Lübeck: Robbe im Stadtgraben gesichtet

Schon im vergangenen Jahr war eine Robbe im Stadtgraben gesichtet worden; doch an dem Tag war Ursula Kessel nicht zu Hause. Und ihre Nachbarin, die davon erzählt hatte, konnte in dem Augenblick mangels Fotoapparat und Smartphone kein Bild machen. „Deshalb freue ich mich sehr, dass ich diesmal die Robbe mit eigenen Augen gesehen habe“, sagt Ursula Kessel. Robbe schwimmt im Lübecker Stadtgraben: Die Lübeckerin wohnt in der Straße „Zur Sägemühle“ und hat einen direkten Blick in Richtung Katzenberg auf den Stadtgraben. „Mein Mann rief auf einmal aus dem Nebenzimmer ,Guck’ mal, draußen schwimmt die Robbe!‘“, erzählt Kessel. „Und tatsächlich – da war sie.“ Das Tier sei ganz gemächlich geschwommen und habe etwas im Maul gehabt – „es schimmerte hell, sodass ich davon ausgehe, dass es wohl ein Fisch war“, sagt sie. „Dann drehte die Robbe um, tauchte mal für zwei Minuten unter und wieder auf und ist dann wieder Richtung Puppenbrücke davon geschwommen“, erzählt die Anwohnerin. Das sei schon ein schönes Erlebnis gewesen, fasst sie zusammen. Und vielleicht komme die Robbe ja erneut wieder. Alle Seehunde sind Robben, aber nicht alle Robben sind Seehunde: Von der Sichtung hat auch bereits Ulrike Meinfelder gehört. Sie ist stellvertretende Leiterin der Seehundstation Friedrichskoog, dort also, wo in Schleswig-Holstein alle Infodrähte in Sachen „Familie Robbe“ zusammenlaufen. Zur Klarstellung: Alle Seehunde sind Robben, aber nicht alle Robben sind Seehunde. Denn die Bezeichnung „Robbe“ ist der Oberbegriff – auch Gattung genannt – für verschiedene Arten. Zwei dieser Arten von Robben gibt es an der deutschen Nord- und Ostseeküste: Seehunde und Kegelrobben. „Ich habe bisher aber noch kein Foto aus Lübeck gesehen und kein Video; entsprechend kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nichts Näheres zum Tier sagen“, so die Expertin, „unser Kollege an der Ostsee wurde jedoch informiert, und er wollte sich mit der Wasserschutzpolizei in Verbindung setzen.“ Lesen Sie auch Travemünde: Seehund-Drama auf dem Priwall Das macht ein Seehundjäger Lübeckerin sieht an der Kanaltrave Fischotter Insgesamt müsse sich niemand Sorgen um den Meeressäuger machen, wenn er in der Trave unterwegs sei. „Die Tiere schwimmen teilweise viel weiter ins Inland beziehungsweise in Süßgewässer“, erläutert die Tierärztin, „wir hatten schon mal einen Seehund, der sich 250 Kilometer den Rhein heruntergewagt hat; der ist auch wieder in die Nordsee zurückgekommen.“ Auf Suche nach Nahrung oder einem ruhigen Plätzchen: Gründe für diese Ausflüge gebe es einige. „Die Tiere können zum Beispiel auf Nahrungssuche sein oder auf der Suche nach einem netten Plätzchen, wo sie sich hinpacken können, um Ruhe zu haben“, so Ulrike Meinfelder. Ein Hinweis ist ihr besonders wichtig: Wenn man eine Robbe an Land entdeckt, sollte man stets einen großen Sicherheitsabstand halten. Denn: „Die Tiere sind durchaus gefährlich – auch wenn sie nett aussehen; sie können garstig und dann auch richtig schnell werden“, sagt sie. „Kegelrobbenmännchen schaffen am Strand durchaus Geschwindigkeiten bis zu 25 Stundenkilometer, wenn sie unbedingt wollen. Denen möchte man nicht begegnen. Das ist pure Gewalt. Da muss man aufpassen“, warnt sie vor Unachtsamkeit. Robbe wird nicht in der Trave bleiben: Ob die Hoffnung von Ursula Kessel, dass Tier erneut im Stadtgraben begrüßen zu können, berechtigt ist, kann die Expertin nicht beantworten. „Es gibt durchaus Robben, die zu Punkten zurückkommen, wo sie gute Erfahrungen gemacht haben. Allerdings gibt es so viele Seehunde und Kegelrobben in der Ostsee, sodass es an diesem Ort nicht unbedingt immer dasselbe Tier sein muss.“ Die stellvertretende Stationsleiterin geht auf jeden Fall davon aus, dass sich der Gast aus dem Meer irgendwann wieder aus der Trave verabschieden wird – „er wird sich hier nicht heimisch einrichten wollen.“ Von Michael Hollinde