Lübeck: Musikhochschule und Uni planen Professur für Musikergesundheit

Sie soll in dieser Woche noch in die öffentliche Ausschreibung gehen, die Stiftungsprofessur für Musikergesundheit, als Gemeinschaftsprojekt der Musikhochschule Lübeck (MHL), der Universität und des Uniklinikums. Und durch die Vernetzung mit anderen Institutionen in der Hansestadt – wie den Musikschulen und dem Theater mit seinem Philharmonischen Orchester – soll ein „Lübecker Modell zur Musikergesundheit“ entstehen. „Eine Professur, die sich ganz zentral um die professionell Musizierenden und musikvermittelnden Institutionen in dieser Stadt gruppiert – das ist schon eine einmalige Konstruktion, die sich bundesweit sehen lassen kann“, freut sich MHL-Präsident Prof. Rico Gubler. Viele Musikausübende leiden unter gesundheitlichen Problemen.Dazu gehören schmerzhafte Verspannungen, eingeschränkte Bewegung, Tinnitus, Lampenfieber und Versagensängste. Sie können gravierende Folgen für das Musizieren haben und im schlimmsten Fall das Ende einer Karriere bedeuten. Gründe sind in Fehlhaltungen oder Überbelastung durch eine zu hohe Übefrequenz zu suchen, vielfach auch in psychischem Stress und Leistungsdruck, dem Musikausübende oftmals durch Wettbewerbe und Konzerte ausgesetzt sind. Die Vorsorge bildet daher den Schwerpunkt der musikermedizinischen Arbeit. Das bedeutet also, dass Musikerinnen und Musiker vor allem über Präventionsmöglichkeiten aufgeklärt werden. Das kann die optimale Anpassung des Instruments an den Körper betreffen, aber auch das Beherrschen von Entspannungstechniken. Aber natürlich geht es auch um die Therapie von Krankheitsbildern wie zum Beispiel der Musikerdystonie, einer unwillkürlichen Bewegungsstörung, bei der die Finger des Streichers oder die Lippen des Bläsers nicht mehr dem Gehirn gehorchen. Für seine Kollegin, Uni-Präsidentin Prof. Gabriele Gillessen-Kaesbach, stellt die Professur mit ihrer transdisziplinären Perspektive „einen wichtigen Schritt in Richtung einer weiteren verstärkten Vernetzung wissenschaftlicher Kompetenzen der beiden Hochschulen dar“. So ist an MHL und Uni in Folge auch eine Forschergruppe zu Musikermedizin und Musikphysiologie vorgesehen. Modell soll auch musikausübenden Laien zugutekommen: Das Modell soll entsprechend seiner Konzeption nicht nur Studierenden und Hochschulangehörigen zugutekommen, sondern auch anderen Musikprofis und musikausübenden Laien und so einen umfassenden Beitrag zur vielfältigen regionalen Musikkultur leisten. „Unsere Dozentinnen und Dozenten haben sich immer direkte Schulungsangebote zur Musikergesundheit gewünscht. Deshalb ist die Freude bei uns sehr groß, dass dies nun Wirklichkeit wird“, kommentiert Ralph Lange, Leiter der Lübecker Musikschule der Gemeinnützigen. Schon in jungem Alter auf Auffälligkeiten achten und Prävention anbieten: In seiner Einrichtung gebe es eine relativ große Abteilung, die sich der Musikberufsvorbereitung widme, wo Kinder und Jugendliche mitunter schon zwei bis drei Stunden täglich üben. „Deshalb ist es hier enorm wichtig, dass die betreffende Lehrerin oder der betreffende Lehrer auch darauf achtet, dass dies gesund passiert und keine Fehlhaltungen und Fehlentwicklungen schon in jungem Alter entstehen“, betont Lange. Sein Postulat: Der Körper ist das Instrument. Insgesamt umfasst das Vorhaben mehrere Bausteine, die Hilfestellung und Vorbeugung anbieten wollen: An der Uniklinik soll eine öffentliche Sprechstunde mit dem Ziel entstehen, typische Musiker-Beschwerden – wie unter anderem schmerzhafte Verspannungen, Tinnitus und Versagensängste – mit Lernstrategien und Schulungen zum Thema Körperwahrnehmung zu begegnen. Und an der MHL ist geplant, ein theoretisches und praktisches Lehrangebot zur Musikergesundheit und Musikmedizin aufzubauen. „Der Präventionsbereich hat uns bisher massiv gefehlt und wird von den Studierenden seit Längerem eingefordert“, sagt Prof. Rico Gubler, „und durch die Zusammenarbeit mit der Uni haben wir zudem die Verbindung des Präventiven mit dem Klinischen.“ Musikmedizinische Anlaufstellen gibt es bundesweit in rund zehn Städten: Bundesweit gibt es nur in gut zehn Städten Musikmedizinische Anlaufstellen. „Allerdings gibt es in dieser Beziehung einen deutlich höheren Bedarf, sodass wir mit unserem zukünftigen universitären Angebot sicherlich sehr gut wahrgenommen werden“, ist sich Prof. Thomas Münte sicher. Der Uni-Vizepräsident Medizin und Chef der Klinik für Neurologie hat in der Vergangenheit schon intensiv mit der überregionalen Spezialambulanz für Musiker-Erkrankungen in Hannover kooperiert. Lesen Sie auch So viele Kinder in Lübeck haben sich mit Corona angesteckt - Studie Startschuss für den Neubau der Lübecker Bahnhofsbrücke Lübecks historische Schätze: Die ältesten ihrer Art Die Anschubfinanzierung für das Lübecker Modell leistet mit rund 600 000 Euro die Possehl-Stiftung für zunächst fünf Jahre; nach einer erfolgreichen Überprüfung soll die Professur dann zur Dauereinrichtung werden und von der MHL sowie der Uni weiterfinanziert werden. Possehl-Stiftung übernimmt die Anschubfinanzierung für fünf Jahre: „Ein achtsamer Umgang mit der eigenen Gesundheit kann einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einer selbstbewussten Künstlerpersönlichkeit leisten“, begründet Stiftungsvorstand Max Schön das Engagement von Possehl. Die Professur sei in vielfacher Hinsicht richtungsweisend. Von Michael Hollinde