Support, steck den Kopf nicht in den Sand!“, ermuntert Malena Harms (28) die Geschädigte. Lesen Sie auch: Kfz: Prüf-Plakette - Wann ist die nächste TÜV-Hauptuntersuchung fällig? Manch einer berichtet von ähnlichen Erfahrungen: „Ich habe auch mal ein Wohnmobil mit frischem Tüv gekauft und musste dann feststellen, dass dort sehr viel kaputt war. Der Tüv-Prüfer musste die ganze Reparatur bezahlen“, schreibt ein Nutzer. Andere zeigen sich tief enttäuscht über den Vertrauensverlust, den der Tüv durch diesen Vorfall erfährt. „Bitter. Merke: ‚Neu Tüv’ bedeutet gar nichts“, meint zum Beispiel Sven von Norden (44). Lesen Sie auch: TÜV-Report: Jedes fünfte Auto fällt mit Mängeln durch Wie es für Jenny S. weitergeht, gilt es nun abzuwarten. „Mir geht es darum, dass irgendjemand die Verantwortung übernimmt“, sagt die Oldtimer-Besitzerin. Im Endeffekt hat sie schließlich nur einen bescheidenen Wunsch: „Ich will nur ein funktionierendes Auto.“ Von Timm Lewerenz