Lübeck: Tourismus-Zahlen brechen ein

Es geht rapide bergab: Ein Minus von fast 25 Prozent – das ist die Bilanz 2020 bei den Übernachtungen in der Hansestadt. Das erste Mal seit 19 Jahren sinken damit die Touristen-Zahlen in Lübeck und Travemünde. Der Grund: die Corona-Pandemie. Im März und April gab es ein Touristen-Verbot in Schleswig-Holstein. Hotels mussten schließen. Und auch seit November sind sie wieder zu. Lübeck mit 1,5 Millionen Übernachtungen: 2020 beträgt die Zahl der Übernachtungen 1,5 Millionen. Das ist die Prognose des Lübeck und Travemünde Marketings (LTM). Dabei sind die Zahlen von Oktober bis Dezember geschätzt. Das sind eine halbe Million Übernachtungen weniger als im Vorjahr – ein Minus von 24,4 Prozent. Der Vergleich: 2019 zählte die Hansestadt exakt 2 046 672 Übernachtungen. Das ist bisherige Rekordergebnis. Ambivalent ist das Tourismus-Ergebnis von 2020: „Auch wenn ein Minus von 25 Prozent nach einem ,blauen Auge‘ klingt, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einzelne Betriebe deutlich härter getroffen hat“, sagt Tourismus-Chef Christian Martin Lukas. Dadurch, dass keine Gäste kommen durften und durch extra Hygiene-Regeln, zusätzliche Werbung und das Hoch- und Runterfahren des Betriebes. Viele Touristen im Januar und Februar: Bitter: Der Start ins Tourismus-Jahr 2020 war super. Plus elf Prozent bei den Übernachtungen und sogar plus 24 Prozent im Februar. Traditionell gehören beide Monaten zu den schwächsten des Jahres. Aber insbesondere die neue Ferienanlage BeachBay auf dem Priwall in Travemünde hat Gäste angelockt. Keine Gäste im April: Im März kam der rapide Einbruch: minus 46,1 Prozent bei den Übernachtungen. Und im April dann das deprimierende Ergebnis: minus 90,2 Prozent. Geschuldet dem Lockdown. „Da blutet nicht nur dem Touristiker das Herz“, so Lukas. Betroffen waren auch Kultureinrichtungen, Restaurants und Geschäfte. Positiv: Langsam aufwärts ging es ab Mai und Juni. Im Juli hat die Hansestadt sogar fast die Vorjahreszahlen erreicht – nur ein Mini-Minus von 0,7 Prozent bei den Übernachtungen. Sommer-Ansturm auf Travemünde: Im August und September war die Reiselust so groß, und die ausländischen Reiseziele waren wegen der Pandemie so rar gesät, dass es einen massiven Besucher-Ansturm gab. Die Hansestadt verzeichnete im August ein Plus von 14 Prozent bei den Übernachtungen. Vor allem Travemünde trug zu dem Ergebnis bei mit 29,1 Prozent Plus. Der September lief sogar noch besser: Die Hansestadt verzeichnete 21,7 Prozent Plus bei den Übernachtungen. Wieder ist Travemünde der Renner mit einem Plus von 37,4 Prozent. Lesen Sie auch Lübeck: Tourismus-Konzept 2030 vorgestellt Kommentar: Lübeck Touristen - aber mit Qualität Lübecks Top-Tourismus-Bilanz: Das sind die wichtigsten Zahlen Lübeck ohne Weihnachtsmarkt: Nach unten dürften die Übernachtungen ab Oktober gehen. Da liegen die Zahlen noch nicht vor. Doch seit November haben die Hotels wieder geschlossen wegen des zweiten Lockdowns. Und vor allem: In Lübeck gibt es keinen Weihnachtsmarkt. Der lockt sonst jährlich zwei Millionen Besucher an. Kampagne: Eine Stadt voller Komplimente: Sehr erfolgreiche Kampagne: Für gute Stimmung hat die Komplimente-Werkstatt der LTM gesorgt. Mehr als 3500 Komplimente wurden bereits in der Hansestadt gemacht über den Komplimente-Generator auf komplimentewerkstatt.de. Beispielsweise: Du bist der Zimt auf meinem Milchreis. Damit hat die LTM den Nerv der Zeit getroffen, da in der Pandemie immer weniger zwischenmenschliche Begegnung möglich ist. Lübecks Komplimente im Fernsehen: Mit der warmherzigen Kampagne hat es Lübeck in die überregionalen Medien wie ins Magazin „Der Stern“ geschafft. Den lübschen Komplimenten wird eine ganzseitige Kolumne gewidmet unter dem Titel „Sie sind ein toller Leser!“ Das Fernsehen hat sich ebenfalls fürs Komplimente-Machen in Lübeck interessiert wie NDR, RTL und Sat1. „Die Leute glücklich machen in einer Zeit, in der es sehr vieles gibt, dass die Hoffnung nimmt“, beschreibt Lukas die Aktion. Gestartet ist die Kampagne am 12. Juni – und eigentlich sollte die Komplimente-Werkstatt im Herbst enden. Aber sie läuft auch über Weihnachten. Wer noch Bedarf an schönen Worten hat, kann sie im Komplimente-Garten vor dem Holstentor anhören – noch bis zum 2. Januar. Zuschuss aus der Stadtkasse: Finanziell schlägt das Corona-Jahr bei der LTM ebenfalls durch. Die städtische Gesellschaft erhält einen jährlichen Zuschuss von der Stadt von 2,4 Millionen Euro. In diesem Jahr muss die Stadtkasse drei Millionen Euro zuschießen. Das liegt vor allem am abgesagten Weihnachtsmarkt sowie geringeren Buchungen und ausgefallenen Veranstaltungen. Die LTM beschäftigt 37 Mitarbeiter, davon mussten zehn Leute für jeweils acht Wochen in Kurzarbeit. Werden kleinere Hotels schließen? Wie sich das Corona-Jahr auf die Tourismus-Branche auswirkt, ist noch nicht absehbar. Sie ist einer der größten Wirtschaftsfaktoren in der Hansestadt. So werden durch den Tourismus 770 Millionen Euro Umsatz im Jahr gemacht. Das hat 2019 eine Studie des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts ergeben. Allerdings werde sich die Tourismus-Branche verändern. „Insbesondere bei Ferienwohnungen gibt es einen Investitionsstau“, sagt Lukas. Das führe dazu, dass sich einige Betreiber von der Vermietung verabschieden. Und: „Bei kleinere Pensionen und Hotels habe ich große Sorge, dass es zu Schließungen kommen wird.“ Von Josephine von Zastrow