Lübeck: Klage über Lärm auf der A1

Auf Hoffnung und Freude folgte rasche Enttäuschung: „So sehr ich mich zunächst über die Fertigstellung der Grunderneuerung gefreut habe, umso mehr wird sie jetzt zum Albtraum der Anwohner“, schreibt Ute Stolberg in einer E-Mail an Lübecks Innensenator Ludger Hinsen. Die 57-jährige Schönböckenerin wohnt direkt am jüngst sanierten Streckenabschnitt der A1 zwischen Kreuz Lübeck und Abfahrt Lübeck-Zentrum. „Fahrgeräusche lauter als vor der Sanierung“: „Nicht nur, dass die Fahrgeräusche jetzt wesentlich lauter sind als vorher,“ berichtet Stolberg, „es ist mir unbegreiflich, warum auf einer Autobahn, die mitten durch ein Stadtgebiet führt mit vielen unmittelbaren Anwohnern, nicht ‚Flüsterasphalt’ verlegt wird, wie auch zwischen Lübeck Zentrum und Sereetz!“ Die Bankangestellte fragt sich, warum der 2018 erarbeitete Lärmaktionsplan der Hansestadt nicht umgesetzt werde, obwohl die „gesundheitlichen Risiken einer chronischen Lärmbelastung hinreichend bekannt“ seien. Flüsterasphalt: Ein Allheilmittel? Tatsächlich versprach die Stadt Lübeck 2018 die Behebung von Lärmbelästigung an besonders belastenden Straßen. Nach einer Umfrage unter Bürgerinnen und Bürgern wurden besonders „lärmende“ Strecken ermittelt, unter denen auch die A1 genannt wurde. In der Broschüre „Lübeck: Stadt der lauten Wege?“ kündigte Senator Hinsen daher unter anderem eine „lärmreduzierte Fahrbahndecke“ für den Lübecker Autobahnabschnitt an. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig die Verwendung eines offenporigen Asphaltes (OPA), im Volksmund „Flüsterasphalt“ genannt. Dieser Bodenbelag besteht fast vollständig aus grobem Gestein. Dadurch entstehen kleine Lücken, bzw. „Poren“, die den Fahrlärm absorbieren, anstatt ihn wie herkömmlicher Asphalt zu reflektieren. Auch das Aquaplaning-Risiko wird durch das Abfließen von Regenwasser verringert. Warum ist der Flüsterasphalt auf deutschen Autobahnen dann aber immer noch eine Seltenheit? „Lärm ist immer auch subjektiv“: „Der Flüsterasphalt ist deutlich wartungsintensiver als normaler Asphalt“, erklärt Susann Sommerburg von der Autobahn GmbH Nord, die für die Grunderneuerung der A1 bei Lübeck verantwortlich ist. „Während gewöhnlicher Asphalt eine Lebensdauer von etwa 20 Jahren hat, schafft es der offenporige Asphalt auf nur etwa 8 bis 10 Jahre.“ Außerdem gestaltet sich die Pflege des Belages als sehr viel komplizierter. Bei unfallbedingtem Auslaufen von Öl und Kraftstoffen bedarf es spezieller Bindemittel um die Strecke zu reinigen. Wonach entscheidet sich nun, ob ein Streckenabschnitt mit herkömmlichen oder offenporigen Asphalt saniert wird? Autobahngesellschaft verweist auf Lärmschutzwände: „Für den Streckenabschnitt der A1 vom Tremser Teich bis zum Rastplatz am Sereetzer Feld wurde der offenporige Asphalt verwendet, weil dort keine Lärmschutzwände stehen“, erläutert Sommerburg. Beim Abschnitt Lübecker Kreuz bis Lübeck-Zentrum sei dies anders. Dort gibt es sehr wohl Lärmschutzwände. Auch ohne offenporigen Asphalt ist es nach Aussage der Bau-Verantwortlichen gelungen, „den Verkehrslärm um zwei Dezibel zu mindern.“ Den Frust der Anwohnerin kann sich Sommerburg nur damit erklären, dass „Lärm immer auch subjektiv sei“. Sie selbst hält fest, dass es „zweifellos leiser geworden“ sei. „Uns war klar, dass das nicht die ruhigste Gegend ist“: Für Ute Stolberg sind dies wenig hilfreiche Worte. „Als wir vor 24 Jahren nach Schönböcken in die Nähe der Autobahn zogen, war uns klar, dass das nicht die ruhigste Gegend ist, aber wir kamen damit klar, und zumindest bei geschlossenen Fenstern war nichts zu hören“, erinnert sie sich. Lesen Sie auch Sanierung beendet: Autobahn 1/A1 bei Ahrensburg ist wieder frei Scheuers Autobahn GmbH hat Probleme beim Geldausgeben Lübeck-Moisling: Zwei Fahrpuren auf der A1 ab dem Wochenende frei „Sicher hatten wir die Hoffnung, dass auch tagsüber auf der Terrasse weniger Lärm wäre und man auch bei offenem Fenster schlafen könnte. Aber dass es hinterher schlimmer ist – damit haben wir nicht gerechnet.“ Von Timm Lewerenz

Lübeck: Klage über Lärm auf der A1 - Kein Flüsterasphalt