Lübeck: Kunden kritisieren Preiserhöhung der Priewallfähre

Alle Jahre wieder – kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch eine Erhöhung der Tarife für die Priwallfähre. An diese Regel hält sich der Stadtverkehr auch in diesem Jahr, denn pünktlich zum 1. Januar 2021 wird die Passage über die Trave teurer. Begründet wird dies mit gestiegenen Betriebskosten, Löhnen und Gehältern. Die Preiserhöhung stößt bei Nutzern auf deutliche Kritik. Bemängelt wird auch der schlechte Service des Fährbetriebs. Stadtverkehr: Anpassung war notwendig: Gerade einmal ein Jahr ist es her, dass die Preise für die Nutzung sowohl der Auto- als auch der Personenfähre erhöht wurden. Jetzt soll ein Einzelticket für Erwachsene 1,50 Euro (bisher 1,40 Euro) kosten. Kinder zahlen einen Euro (bisher 90 Cent). Eine Überfahrt mit dem Auto kostet ab Januar 4,20 Euro (bisher 4,10 Euro). Mitfahrende Personen müssen extra zahlen. Deutlich teurer wird die Jahreskarte für Fahrzeuge bis zu 3,5 Tonnen. Statt wie bisher 699 Euro müssen künftig 723 Euro berappt werden. Von einer „guten Nachricht“ spricht der Stadtverkehr hinsichtlich der Beförderungskosten für Elektrofahrzeuge, denn für diese müssen wie bisher nur 50 Prozent des jeweiligen Tarifs gezahlt werden. Beschlossen hat die Tariferhöhung der Aufsichtsrat der Stadtverkehr Lübeck GmbH. „Löhne und Gehälter sowie Betriebskosten sind gestiegen und daher ist eine Anpassung notwendig“, sagte Stadtverkehr-Sprecherin Gerlinde Zielke. „Dienstleistung immer schlechter geworden“: „Diese Begründung ist absolut lächerlich. Damit lässt sich alles rechtfertigen“, sagen Brigitte Javazi und Jürgen Göttsch. Das Paar aus Hamburg besitzt auf dem Priwall ein Wochenendhaus, ist mit erstem Wohnsitz aber in Hamburg gemeldet. Deshalb müssen sie, anders als Priwallbewohner, für die Fähre bezahlen. Brigitte Javazi ärgert sich besonders darüber, dass die kaputte Personenfähre „Priwall VI“ immer noch nicht repariert wurde. Julia Zöllner betreibt im Rosenhof auf dem Priwall eine Fußpflegepraxis. Da sie in Travemünde wohnt, ist sie auf die Fähre angewiesen. „Die Dienstleistung ist immer schlechter geworden. Da kann man nicht einfach die Preise erhöhen“, sagt sie. So werde häufig nur eine Fähre eingesetzt. „Da steht man und wartet, manchmal fast eine halbe Stunde.“ Wenn der Service besser wäre, sei eine Preiserhöhung vielleicht gerechtfertigt. Umwege über Mecklenburg: Yannick Simon absolviert auf der „Passat“ ein Freiwilliges Soziales Jahr und fährt jeden Tag von Kücknitz mit dem Bus nach Travemünde und anschließend mit der Fähre auf den Priwall. Seine Monatskarte, die noch 62 Euro kostet, muss er aus eigener Tasche bezahlen. Der 19-Jährige, der aus Hessen kommt, schwärmt von einer Jahreskarte aus seinem Heimatbundesland. „Wenn man dort eine Jahreskarte für 365 Euro kauft, kann man bis auf den IC und ICE alle öffentlichen Verkehrsmittel jeden Tag nutzen, auch die Autofähren, die über den Rhein führen. Das kostet dann gerade einmal einen Euro pro Tag.“ Oliver Spelling fährt häufig von Ratzeburg zum Angeln auf den Priwall. Da er den Weg über Mecklenburg nimmt, ist er nicht von der Fähre abhängig. Er weiß aber: „Ein Anglerfreund aus Lübeck-Herrnburg, der auch zum Priwall kommt, fährt schon lange nicht mit der Fähre, sondern ebenfalls über Selmsdorf und Dassow, obwohl der Weg weiter ist.“ „Ungleichbehandlung der Nutzer“: Eckhard Erdmann, Vorsitzender der Gemeinschaft der Priwallbewohner, stellt fest: „Die Halbwertzeit der jeweils gültigen Fährpreise beträgt häufig nur 24 Monate, dann kommt wie das Amen in der Kirche die nächste Erhöhung.“ Er hat ausgerechnet, dass sich der Preis für das Jahresticket für das Auto von 1990 bis 2021 um 1200 Prozent erhöht habe. Damals kostete eine Karte 120 Mark, ab Januar 2021 723 Euro. Als Skandal bezeichnet es Erdmann, dass anders als beim Stadtverkehr, bei dem ein Minus durch die Mehreinnahmen der Stadtwerke ausgeglichen werde, die Kostendeckung bei den Fähren durch Preiserhöhungen erfolge. „Das ist eine Ungleichbehandlung der Nutzer.“ Lesen Sie auch: Lübeck: Karstadt schließt am 18. Januar Kultur-Förderung: Lübecks Possehl-Stiftung gleicht Minus des Hansemuseums aus Lübeck: Klimaleitstelle gibt wertvolle Adventskalender-Tipps Keine Reaktion auf Anregungen: Leider gebe es kaum politische Unterstützung, bemängelt Erdmann weiter. Seit Jahren kämen Fährpreiserhöhungen nicht mehr auf die Tagesordnungen von Ausschüssen und Bürgerschaft. „Die Bürgerschaft nimmt die Erhöhung nur zur Kenntnis. Außer verbalen Beileidsbekundungen geschieht nur wenig.“ Auf Anregungen für andere Lösungen, etwa die Einführung einer Jahreskarte für Nutzer, die seltener mit der Fähre fahren, werde nicht reagiert. Vergessen werden dürfe allerdings nicht, dass Priwallbewohner mit erstem Wohnsitz auf der Halbinsel als Fußgänger und Radfahrer die Fähre kostenlos nutzen dürfen. Von Thomas Krohn