Lübeck: Tagesgruppe für Kinder muss schließen, weil Stadt Finazierung streicht

Ein Transparent macht es für alle sichtbar: Ende des Jahres schließt eine kleine Tagesgruppe in Buntekuh, weil der Vertrag vom städtischen Jugendamt nicht verlängert wurde. Ob das gerade in der Corona-Krise, in der Familien auf Hilfen angewiesen sind, eine kluge Entscheidung ist, darüber gibt sehr widersprüchliche Darstellungen. Das Angebot der Awo in Buntekuh richtet sich an Familien mit Kindern von sechs bis 14 Jahren überwiegend aus den Stadtteilen Buntekuh, Moisling, St. Lorenz Süd und St. Lorenz Nord. Die Tagesgruppe soll die Erziehungsbedingungen in den Familien verbessern, die Beziehungsfähigkeit der Kinder fördern, die emotionalen, kognitiven und sozialen Kompetenzen der Kinder entwickeln, den Kindern bei der Bewältigung von Schulproblemen helfen sowie therapeutische Leistungen vermitteln. Für Familienhilfen gibt die Stadt aktuell 40,45 Millionen Euro im Jahr aus. Aus Sicht der Arbeiterwohlfahrt (Awo), die die Einrichtung für Schulkinder zwischen sechs und 14 Jahren seit 1998 in dem Einfamilienhaus in der Moislinger Allee betreibt, ist die Entscheidung falsch. „Die Stadt sollte aus unserer Sicht gerade in Zeiten von Corona keine Tagesgruppe schließen“, erklärt Kathrin Mansfeld, Sprecherin des Awo-Landesverbands, auf LN-Anfrage. Die Tagesgruppe richte sich an Familien, die eine intensive Hilfe bei der Erziehung ihrer Kinder brauchen. Tagesgruppen gerade während Corona wichtig: „Zu Beginn der Pandemie haben die Tagesgruppen, da die Schulen geschlossen waren, in zwei Schichten gearbeitet, um möglichst angemessen und unter Beachtung der Hygieneregeln die Betreuung aufrechtzuerhalten“, berichtet Mansfeld. Corona verstärke die Belastung der Familien in einem noch nicht einzuschätzenden Ausmaß. Viele Eltern seien mit den Belastungen und Problemen überfordert und auf Hilfe angewiesen. Die Awo-Sprecherin: „Wir hatten dem Jugendamt eine Platzreduzierung von neun auf sechs Plätze angeboten, um dann im nächsten Jahr im Rahmen einer fundierten Jugendhilfeplanung eine Entscheidung über den Bedarf dieses Angebotes herbeizuführen.“ Das habe das Jugendamt abgelehnt und den Vertrag am 30. September gekündigt. Mansfeld: „Das bedauern wir außerordentlich.“ Stadt: Es gibt keinen Bedarf mehr: Die Darstellung der Stadtverwaltung liest sich ganz anders. „Die Tagesgruppen haben einjährige Verträge, die sich jeweils um ein weiteres Jahr verlängern, so sie nicht fristgemäß gekündigt werden“, sagt Stadtsprecherin Nicole Dorel. „Für die Tagesgruppe Buntekuh haben wir im September mit Wirkung zum Jahresende im Einvernehmen mit dem Träger, der Awo, die Kündigung ausgesprochen.“ Grund seien nicht fehlende Gelder, sondern fehlender Bedarf. Dorel: „Die Tagesgruppe verfügte über neun Plätze. Im Januar 2021 hätten wir allerdings nur noch einen Hilfefall dort gehabt.“ Grüne kritisieren Schließung: Bei den Grünen stieß die angekündigte Schließung der Tagesgruppe auf Verwunderung. Simone Stojan, Kreisvorsitzende und Jugendpolitikerin der Grünen: „2019 war ein erhöhter Bedarf an Plätzen festgestellt und daraufhin eine zusätzliche Tagesgruppe eröffnet worden. Dazu passt die jetzige Schließung nicht, erst recht nicht, dass die Familien erst im November darüber informiert wurden.“ Lesen Sie auch: Wegen Corona: Keine Eisbahn auf dem Lübecker Markt ab Januar Lübeck: Kulturschaffende und Gastronomen demonstrieren in Lübeck Lübeck-Hamburg: Ab Sonntag Halbstundentakt auch am Wochenende Die Grünen beantragten im Hauptausschuss der Bürgerschaft, dass der Lübecker Jugendhilfe 500 000 Euro zusätzlich bereitgestellt würden. Aber die GroKo aus SPD und CDU lehnte es ab, diesen Antrag zu behandeln. „Die Verwaltung hatte uns in einer Sitzung des Jugendhilfeausschusses dargestellt, dass die Nachfrage für die Gruppe zu gering ist“, sagt die CDU-Jugendpolitikerin Dagmar Hildebrand. Es gehe nicht um Einsparungen, es fehle auch nicht an Geld. „Die Kinder sind woanders untergebracht“, sagt Hildebrand. Kinder werden woanders untergebracht: Das bestätigt die Awo. „Am 11. November fand ein Gespräch mit den Eltern, dem Jugendamt und der Tagesgruppe statt, in dem die Entscheidung des Jugendamtes bekannt gegeben wurde und über die Perspektiven gesprochen wurde“, berichtet Awo-Sprecherin Mansfeld. Die Betreuung von drei Kindern laufe am Jahresende aus. Für drei weitere Kinder sollen Anschlussmaßnahmen stattfinden. Den fünf Beschäftigten der Tagesgruppe seien andere Arbeitsplätze bei der Awo angeboten worden. Das Geld, das jetzt nicht für die Tagesgruppe benötigt wird, wird innerhalb des Jugendamtes umgeschichtet. „Wir stellen entsprechende Bedarfe bei Familienhebammen fest, sodass wir diese in 2021 aufstocken“, sagt die Stadtsprecherin. Von Kai Dordowsky