Lübeck: Kneipen in der Clemensstraße setzen auf Crowdfunding im Lockdown

Dort, wo im Sommer das bunte, überwiegend junge, Leben tobte, sieht es trüb, trostlos und verlassen aus: Alle Bars in der Clemensstraße sind geschlossen. Was für die Kneipen schon hart genug ist, ist für das Kollektiv-betriebene und im Mai 2019 eröffnete Hostel „SchickSaal“ noch härter. Denn: Während die anderen darauf hoffen können, im Januar die Novemberhilfe zu bekommen, geht das Hostel leer aus. Einzige Möglichkeit: Crowdfunding. Auch andere setzen auf die Unterstützung durch Gäste und Fans. Gründung zum „falschen“ Zeitpunkt: „Wir sind leider durch alle Raster gefallen“, sagt Johanna Hotanen vom „SchickSaal“. Das Kollektiv habe zwar „ein großartiges Steuerbüro, das alles versucht hat“. Aber: „Wir könnten 75 Prozent des Umsatzes vom November 2019 bekommen, allerdings würden dann andere Hilfen, wie das Kurzarbeitergeld, abgezogen“, erklären Johanna Hotanen und ihr Mann Ralf. Als neu gegründetes Unternehmen sei der Umsatz im November 2019 noch so gering gewesen, „ dass dann eben nichts mehr bleibt“. Alles durchgerechnet: Auch die Regelung für Neugründungen greife in Sachen „SchickSaal“ nicht, „weil wir bereits vor Oktober 2019 gegründet haben.“ Und die Überbrückungshilfe II entfällt: „Da hätten wir in den Monaten April bis August 2020 im Vergleich zum Vorjahr mindestens 30 Prozent Umsatzeinbußen haben müssen, da wir 2019 aber eben noch sehr geringe Umsätze hatten, gibt es im Vergleich keine Umsatzeinbußen.“ Monatslöhne für alle Angestellten: Da das Hostel zehn Angestellte hat und das Kollektiv zumindest zwei Monatslöhne für alle aufbringen möchte, startete am 21. Dezember die inzwischen dritte „Startnext“-Kampagne. Die erste lief in der Gründungsphase des Hostels, die zweite im ersten Lockdown. Kampagne bis zum 18. Februar: Der Sommer im „SchickSaal“ sei gut gelaufen, „wir sind – obwohl das eigentlich nicht geplant war – zu Booking.com gegangen und waren richtig gut gebucht.“ Und nun der zweite Lockdown – keine Einnahmen, keine Gehälter für die zehn „Kollektivistas“ im Normalbetrieb. Also sind sie wieder einmal bei „Startnext“ angetreten. Die Kampagne läuft bis zum 18. Februar, bis dahin sollten 24 282 Euro zusammen kommen. Ein Betrag, der exakt zwei Monate die Personalkosten deckt Witzige Ideen als Dankeschön für Unterstützer: „Aktuell sind es 5172 Euro“, sagt Johanna am Mittwoch. Wer spendet, bekommt ein Dankeschön: ganz normale Sachen wie Kaffee und Kuchen, einen Gutschein für eine Hostel-Übernachtung, Seife aus einer griechischen, im Kollektiv betriebenen Fabrik. Aber auch lustige Sachen wie „Polnisch fluchen mit Mimona“ für 20 Euro, dazu gibt’s eine Salz-Dill-Gurke und einen Vodka gratis, einen DJ-Workshop mit Esteban für 40 Euro oder ausgiebig von Kollektivhund „Noga“ angekläfft werden für 15 Euro. „Wir versuchen, mit lustiger Stimmung einiges zusammen zu bekommen“, sagt Johanna Hotanen, „jeder Euro zählt“. Wie ihre Mitstreiter hofft sie, „dass wir vielleicht im März den Betrieb wieder aufnehmen können.“ Geld für die Mitarbeiter: Auch Lutz Zimmermann, Inhaber der Bar „No. 12“ in der Clemensstraße, hofft darauf, bald wieder seine Arbeit aufnehmen zu können. „Denn ich mache die Arbeit gern!“ Er habe, sagt er, im ersten Lockdown viel ins Hygienekonzept seiner Bar investiert, allein schon aus Selbstschutz. Finanziell kommt Zimmermann selbst einigermaßen über die Runden, weil er Nebeneinnahmen habe. Dennoch lief bis Mittwoch auch für seine Bar eine „Startnext“-Kampagne. „Ich brauche das Geld, um meine Mitarbeiter weiter bezahlen zu können.“ „Überrascht, wie viel Solidarität es gibt“: Unter dem Motto „Rette unsere Kiezkneipe: Save the 12“ sind dabei durchs Versteigern von Getränken, Feuerzeugen, Musikwünschen für die Jukebox und anderes 10 800 Euro zusammen gekommen. „Ich bin hoch zufrieden und sehr überrascht, wie viel Solidarität es gibt!“ Geholfen bei der Kampagne hat Nachbar Peter Düwel von der „Unklar Bar“. Er stellte gemeinsam mit einem Mitarbeiter der „No. 12“ die Kampagne bei „Startnext“ auf die Beine. Und Zimmermanns Mitarbeiter beantragten für ihn die November-Hilfe, die im Januar kommen soll. „Das hat man davon, wenn man seine Mitarbeiter weiter bezahlt“, sagt Zimmermann mit einem zufriedenen Schmunzeln. Lesen Sie auch Unfälle bei Schnee und Glätte in SH: Auto kracht auf A1 in Polizeiwagen Lübecks Bürgermeister Lindenau im Corona-Livetalk: Besuche vermeiden Lübeck ist bereit zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Bosnien Positive Stimmung in der „Unklar Bar“: Peter Düwel, der mit zwei Geschäftspartnern die „Unklar Bar“ in der Clemensstraße betreibt, ist erfahrener „Startnext“-Crowdfunder. „Wir hatten im ersten Lockdown eine Kampagne, jetzt haben wir nur die Novemberhilfe beantragt.“ Er sei positiv gestimmt und gehe davon aus, „dass wir spätestens Richtung Sommer wieder das Außer-Haus-Geschäft aufnehmen können, das die ganze Clemensstraße bis in den Oktober hinein betrieben hat.“ Von Sabine Risch