Lübeck: Junges Paar gründet erste Market Garden-Gärtnerei

Tomaten zu jeder Jahreszeit, Frühjahrsäpfel aus Neuseeland – brauchen wir das wirklich? Das fragt sich Jonas Mucha eines Tages, als er in seinem Kleingarten Gemüse erntet. Dort, in Gummistiefeln beim Bestellen der Beete, brennt die Sehnsucht, sein Hobby zum Beruf zu machen und so sich selbst und andere mit regional erzeugtem Gemüse der Saison zu versorgen. Traum von der eigenen Gärtnerei: Im April ging er bei seinem Arbeitgeber Landwege, wo er seit acht Jahren Bio-Lebensmittel verkauft, in ein Sabbatjahr, um seinen Traum wahr zu machen. Es gab viel zu tun: Bei der Demeter-Gärtnerei Gut Bliestorf vertiefte er sein Wissen über den Anbau von Pflanzen. Er fand eine ehemalige Gärtnerei in der Kronsforder Allee, wo er gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Kristin Saß, die ebenfalls bei Landwege arbeitet, 300 Quadratmeter Glas-Gewächshäuser und einen Quadratkilometer Freifläche pachtete. Als „Gemüsehandwerker“ wollen sie hier Gemüse für 50 bis 60 Kunden anbauen. Gemüsekiste im Abo: Diese holen sich dann jede Woche eine Gemüsekiste ab, die mit acht bis zehn verschiedenen Sorten aus eigener Produktion gefüllt sein soll. Es ist das Gemüse, was in der jeweiligen Jahreszeit wächst. „Im Frühjahr wird es viel Spinat, Salat und Radieschen geben, im Juli Tomaten und Paprika, dann werden die Kisten besonders voll sein“, sagt Mucha. Die Kunden bezahlen dafür eine solidarische Abo-Pauschale, wodurch die Gärtner planen können. Gleichzeitig bekommen sie einen guten Preis, weil sie nichts für den Handel bezahlen. Ab Mai 2021 soll es losgehen. Market Gardens oder Marktgärtnereien bauen auf kleinsten Flächen möglichst effizient Gemüse an. Dabei nutzen sie keine großen Maschinen wie Traktoren, sondern viel Handarbeit, was eine dichte Bepflanzung der Beete und die Kombination verschiedener Sorten möglich macht. Das so angebaute Gemüse wird lokal vermarktet, dadurch entfallen lange, CO2-intensive Transportwege. Das Konzept gibt es schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts, als die französischen Maraichers mitten in Paris Gemüse angebaut haben. Schon heute ernährt kleinteilige Landwirtschaft die Weltbevölkerung: 90 Prozent aller Bauernhöfe weltweit gehören Familien, vier Fünftel arbeiten auf weniger als zwei Hektar Land. Die Welternährungsorganisation betont ihre wichtige Rolle für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. In Deutschland bekommen die Market Gardener zurzeit großen Zulauf. Eine weitere Besonderheit ist, dass die „Gemüsehandwerker“ als erste Lübecker Gärtnerei nach dem Prinzip des Market Gardening arbeiten. Das bedeutet, dass sie auf sehr kleiner Fläche und ohne große Maschinen viele und schnell wachsende Sorten kultivieren möchten. Dabei setzen sie nur samenfestes Bio-Saatgut und keine chemischen Pflanzenschutzmittel oder Kunstdünger ein. Trotzdem werden sie noch keine Bio-Zertifizierung haben, „weil wir uns darauf konzentrieren wollen, einen Kundenstamm aufzubauen“. Lesen Sie auch Garten im Dezember: Diese Gartenarbeiten stehen im Winter an Permakultur im Garten – wie geht das? Lübeck: Hier gibt es Feuerholz für Kamin oder Ofen zu kaufen Lübeck: Urban Gardening in der Beckergrube am Theater Serie mit Lübeck-Fotos von Hans Kripgans: Kinder in den 50er Jahren "Zwischen den Jahren“: Woher kommt die Redewendung? Mucha ist zuversichtlich, dass das auch klappen wird. „Lübeck ist eine grüne Stadt, nicht nur optisch. Viele wollen einfach gesund erzeugtes Gemüse, von dem sie wissen, wo es herkommt. Wir müssen wegkommen von industriell erzeugtem Gemüse, das den Boden auslaugt.“ Wenn das dann auch noch saisonal und regional erzeugt ist, kann Essen, ganz nebenbei, ein Beitrag zum Klimaschutz werden. Interessenten können das Projekt kontaktieren unter info@gemuesehandwerk.de. Von Friederike Grabitz