Karstadt-Schließung: So groß ist der Einfluss der Stadt

Karstadt schließt – und die Stadt sieht hilflos zu? Stimmt nicht. Der Einfluss der Stadt ist größer als gedacht. Sie hat ein entscheidendes Wort mitzureden, wenn es um die Zukunft der Immobile geht. Denn: Die beiden Karstadt-Häuser liegen im neuen Sanierungsgebiet der lübschen Altstadt. Die Bürgerschaft hat das Sanierungsgebiet erst Ende Januar abgesegnet. Dabei geht es Kern um Rathaushof und Marienkirchhof. Aber: Das Sanierungsgebiet sichert der Stadt auch Rechte, wenn es um die beiden Karstadt-Häuser geht. Einfluss der Stadt auf Karstadt-Häuser: Die Stadt bestimmt mit bei der Immobilie mitten in der Fußgängerzone. „Der Einfluss ist für den Immobilien-Eigentümer nicht unbeträchtlich“, sagt Bürgermeister Jan Lindenau (SPD). Denn jedwede Veränderung an den Häusern muss mit der Stadt abgesprochen werden. Und: „Jede Maßnahme wird den Eigentümer Geld kosten.“ Warenhaus zahlt hohe Miete: Die Situation: Die beiden Karstadt-Häuser wurden 1993 erbaut. Aktuell gehören sie Highstreet Holding GbR. Die Verkaufsfläche wird auf 18 000 Quadratmeter geschätzt. Dem Vernehmen nach liegt die Miete pro Jahr bei knapp vier Millionen Euro. Um Karstadt in Lübeck zu halten, müsste sich die Miete halbieren – auf knapp zwei Millionen Euro. Komplizierter Bebauungsplan: Der Einfluss der Stadt gründet sich auf zwei Papiere. Nummer eins: der Bebauungsplan. Als Karstadt errichtet wurde, war die rechtliche Grundlage ein sogenannter vorhabenbezogener Bebauungsplan. Klingt sperrig, heißt aber: Der B-Plan wurde nur für Karstadt gemacht. Das ist durchaus üblich bei großen Bauprojekten. Dadurch können sie schneller verwirklicht werden. Und der Investor kriegt genau das, was er haben will. Aber: Damit gilt der B-Plan eben nur genauso – und nicht anders. Alles, was Lübeck voranbringt: Jeden Montag gegen 18 Uhr in Ihrem E-Mail-Postfach. Hier kostenlos den Newsletter „Lübeck next“ bestellen! Kein Hotel, keine Büros erlaubt: Heute bedeutet das: Karstadt könnte zwar ausziehen, aber es kann auch nur ein anderes Warenhaus einziehen. Nicht erlaubt sind Hotel, Büros, Wohnungen. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass ein anderes Warenhaus die beiden großen Häuser übernehmen will. Die Folge: Will der Immobilen-Eigentümer einen anderen Mieter wie ein Hotel, ist er von der Stadt abhängig. Sie muss zustimmen. Neues Sanierungsgebiet: Einfluss Nummer zwei: das Sanierungsgebiet Altstadt. Das ist weniger üblich – und auch ein wenig zufällig. Denn die Stadt will die Altstadt hübsch machen. Dabei geht es vor allem um Rathaushof und Marienkirchhof sowie die südöstliche Altstadt mit dem Platz an der Krähenstraße. Die Verbindung zwischen diesen Arealen ist der Schrangen mit den beiden Karstadt-Häusern. Und deshalb liegt Karstadt mitten im Sanierungsgebiet der Altstadt. Die Folge: Jedes Haus im Sanierungsgebiet erhält einen Eintrag ins Grundbuch. Einen sogenannten Sanierungsvermerk – auch die Immobilie Karstadt. Das bedeutet: Hauseigentümer in dem Sanierungsgebiet können ihre Immobilie nicht für einen exorbitant hohen Preis verkaufen. Denn: Insgesamt sollen 75 Millionen Euro verbaut werden in 15 Jahren. Davon wollen Stadt, Land, Bund 50 Millionen Euro übernehmen. Der Rest soll von den Hauseigentümern kommen. Aber: Damit die Hauseigentümer nicht spekulieren, gibt es diesen Sanierungsvermerk. Damit soll verhindert werden, dass die Stadt alles schick macht, die Hauseigentümer hingegen nichts an ihrer Immobilie machen – und sie dann für extra viel Geld veräußern. Kein Verkauf ohne das Okay der Stadt: Im Fall Karstadt bedeutet das: Der Immobilien-Eigentümer kann die beiden Karstadt-Häuser nicht für einen exorbitant hohen Preis verkaufen. Sondern: Will Highstreet die Immobilie veräußern und hat einen Käufer, muss die Stadt den Kaufpreis absegnen. Im realen Leben würde die Stadt einen Gutachter beauftragen, der den Wert der Immobilie feststellt. Und nur zu diesem Wert darf Highstreet dann verkaufen – maximal mit plus zehn Prozent. Der entscheidende Unterschied: Highstreet ist ein Immobilienfonds. Und ein Fonds rechnet anders als die Stadt oder ein privater Eigentümer. Ein Fonds nimmt die jährlichen Mieteinnahmen mal 15 oder auch mal 25 – und will diesen Kaufpreis erzielen. Das hieße bei den Karstadt-Häusern: 60 Millionen Euro oder auch 100 Millionen Euro. Der Gutachter rechnet nicht nur mit den Mieteinnahmen der Immobilie, sondern berechnet beispielsweise Sachwert und Bodenwerte mit ein. So könnte er zu einem niedrigeren Preis kommen. Aber klar ist: Kein Eigentümer möchte sich den Kaufpreis von der Stadt vorschreiben lassen. Darum ist die Miete hoch: Und warum reduziert Highstreet nicht einfach die Miete? Wäre doch besser weniger Miete zu kassieren als gar keine Miete zu kassieren – könnte man meinen. Aber: Das Ganze hat mit Finanz-Mathematik zu tun. Denn: In der Bilanz haben die Karstadt-Häuser einen Wert, der sich auf die einmal erzielten Mieteinnahmen gründen lässt – knapp vier Millionen Euro. Selbst wenn real kein Geld fließt, weil die Häuser leer stehen. Reduziert ein Fonds die Miete, werden die Häuser in der Bilanz weniger wert. Sie müssen abgeschrieben werden. Und damit sinkt auch der Wert des Fonds. Selbst wenn real Geld fließt, weil die Häuser vermietet werden. Klar ist: Stadt und Highstreet haben einen unterschiedlichen Blick auf die Immobilie. Lindenau: „Nicht alles was für den Immobilienmarkt gut ist, ist für die Stadtentwicklung gut.“ Von Josephine von Zastrow

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