Lübeck: Siedlung Bornkamp von oben

Horst Schmidt (69) freut sich. Wie immer, wenn eine Briefmarke mit Lübeck-Motiv erscheint. Seit 60 Jahren sammelt er, und Marken und Poststempel mit Lübeck-Bezug sind sein Spezialgebiet. Seit Donnerstag gibt es etwas Neues: zwei zusammenhängende 60-Cent-Briefmarken, die ein Luftbild der Siedlung Bornkamp im Süden der Stadt zeigen. Es ist die zweite Folge der Briefmarkenserie „Deutschland von oben“. Holstentor, Thomas Mann, sieben Türme – und jetzt Bornkamp: Schmidt ist in die Postbank-Filiale im Lichthof an der Königstraße gekommen, wo die Briefmarke am Ausgabetag verkauft wurde, auf Wunsch mit einem eigens angefertigten Sonderstempel. „Ich fand das faszinierend, dass da ein relativ unbekanntes Motiv draufgekommen ist. Das hat man nicht oft“, sagt er. Das Holstentor ist schon auf Briefmarken zu sehen gewesen, die Marienkirche, der Dom, die sieben Türme. Es gab Briefmarken zu Ehren von Thomas Mann, Willy Brandt, Heinrich Mann und Dietrich Buxtehude. Aber ein Neubaugebiet am Lübecker Stadtrand – das gab es noch auf keiner Marke. Die Bornkamp-Idee kommt aus Dänemark: Die Geschichte der Siedlung Bornkamp begann im Jahr 2003. Damals unternahm Matthias Rasch, Projektleiter bei der städtischen Grundstücksgesellschaft „Trave“, mit Lübecker Stadtplanern eine Dienstreise nach Dänemark. In Nærum nahe Kopenhagen fanden sie eine Anlage aus ovalen Kleingärten, die von oben wie Inseln aussehen. Wenig später planten sie etwas Ähnliches am südlichen Stadtrand von Lübeck – aber nicht als Kleingartenanlage, sondern als Teil eines Wohngebiets mit Einfamilienhäusern. Die Ringe heißen wie Ostseeinseln: 2005 begann der Verkauf der Grundstücke. 17 Jahre später leben in diesem Wohngebiet mehr als 1800 Menschen. Matthias Rasch, inzwischen Geschäftsführer der „Trave“, freut sich über die Briefmarke: „Das finden wir natürlich toll, das macht auch ein bisschen stolz.“ Aus seiner Sicht ist die Siedlung Bornkamp ein voller Erfolg – städtebaulich, aber auch wirtschaftlich. Das führt er nicht zuletzt auf die Anlage des südlichen Teils in sieben Ringen zurück. Sie alle tragen die Namen deutscher oder dänischer Ostseeinseln. Der Trick: Außengrundstücke waren teurer: „Wir wollten so viele Außengrundstücke wie möglich haben, von denen aus man direkt in die Grünfläche treten kann“, erklärt er. „Dadurch konnten wir die Grundstückspreise relativ differenziert gestalten.“ Das heißt: Wer sich kein Außengrundstück leisten konnte, bekam für deutlich weniger Geld eines im inneren Ring. „Ein bisschen“, sagt Rasch, „war es auch an die Idee des alten Angerdorfs angelehnt.“ Damit meint er um eine zentrale Wiese angelegte Dörfer, wie es sie vor allem im östlichen Deutschland gibt. Dörfliche Nachbarschaft im Bornkamp-Quartier: Tatsächlich scheint es ein bisschen so etwas wie dörfliche Strukturen zu geben. Das hat Holger Burhorn (47) beobachtet, der seit 2009 in der Siedlung lebt. „Der Fehmarnring hat so eine geschlossene Community“, sagt er, der selbst mit seiner Familie ein Haus im äußeren Langelandring gemietet hat. Er weiß die Vorzüge der Außenlage zu schätzen: „Das macht einen erheblichen Unterschied, man hat einen freien Blick – und ein Tor zum Wanderweg.“ Bornkamp-Bewohner wehrten sich gegen großes Flüchtlingslager: Über Lübeck hinaus bekannt wurde der Bornkamp 2015. Damals sollte dort ein großes Erstaufnahmelager für Flüchtlinge entstehen. Dagegen formierte sich in der Siedlung lauter, zum Teil auch wütender Protest. Nicht alle Bewohner waren mit diesem Protest einverstanden, darunter Holger Burhorn: „Das hat uns damals wahnsinnig geärgert“, sagt er. „Das hat so ein bisschen Missstimmung reingebracht.“ Das Erstaufnahmelager kam schließlich auf den Volksfestplatz in St. Gertrud. Am Eingang der Siedlung, etwas abseits der ringförmigen Anlagen, entstand eine kleinere Gemeinschaftsunterkunft. Ärger, zumindest öffentlich sichtbaren, hat es darum seither nicht gegeben. Auf den Briefmarken ist das kleine Containerdorf nicht zu sehen. Lesen Sie auch Lübeck - Bornkamp – ein Jahr danach – LN - Lübecker Nachrichten Kinderbetreuung im Corona-Lockdown: Eltern in Lübeck stark verunsichert Lübeck: LHG meldet Rückgang bei Hafen-Umschlag Es wird wohl einige Zeit dauern, bis wieder eine Briefmarke mit einem Lübecker Motiv erscheint. Wenn es aber soweit ist, dann hätte der Lübecker Sammler Horst Schmidt schon einen Vorschlag: „Mein Wunschmotiv ist der Leuchtturm in Travemünde.“ Von Hanno Kabel

Lübeck: Siedlung Bornkamp von oben - jetzt als Briefmarke