Lübeck: So werden Textilgeschäfte ihre Winterware los

Der Winterschlussverkauf fiel durch den Lockdown mehr oder minder aus, gerade in trendabhängigen Branchen wie Bekleidung ein Thema. Die Lager sind noch voll, zugleich trifft die neue Ware ein, die bezahlt werden muss. Und wer kauft im herannahenden Frühling noch dicke Pullover der Winterkollektion 2020, wenn gleichzeitig die neuen Styles in den Schaufenstern zu sehen sind? Hohe Warenbestände, mehr Steuern: Neben fehlenden Einnahmen gebe es für viele Einzelhändler noch ein zusätzliches Problem, erklärt Olivia Kempke, Geschäftsführerin des Lübeck Managements: „Durch die hohen Warenbestände entstehen bei vielen Jahresabschlüssen der Händler große Vermögenswerte, die versteuert werden müssen.“ Kempke sieht hier „einen dringenden Bedarf an politischen Entscheidungen, um den Unternehmern unter die Arme zu greifen“. Letzte Rabatt-Aktionen und neue Ware: „Es ist eine Herausforderung“, sagt Iris Beneke, Geschäftsleiterin von Heick & Schmaltz in den Salzspeichern, zur derzeitigen Situation. Klar habe sie in dem Geschäft mit 1900 Quadratmetern Verkaufsfläche noch mehr Winterware im Bestand als in den Vorjahren, „zumal schon ab Mitte November eine gewisse Kauf-Zurückhaltung bei den Kunden zu spüren war“. Über den Online-Shop der Henschel-Zentrale, erreichbar über heick-schmaltz.de werde noch einiges verkauft, ebenso über „Click & Collect“. Man stelle gerade die Winterware zusammen für letzte Rabatt-Aktionen, parallel würden die neuen Kollektionen im Laden eintrudeln und müssten dekoriert werden. Improvisation und Kreativität gefragt: Ein Großteil der Mitarbeiter von Heick & Schmaltz sei in Kurzarbeit. „Wir sind mit einem kleinen Team im Laden“, sagt Iris Beneke. Und diese Truppe gestaltet den Verkauf über „Click & Collect“ offenbar kreativ und innovativ: „Unsere Kunden rufen uns an, wir führen sie bei Bedarf via Facetime durch den Laden, damit sie sich etwas aussuchen können“, erklärt die Geschäftsleiterin. Aber auch nicht-digital improvisiere man im Lockdown: Nach telefonischer Absprache hätten sie und ihre Kolleginnen bereits im Schaufenster gestanden und den draußen stehenden Kundinnen Kleidungsstücke oder Kombinationen vorgeführt. Petition für innerstädtischen Fachhandel: Auch wenn man sich so über Wasser halte: „Wir hoffen, dass wir im März wieder öffnen dürfen“, sagt Iris Beneke, die auf die Petition #StadtHerz Leben des Handelsverbandes Textil aufmerksam macht: „Für die Aktion werden unbedingt noch Unterschriften benötigt, damit die Initiatoren die Petition offiziell in Berlin vortragen können. Es geht dabei um den Erhalt des innerstädtischen Fachhandels.“ Karstadt dürfte keinen Schlussverkauf vermissen: Während viele ihre Probleme mit der Winterware haben, dürfte das für Karstadt kein Thema sein, hatte doch das Kaufhaus bereits vor dem Lockdown einen großen Ausverkauf gemacht und die Lager geräumt, weil die Schließung beschlossene Sache zu sein schien, bis am 4. Dezember die frohe Kunde kam: Karstadt Lübeck bleibt erhalten! Aus der Konzernzentrale in Essen war diese Woche keine Stellungnahme zum Thema „Winterware“ zu erhalten. „Click & Collect“: Nicht für alle ein Rettungsanker: Doch von Essen zurück nach Lübeck: „Click & Collect“ sei auf der Website des Lübeck Managements stark nachgefragt, sagt Olivia Kempke, von kleineren Geschäften höre sie: „Das hält mich ein bisschen über Wasser.“ Viele machten es vor allem, um Flagge zu zeigen. Ältere Kunden wollen Beratung im Geschäft: So ist es wohl auch bei Birgit Stieper, Inhaberin des kleinen Damen-Oberbekleidungsgeschäftes „Wollywood“ in der oberen Dr.-Julius-Leber-Straße. Sie sei nur auf Anfrage im Laden, denn die Nachfrage im Rahmen von „Click & Collect“ sei nicht groß. „Wir haben viele ältere Kunden, die Wert auf die persönliche Beratung im Laden legen.“ Da sei der Winterschlussverkauf mehr oder minder ausgefallen. Ihr Glück: Sie müsse nicht viel Ware auf einmal ordern. Dennoch seien einige Sachen der neuen Kollektion eingetroffen: „Der Laden ist schon voll.“ Veränderung: „Und das ist gut so“: Vor allem der zweite, nur fünf Wörter lange Satz dürfte seit Corona wohl mehr als selten sein: „Unser Unternehmen wird Ende 2021 ein anderes sein. Und das ist gut so.“ Gesagt hat das Mark Greven, der mit seiner Frau Katinka das Familienunternehmen Meissner Mode führt. Denn während sich andernorts die Winterware stapelt und die Frühjahrs- und Sommerkollektionen bezahlt werden müssen, läuft es bei dem Modegeschäft in der Hafenstraße richtig gut. Online-Verkauf und kreative Aktion: „Click & Collect“, das viele Stammkunden nutzen, ist dabei nur ein Standbein. Vor allem haben Mark und Katinka Greven die Lockdown-Zeiten genutzt, um ihren bereits bestehenden Online-Shop weiter auszubauen. „Unser Winterwarenlager ist dank unserer Online-Verkäufe und unserer ,Wundertüten‘ kleiner als in den letzten Jahren“, sagt Mark Greven. Die Tüten gab es in der ersten Februar-Hälfte, wahlweise für 60 Euro mit einem Warenwert von mindestens 150 Euro oder für 150 Euro mit einem Warenwert von 350 Euro. Die Kunden konnten bei Bestellung der „Wundertüten“ natürlich ihre Konfektionsgröße ebenso angeben wie ungeliebte Farben, Muster oder Labels. Es habe viele positive Rückmeldungen gegeben, versichert Greven. Team ist gut beschäftigt: Auch wenn Meissner Mode aktuell überwiegend telefonisch oder über die sozialen Medien mit seinen Kunden kommuniziert: Ein sechsköpfiges Team sei montags bis sonnabends von 9.30 bis 18.30 Uhr im Store, sagt der Chef. Denn es gibt viel zu tun: „Wir beraten telefonisch und per Mail, nehmen Bestellungen auf, stellen Auswahlsendungen zusammen und führen durch unseren Online-Shop“, erklärt Greven. Dazu werden täglich 150 bis 200 Päckchen oder Pakete für den Versand gepackt. Lesen Sie auch Corona-Ausbrüche: Gesundheitsamt Lübeck mahnt Hygiene in Pflegeheimen an Lübeck: Prozess um Messerattacke am Katzenberg Corona: Lübeck bietet Fahrdienst zum Impfzentrum MuK für über 80-Jährige Statt Kurzarbeit zwei neue Mitarbeiter ab März: Zeit braucht aber auch die Pflege des Online-Shops: Die neuen Kollektionen werden im hauseigenen Fotostudio fast täglich fotografiert, das Team schreibt Texte und stellt die neuen Styles online. Ab März kämen zwei neue Kollegen für den Online-Shop hinzu. Grevens Fazit: „Durch Corona sind wir als Team zusammengewachsen und haben Fähigkeiten der einzelnen Teammitglieder entdeckt.“ Zudem habe der Lockdown einige Prozesse beschleunigt. Greven: „Wir haben Themen aus der ,Man-müsste-mal-Schublade‘ geholt und angepackt.“ Dennoch gilt auch für Meissner Mode: „Uns fehlt der persönliche Austausch mit unseren Kunden, bei dem man auch einmal über dies und das plaudert.“ Von Sabine Risch