Lübeck: Schlutuper fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen

Dicke Luft im einstigen Fischerdorf. Das idyllische Bild in Schlutup trügt: Anwohner sind sauer. Sie befürchten, dass Lübecks kleinster Stadtteil abgehängt wird. Fehlende Geschäfte, marode Radwege, unzureichende Stadtplanung, kaum Infrastruktur. Peter Röhling listet Missstände auf. „Die Stadt nimmt uns nicht mehr wahr“, sagt der Schlutuper. Anwohner suchen den Dialog: „Wir wollen keinen Zoff“, sagt Röhling, der für etwa 30 besorgte Anwohner spreche. „Wir suchen den Dialog mit der Verwaltung“, so der Sprecher. „Es ist schön in Schlutup“, bekennt Röhling. „Aber der alte Dorfkern muss ortstypisch bleiben. Wir brauchen keine Häuser im Schuhkartonformat“, nimmt er die Bauplanung aufs Korn. „Abgehängt“ sei Schlutup durch ein Neubauprojekt in der Straße Hintern Höfen 19. „Dazu hat die Stadt ohne Not einige Flurstücke verkauft, obwohl eine Zufahrt zu dem Grundstück ohne den Verkauf dieser Flurstücke vorhanden war. Damit fallen 15 Parkplätze weg, die für die Kirchenbesucher sowie für Lehrkräfte und Anwohner unverzichtbar sind“, sagt Röhling. Außerdem seien die Container für Altpapier, Glas, Kleidung und Schuhe ersatzlos entfernt worden. „Niemand wurde von der Stadtverwaltung informiert, niemand wurde befragt.“ Geschäfte fehlen, Infrastruktur schwächelt: „Vor 20 Jahren gab es viele Häuser und Grundstücke in schlechtem Zustand, das hat sich bis heute sehr verbessert“, sagt Röhling. „Außerdem gab es viele Neubauten für die Ansiedlung junger Familien, zum Beispiel Haler Ort mit der Umwandlung einer ehemaligen Fischfabrik in ein Gemeinschaftswohnprojekt.“ Bis vor wenigen Jahren habe der Stadtteil eine ausreichende Infrastruktur besessen. „Damit konnte verhindert werden, dass für jede Kleinigkeit das Auto bewegt werden musste“, erinnert sich Röhling. Vor 20 Jahren habe es viele verschiedene Geschäfte gegeben, darunter fünf Bäckereien, drei Fischgeschäfte, eine Fleischerei, drei Supermärkte, ein Bioladen, zwei Schreibwarengeschäfte, ein Postamt, eine Drogerie, eine Sparkasse, eine Bank und eine Versicherung. Und heute?, fragt der Schlutuper: „Heute gibt es nur noch eine Bäckerei, ein Fischgeschäft, einen Supermarkt und eine Poststelle.“ Anwohner wollen einen Edeka-Markt: Aber das ist nur ein Ärgernis. Beklagt wird auch ein Teil der Radwege: „Der Fahrradweg Wesloer Straße ist in sehr schlechtem Zustand, die Stadtverwaltung verweigert eine Sanierung und zwingt die Radfahrer auf die Straße“, sagt er. „Dasselbe plant die Verwaltung in der Mecklenburger Straße. Auch dort ist der nördliche Radweg in sehr schlechtem Zustand.“ „Auf der Straße fahren zu müssen, ist lebensgefährlich“, sagt Sylvia Partzanka. Die Inhaberin der kleinen Second-Hand-Boutique „Zweite Hand“ am Schlutuper Markt 17 wohnt seit 17 Jahren „gerne“ im Stadtteil. Sie wünscht sich auch einen Edeka-Markt. Doch der lohne sich erst ab 7000 Einwohner, wie sie gehört hat. „Wir sind aber nur 6000“, sagt Partzanka. Die weitere Kritik: „Die Zebrastreifen in der Wesloer Straße wurden einfach abgeschafft.“ Lesen Sie auch Lübeck: Hotels bereiten sich auf die Gäste vor - einige investieren Travemünde: Am Brodtener Ufer sind nach Abbrüchen Wege gesperrt Lübeck: Notunterkunft für Obdachlose zieht auf den Volksfestplatz Stadtsprecher: „Wir investieren in Schlutup“: Die Stadt kontert: „Beim Bauvorhaben Hintern Höfen 19 handelt sich um ein privates, derzeit unbebautes Grundstück, welches bisher zum Parken von den umliegenden Anwohnern genutzt worden ist. Für das Grundstück besteht Baurecht. Die Hansestadt Lübeck begrüßt die Schaffung von Wohnraum“, sagt Hansjörg Wittern, Stellvertretender Stadtsprecher. Zu den Radwegen sagt er: „Die Radbenutzungspflicht in der Wesloer Straße wurde aufgehoben, weil die Kfz-Belastung so gering ist, dass der Radverkehr im Mischverkehr auf der Fahrbahn geführt wird.“ Zur Verdeutlichung der Radverkehrsführung seien auf der Fahrbahn Fahrradpiktogramme und Roteinfärbungen aufgebracht worden. „Die Pläne für eine neue Radverkehrsführung in der Mecklenburger Straße zwischen Wesloer Straße und Fabrikstraße werden momentan erarbeitet und für eine Abstimmung mit der Straßenverkehrsbehörde und Polizei vorbereitet.“ Im Übrigen investiere die Stadt sehr wohl in den Ortsteil, unter anderem mit der vollständigen Erneuerung des Bahnüberganges Mecklenburger Straße, so Wittern. Von Rüdiger Jacob