Lübeck: So war der Silvesterabend

Unverkennbar ist es zu lesen – „2021“ steht in großen Ziffern auf der Fassade des Maritim Strandhotels in Travemünde. Damit wohl niemand die neue Zeit verpasst, erscheint die Jahreszahl durch eine wohlüberlegte Anordnung beleuchteter Fenster. Polizei und Ordnungsamt patrouillieren auf der Promenade: Denn ansonsten begrüßen hier an Strand und Promenade im Ostseebad tausende Besucherinnen und Besucher lautstark das neue Jahr, der Brügmanngarten als eine einzige Partyzone, gleich drei Höhenfeuerwerke zeitlich hintereinander geschaltet illuminieren traditionell farbenfroh den Nachthimmel. Diesmal ist alles anders – das Coronavirus fordert seinen Tribut. Wegen des Beherbungsverbotes durften keine Touristen kommen. Restaurants und Kneipen sind für Gäste ohnehin dicht; in der Öffentlichkeit darf kein Alkohol getrunken werden. Der Verkauf von Feuerwerk war verboten. Wer noch Raketen oder Böller vom vergangenen Jahr übrig hatte, durfte sie an beliebten Plätzen nicht zünden. Nicht an der Promenade – starke Präsenz von Ordnungsamt und Polizei wusste, dies zu verhindern. Und die Kontaktbeschränkungen fielen zum Jahreswechsel schärfer aus als über Weihnachten. Wer auf das neue Jahr zu Hause anstoßen wollte, durfte lediglich mit der eigenen Familie feiern oder mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten. Auch auf der Altstadtinsel geht es ruhig zu: Eine ebenfalls ruhige Silvester-Szenerie bietet sich auf der Altstadtinsel. „Normalerweise wären wir an diesem Abend mit einer größeren Gruppe unterwegs gewesen. Aber den Corona-Regeln konform feiern wir nur zu dritt“, sagt Martin Stobinski. Recht verloren wirkt das Trio in der ansonsten leer gefegten Breiten Straße. Wie sich herausstellt, machen die jungen Lübecker gerade eine Art Schnitzeljagd durch die Innenstadt. „Freunde aus Hamburg, mit denen wir eigentlich den Abend zusammen verbringen wollten, haben uns auf diese Idee mit der Krimi-Rallye gebracht“, erklärt Sandeep Kaur. Drei Stunden sei man so insgesamt an der frischen Luft unterwegs, bevor es nach Hause ginge, um zu grillen und auf 2021 anzustoßen. Taxifahrer warten vergeblich auf Kundschaft: Etwas vereinsamt wirkt auch Taxifahrer Ahmed Cetintürk, der mit seinem Fahrzeug vor dem Stadttheater in der Beckergrube steht. „Ich habe ein mulmiges Gefühl, dass nichts mehr sein wird in dieser Nacht“, kommentiert er. Man könne nur warten – „und das an Silvester, wo sonst immer eine Tour nach der anderen folgt“, schaut er resignativ in die Nacht. Insgesamt listete die Allgemeinverfügung der Stadt 32 Plätze, Straßen und Grünanlagen auf, auf und in denen vom 31. Dezember, 18 Uhr, bis zum 1. Januar, 1 Uhr, das Mitführen und Abbrennen von Feuerwerkskörpern verboten war. „Wir haben nur zehn Knallerbsen und ein paar Wunderkerzen dabei“, sagt Karl Tanneberg. Er ist mit seiner Familie zum neuen Party-Treffpunkt Drehbrückenplatz gekommen. Dieser zeigt sich unerwartet verwaist. Party-Hotspot Drehbrückenplatz ist am Abend so gut wie verwaist: „Wir sind Anwohner, und im vergangenen Jahr zu Silvester war hier ab 22 Uhr schon die beste Stimmung. Daher bin ich angenehm überrascht, dass sich wohl so viele an diesem Tag an die Regeln halten“, merkt er an. Auch aus der Polizei-Leitstelle heißt es zu diesem Zeitpunkt in einer ersten Zwischenbilanz „Sehr ruhige Gesamtlage – nur vereinzelt ein paar Böller“. Über viel Betrieb dagegen freuen sich an diesem Abend die Lieferdienste. „Die Leute bleiben zu Hause; wir haben entsprechend viel zu tun“, kommentiert ein Mitarbeiter des Grill-Hauses am Zob, das bis um ein Uhr nachts Speisen ausfährt. Lesen Sie auch Toter in Lübeck: Polizei fasst Verdächtigen - Opfer starb durch drei Schüsse Lübeck: Neue Halteverbote an der Marquardstraße - wegen Feuerwehr Corona in Lübeck: Jetzt 20 Menschen verstorben - Zahlen vom 31.12.20 Als es dann Punkt Null Uhr ist, wird das Jahr begrüßt – je nach Stadtteil in unterschiedlicher Lautstärke und Farbenintensität. Der eine oder andere wundert sich unterdessen, wie viele Knallkörper noch vom letzten Jahreswechsel übrig geblieben sein müssen. Bereits am Nachmittag erinnerte im Silvester-Gottesdienst aus St. Marien Pröpstin Petra Kallies per Radio-Livestream an die Jahreslosung für 2021: „Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ Entsprechend lautete dann ihr Appell mit Rückblick auf das Corona-Jahr 2020 – „wir brauchen keine Schuldigen, wir brauchen Lösungen“, so die Geistliche. Und durch den Impfstoff könne man nun hoffnungsvoll ins Jahr starten, mit der Perspektive, dass sich im Sommer vieles wieder für uns normalisiert habe. Ganz Schleswig-Holstein startet ruhig ins neue Jahr: Landesweit sind die Menschen in Schleswig-Holstein bedächtig ins neue Jahr 2021 gerutscht. Wegen der Corona-Pandemie sei es für den Rettungsdienst, für die Polizei und die Feuerwehr zu Silvester nicht zu mehr Einsätzen gekommen, hieß es vom Lagezentrum. Die Feuerwehren im Land selbst spreche von der ruhigsten Silvesternacht "seit ewigen Zeiten". Nach Auswertung der ersten Berichte der Leitstellen im Lande mit Stand 6 Uhr wurden im ganzen Land rund 67 Feuerwehreinsätze gezählt. Zum Vergleich: Im Vorjahr lag die Zahl bei rund 300. Die Freiwilligen Feuerwehren Berkenthin und Kastorf hatten an Silvester mit zwei Feuern zu kämpfen. Unter anderem stand ein bewohnter Bauwagen in Kählstorf in Flammen. Gleich acht Minuten nach dem Rutsch ins neue Jahr sei die Kieler Feuerwehr alarmiert worden, berichtete ein Sprecher. Demnach brannte ein Dachstuhl am Ostufer. Ob das Feuer etwas mit Silvester zu tun habe, sei zunächst unklar gewesen. Insgesamt hätten die Einsatzkräfte gut zu tun gehabt, wie es von der zuständigen Regional-Leitstelle hieß. Nennenswerte Verstöße gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus gab es demnach nicht. Mann aus Lauenburg sprengt sich Hand weg: Weil er sich mit einem Böller die Hand weggesprengt hatte, wurde ein 37 Jahre alter Mann aus Lauenburg (Kreis Herzogtum Lauenburg) Behördenangaben zufolge in ein Hamburger Krankenhaus gebracht. In einem Altenheim in Flensburg suchte die Feuerwehr nach eigenen Informationen vergeblich nach einem Feuer, nachdem ein Brandmelder womöglich falsch ausgelöst hatte. Wegen der Reetdachhäuser ist auf den Inseln wie Sylt oder im Nordseebad St. Peter-Ording das Feuerwerk aus Brandschutzgründen jedes Jahr verboten. Doch dieses Mal wurden auch die professionellen öffentlichen Feuerwerke am Hörnumer Hafen (Sylt) und am Strand von St. Peter-Ording abgesagt. Zwar galt das Verkaufsverbot für Pyrotechnik bundesweit, im Norden wurde die Nutzung von Feuerwerk nach Behördenangaben aber unterschiedlich gehandhabt. Demnach galt im Stadtstaat Hamburg ein generelles Böllerverbot - während in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern das Abbrennen von Feuerwerk unter bestimmten Bedingungen möglich war. Von Michael Hollinde und Thomas Paterjey/RND