Lübeck: Rocker vor der Villa am Burgfeld verhaftet

Neue Erkenntnisse im Fall des getöteten 38-Jährigen in der verwahrlosten Villa am Stadtpark: Am Mittwochnachmittag ist Polizeibeamten zufällig ein Mann aufgefallen, der sich auf dem privaten Grundstück der Vorstadtvilla befand – offenbar, um seines getöteten Freundes zu gedenken. Bei der Überprüfung des 32-Jährigen kam heraus: Gegen den Mann liegt seit Dezember ein Haftbefehl vor, und offenbar gibt es Verbindungen zur Rockerszene. „Er hat Kontakt zu Personen aus dem Milieu, welcher Art, kann ich nicht sagen“, erklärte Oberstaatsanwältin Ulla Hingst, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lübeck. Bei der Rocker-Kommission einschlägig bekannt: Der Hinweis darauf, dass der Mann per Haftbefehl gesucht wurde, kam von der Rockerkommission (offizieller Name: Besondere Aufbauorganisation „Rocker“). Die Lübecker Polizei hatte sie im vergangenen Jahr im Rahmen ihrer Null-Toleranz-Strategie gegen Rockerkriminalität eingerichtet. Die sogenannte „Besondere Aufbauorganisation Rocker“ wurde im August vergangenen Jahres in Lübeck gegründet. Die Beamten wollen damit noch härter gegen die Rockerszene in der Hansestadt und ihrem Umland vorgehen. In den Wochen zuvor war es häufig zu Vorfällen gekommen, die mit dem Rockermilieu zu tun haben. Mitte August etwa lieferten sich verfeindete Rocker eine Massenschlägerei an der Untertrave. Dabei wurden zwei Männer durch Messerstiche verletzt – und es gab insgesamt elf Festnahmen. Bei weiteren Einsätzen gegen die Rocker wurden immer wieder Waffen und illegale Betäubungsmittel gefunden. „Die Polizei duldet keine Rechtsverstöße und keine Machtdemonstrationen von rivalisierenden Rockergruppierungen“, sagte Lübecks Polizeichef Norbert Trabs und rechtfertigte die „Null-Toleranz-Strategie“ der Beamten. Man werde dem Auftreten dieser Gruppen entschlossen entgegentreten. Wäre der Mann auf dem Bürgersteig vor der Villa stehengeblieben, um seines am 30. Dezember getöteten Freundes zu gedenken – dann hätte er der Polizei vielleicht noch eine Weile entkommen können. Er entschied sich aber dafür, auf das Grundstück zu gehen, um dort einen Augenblick innezuhalten. Da es sich um privaten Grund und Boden handelt, fiel er zwei Polizeibeamten auf, die zufällig in einem Streifenwagen vorbeikamen. Weil er sich nicht ausweisen konnte, fuhren die Beamten mit ihm zu seiner Wohnung. Mehrmals mit Drogen erwischt: Die Polizei hatte den Mann schon seit längerem im Visier. Seit dem Frühjahr 2020 wurde gegen ihn wegen des Verdachts auf Drogenhandel ermittelt. Im März und im Oktober wurde er mit Drogen erwischt. Im Dezember schließlich fanden Beamte bei ihm 200 Gramm Haschisch und eine Reizstoff-Schusswaffe. Daraufhin tauchte der Verdächtige unter. Das Amtsgericht erließ einen Haftbefehl – wegen mehrerer Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in einem Fall unter Mitführen einer Schusswaffe. Bei der Festnahme Cannabis, Ecstasy und Munition gefunden: Bei seiner Festnahme hatte der Mann nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft kleinere Mengen Cannabis und Ecstasy sowie Kleinkalibermunition dabei. Der Mann wurde dem Haftrichter vorgeführt und sitzt jetzt in der Justizvollzugsanstalt Lübeck in Lauerhof im Untersuchungsgefängnis. Mutmaßlicher Schütze ist Eigentümer der Villa: Dort sitzt auch der 57-Jährige, der mutmaßlich die drei tödlichen Schüsse aus einer Pistole abgegeben hat. Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat neue Erkenntnisse zu dem Mann gewonnen. Bisher war nicht klar, ob die schmucke, aber heruntergekommene Vorstadtvilla tatsächlich ihm gehört, jetzt steht fest: „Der Beschuldigte ist Eigentümer der Villa“, sagt Ulla Hingst. Der Mann habe sich regelmäßig in der Villa aufgehalten, soll aber auch noch eine andere Wohnung genutzt haben. Lesen Sie auch Lübeck: Stadt räumt ehemaliges C&A-Haus Lübecks größter Umzug: Stadtbibliothek verlagert 600 000 Bücher Lübeck: Am Güterbahnhof machen vier junge Männer Feuer Sprengstoffspürhunde im Einsatz: In dieser Woche hat die Spurensicherung die Villa mehrere Male sprichwörtlich auf den Kopf gestellt, auch ein Sprengstoffspürhund war im Einsatz. Unter anderem wurden Projektile im Erdgeschoss der Villa gefunden, die darauf schließen lassen, dass die Schüsse im Haus abgegeben worden sind. „Außer den Patronenhülsen wurde nichts von Relevanz gefunden“, erklärte die Staatsanwältin Hingst. „Weitere Durchsuchungen der Villa finden meines Wissens nicht statt.“ Von Hanno Kabel und Hannes Lintschnig