Lübeck: Kleingärtner wollen Parzellen nicht aufgeben

Vor zwei Jahren wurde der LN-Aufmacher über Krach unter Mitgliedern des von massiven Leerständen und Finanznöten geplagten Kleingärtnervereins (KGV) Buntekuh mit „ Ratlosigkeit und Wut im Kleingarten “ betitelt. Mittlerweile ist die Ratlosigkeit auf dem 31-Hektar-Terrain mit 753 Parzellen immerhin ein Stück weit Geschichte. Es gibt ein mit dem Kreisverband der lübschen Gartenfreunde als Generalpächter abgestimmtes Konzept zur Gesundschrumpfung der Laubenpieper-Kolonie. Aber gerade das treibt Schrebergärtner wie Volkmar Ballo (69) „auf die Zinne“. Alles, was Lübeck voranbringt: Jeden Montag gegen 18 Uhr in Ihrem E-Mail-Postfach. Hier kostenlos den Newsletter „Lübeck next“ bestellen! Reichlich Frust im top-gepflegten Nord-Garten: „Seit Jahren hat man hier im Verein Leerstände und fehlende Pachteinnahmen beklagt“, sagt der frustrierte Mitpächter eines top-gepflegten Gartens im Morellenweg. „Aber zugleich hat man auch verbandsseitig dafür gesorgt, dass unser Nord-Teil jenseits des Kirschenwegs mit 366 Parzellen nicht mehr verpachtet und beackert wird, um ihn wieder an die Stadt abtreten zu können. Und nun setzt man uns verbliebene Nord-Pächter mit Auflösungsverträgen unter Druck, die spätestens Ende Oktober 2021 in Kraft treten sollen.“ Verbliebene Pächter müssen Zeche zahlen: Darauf entgegnet Hans-Dieter Schiller, Vorsitzender des Kreisverbands: „Es ist tatsächlich bitter, dass die wenigen verbliebenen Pächter im Nord-Teil die Zeche dafür zahlen müssen, dass frühere Vereinsvorstände die große Anlage, für die jährlich insgesamt 70 000 Euro als Pacht fällig sind, heruntergewirtschaftet hatten.“ Immerhin hätten jedoch bereits 140 der 150 „Nord-Pächter“ den Auflösungsvertrag „in gegenseitigem Einvernehmen“ unterschrieben und könnten mit Entschädigungssummen zwischen 500 und 5000 Euro rechnen. Schiller verdeutlicht: „Wenn wir die Nord-Hälfte nicht Ende 2021 abgeben, geht der Verein in die Insolvenz und reißt den Kreisverband mit.“ Die Jahreskosten für eine der 50 freien Parzellen im KGV Buntekuh belaufen sich je nach Größe (etwa 300 bis 445 Quadratmeter) auf rund 200 Euro, davon entfallen rund 100 Euro auf die reine Pachtgebühr. Laut Auflösungsvertrag zwischen Kreisverband, Kleingärtnerverein und betroffenen Pächtern in der Nord-Hälfte des KGV-Geländes wird die geschätzte Entschädigungssumme nur voll ausgezahlt, wenn die geräumte Parzelle „schwarz“ übergeben wird – das heißt ohne Laube, Gehwegplatten, Kantsteine, Asbest, Teerpappen, Teichfolie und Abfall jeglicher Art. Bei nicht ordnungsgemäßer Räumung der Parzelle werden 50 Prozent des Entschädigungswertes für die Beräumung durch den Kreisverband einbehalten. Nach Vereinbarung mit der Stadt Lübeck gilt das auch für den Fall, wenn eine nicht demontierte Laube besenrein übergeben wird. „Harter Schnitt war nötig, um Verein zu retten“: So hebt auch Monika Hinz, seit 2017 Rechnungsführerin des KGV Buntekuh, hervor: „Damals waren insgesamt 320 Gärten unverpachtet. In der Süd-Hälfte sind jetzt von gut 390 Parzellen nur noch 50 frei – damit würden wir über die Runden kommen, nachdem wir auch die Pachtschulden unserer Vorgänger beglichen haben. Natürlich ist das für die Nord-Pächter ein harter Schnitt. Aber der war und ist nötig, um den Verein zu retten.“ Stadt hat freiwilliger Rückgabe zugestimmt: Für die Stadt Lübeck als Grundstückseignerin erläutert Pressesprecherin Nicole Dorel: „Am 5. Oktober 2018 hat der KGV Buntekuh bei einer Mitgliederversammlung beschlossen, den nördlichen Teil zwischen Pfirsichweg und Kirschenweg nach Möglichkeit an die Stadt zurückzugeben.“ Unter der Voraussetzung, dass das Gelände freiwillig zurückgegeben werde, habe die Stadt dem zugestimmt. Seit Anfang 2019 sei man im Dialog, wie, wann und zu welchen Konditionen dies möglich sei. Denn Dorel sagt: „Eigentlich ist die Stadt bei einer freiwilligen Rückgabe nicht verpflichtet, eine Entschädigung zu zahlen.“ Vereinbart wurde, dass die Parzellen im nördlichen Teil bis Ende 2021 genutzt werden dürfen. Außergesetzliche Entschädigung auch in anderen Kommunen: Bei einer Begehung der rund 70 noch genutzten Parzellen im Mai 2020 wurden mögliche Entschädigungen für die Nutzer geschätzt. Dazu merkt Dorel an: „Eine Entschädigung für solche Fälle außerhalb der Regelungen des Bundeskleingartengesetzes wird nach unserer Kenntnis vereinzelt in anderen Kommunen in derartigen Fällen angewandt.“ Allerdings räumt die Stadtsprecherin auch ein: „Stand heute gibt es noch keine vertraglichen Vereinbarungen zur Übergabe vom Kreisverband an die Hansestadt, die lediglich der Rücknahme der Flächen auf freiwilliger Basis zugestimmt hat.“ Es gebe derzeit auch keinen Bebauungsplan für das Gelände, wobei die Stadtplanung sich dort „durchaus eine andere Nutzung vorstellen kann“. Nord-Pächter erwägt rechtliche Prüfung: „Es ist nach wie vor eine Schweinerei, dass man uns als Vereinsmitglieder und Pächter seinerzeit nie vernünftig informiert hat und auf ordentlichen Versammlungen keine konkreten Zahlen vorgelegt wurden“, schimpft „Nord-Pächter“ Ballo. „Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen, und die Stadt soll auch noch Steuergelder für Entschädigungen ausgeben.“ Wie auch immer. Kreisverbandschef Schiller betont: „Wer den Auflösungsvertrag nicht bis Februar 2021 unterzeichnet hat, erhält eine Ordentliche Kündigung nach Paragraf 9 des Kleingartengesetzes.“ Dem entgegnet Ballo: „Das wird rechtlich noch zu prüfen sein.“ Lesen Sie auch: Feuer in Kleingarten in Lübeck: Laube brennt vollständig nieder Corona-Frust sorgt für Ansturm in Lübecks Kleingärten Corona: Lübecks Gartenfreunde starten trotz Kontaktsperre in die Saison Von Andreas Oelker