Lübeck: Polizei beendet Grundrechte-Demo in der Breiten Straße

Vor dem Rathaus sitzen ein Mann und eine Frau auf mitgebrachten Decken. Sie meditieren. Daneben steht ein Schild, auf dem „Die Regierung empfiehlt: Reden Sie über Artikel 1-20 GG“ geschrieben ist. Spaziergänger laufen ruhig und mit Sicherheitsabstand durch die Fußgängerzone, die meisten halten ein Grundgesetz in den Händen. Einige tragen eine Maske im Gesicht, auf der „Volksmaulkorb“ steht. Es ist ein Zeichen des Protests in Corona-Zeiten. Zwei der spaziergehenden Protestler sind Simon und Nicole, die ihre Nachnamen nicht nennen. „Das Grundgesetz ist momentan außer Kraft gesetzt“, sagt der 31-Jährige. „Ich habe Verständnis für die Maßnahmen. Aber ich habe das Gefühl, dass die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus unverhältnismäßig sind. Ich will, dass die Menschen, die gerade Entscheidungen treffen, wissen, dass uns die Grundrechte wichtig sind und wir die Situation gerade ziemlich uncool finden.“ Das findet Nicole auch. „Meine Eltern wohnen in Mecklenburg-Vorpommern. Ich weiß gar nicht, ob ich sie besuchen kann oder die Grenzen dicht sind“, sagt die 31-Jährige. „Außerdem habe ich die Sorge, dass nach Corona gewisse Maßnahmen bleiben werden. Eine Überwachungs-App zum Beispiel wäre schrecklich.“ Auch Robert und Detlef protestieren in der Breiten Straße – ruhig, friedlich, mit einem Grundgesetz in der Hand und einem Protestschild am Rücken. „Wir spazieren für die Grundrechte, die es gerade nicht gibt“, sagt Robert, der die Kontaktbeschränkungen und den Lockdown für unverhältnismäßig hält. „Es ist ja wissenschaftlich noch gar nicht erwiesen, wie gefährlich dieses Virus ist.“ Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Plötzlich ändert sich das Bild. Immer mehr Polizisten erscheinen, laufen in Ketten über die gesamte Breite der Fußgängerzone, sprechen die Protestierenden an – und schicken sie weg. Hier und da kommt es zu Diskussionen, auch Personalien werden aufgenommen. „Die angemeldete Demonstration auf dem Markt wurde heute Vormittag kurzfristig vom Veranstalter abgesagt“, sagt Polizeisprecher Ulli Fritz Gerlach. Das bedeutet: Der Protest in der Breiten Straße, bei dem die Polizei rund 80 Teilnehmer gezählt hat, wurde nicht angemeldet. In einer anschließend verbreiteten Pressemitteilung schreibt Gerlach: „Der vor Ort anwesende Vertreter der Versammlungsbehörde stufte das Geschehen als nicht genehmigte Versammlung im Zusammenhang mit der Landesverordnung zum Infektionsschutzgesetz ein. Auf dieser Grundlage sprachen die Einsatzkräfte der Polizei die betreffenden Personen auf ihr Verhalten an und erteilten entsprechende Platzverweise.“ Nach einer Stunde ist der Einsatz beendet – auch die Demonstrierenden haben sich zurückgezogen. Der Mann, der die Demonstration am Markt angemeldet hatte, ist auch in der Breiten Straße zugegen. Gegenüber den LN will er sich allerdings nicht äußern. Von Hannes Lintschnig

Bürgerrechte in Corona-Zeiten - Polizei beendet Grundrechte-Demo in Lübecker Innenstadt