Lübeck: Umbau von Theaterfigurenmuseum und -Theater am Kolk mit Hindernissen

Seit 2019 werden die mittelalterlichen Gebäude am Kolk 14-22, die das Figurentheater und das Theaterfigurenmuseum beherbergten, erneuert. Die Arbeiten laufen in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege und werden mit Mitteln der Possehl-Stiftung finanziert. Die Pläne stammen vom Architekturbüro Konermann + Siegmund. Seit Januar wird das Eckgebäude Kolk 18/Kleine Petersgrube abgerissen – von Hand und mit aller Vorsicht. Bauschutt wird gar nicht erst abgelegt: Wo sonst Bagger kräftig an Gebäuden knabbern, sind hier Bauarbeiter der Hamburger Firma Wiwa mit Bohrern zugange. Dach und oberste Etage sind bereits abgetragen, jetzt stehen sie auf einer Etagendecke und arbeiten sich Stück für Stück vor. Ab und an schwenkt ein Kran seinen Arm auf das „Flachdach“, um abgetragene Steine und Schutt nach unten zu transportieren. „Sie werden gar nicht erst hier oben abgelegt“, sagt Charlotta Becker, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Theaterfigurenmuseums. Alle Erschütterungen werden registriert: Es ist eine wackelige Angelegenheit, dabei ist das Gebäude das jüngste in der Reihe: Es stammt aus den 1930 bis 1940er Jahren und wurde mit minderwertigen Materialien gebaut. Wegen der benachbarten denkmalgeschützten Häuser und weil das schmale Haus Kolk 16 keine wirklich eigenständige Außenwand hat und sich Wandmalereien im Gebäude befinden, wurden in der gesamten Umgebung Erschütterungsmessgeräte eingebaut. „Ab einer Schwingung von 2,5 Millimetern bekommen ich eine SMS aufs Handy“, sagt Architekt Ingo Siegmund. Einmal habe es bereits Alarm gegeben: „Da ist jemandem ein Balken runtergefallen“, erzählt er. Theaterchef steht auf künftiger Bühne: Noch ist alles im Lot, und während die Bauarbeiter Mittagspause machen, dürfen Museumsdirektorin Dr. Antonia Napp, Figurentheater-Direktor Stephan Schlafke und Architekt Siegmund auf die „Dachterrasse“ des Abrisshauses. „Ich stehe hier auf der künftigen Bühne“, sagt Schlafke, denn wenn das alte Haus abgerissen und der Neubau fertig ist, zieht hier das Figurentheater ein. Wunderschön und nur während der voraussichtlich noch bis März dauernden Abrissphase möglich: der freie Blick auf St. Petri. Viele Ziegel ausgetauscht: Unten, wieder im Kolk angekommen, herrscht dichte Enge zwischen den Gebäuden, den Mini-Baugruben, in denen die Archäologen arbeiten, Arbeitsmaterialien und Werkzeugen für die Bauarbeiter und der Mauer des Petri-Kirchhofes. Von allen Seiten ist der Zugang zur Großbaustelle versperrt, doch von der Pagönnienstraße kann man einen Blick auf die Rückwand des Hauses Kolk 14 erhaschen. Was auffällt: Neben altem Mauerwerk befinden sich unzählige neue Steine in der Wand. „Seit 2019 sind wir mit dem Steinaustausch beschäftigt“, sagt Museumsdirektorin Antonia Napp. Im Herbst 2017 hatte das Büro Konermann und Siegmund Architekten den ersten Preis beim Realisierungswettbewerb „Räume für Theaterfiguren“ gewonnen. Den Wettbewerb hatte die Possehl-Stiftung als Eigentümerin und Gesellschafterin des Museums und des Theaters im Sommer ausgelobt. Doch ihren Entwurf mussten die Architekten noch einmal überarbeiten, bevor er knapp zwei Jahre später auch von Gestaltungs- und Welterbebeirat gebilligt wurde. Ende 2019 begannen die Arbeiten im Kolk. Die Possehl-Stiftung investiert in Neu- und Umbau am Kolk einen Betrag im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. Fertig sein sollen das neue Museum und das neue Theater im Jahr 2023. Schäden wurden erst nach Freilegung sichtbar: „Wir wussten, dass es bergab geht und dass im Gebäude ein Knick ist“, sagt Napp. „Aber das ganze Ausmaß der Schäden konnten wir erst bei Rückbau und Freilegung feststellen.“ Zuvor sei immer nur etwas vor die Mauern gebaut worden, eine Sanierung aus den 1970er Jahren sei wenig hilfreich gewesen. Charlotta Becker spricht von „Abgründen“, die sich teilweise aufgetan hätten: Mauern seien überhaupt nicht miteinander verzahnt gewesen und hätten eine Gefahr für die Standsicherheit dargestellt. Antonia Napp: „Aber wir sind froh, dass wir das nun alles machen können.“ Kolk 14 wird gemeinsames Eingangsgebäude: Die Fassade des Hauses Kolk 14, das – heute noch sichtbar – eine Garage beherbergte, wird so zurückgebaut, dass sie dem Original möglichst nahe kommt. Künftig wird es den gemeinsamen Eingang und den Ticketverkauf für Museum und Theater beherbergen sowie eine Art Forum. „Die 14 nutzen wir gemeinsam, wer weitere Ausstellungsräume sehen möchte, muss in den Kolk 20/22“, sagt Antonia Napp. Tunnel zwischen Gebäuden wurde „beerdigt“: Genau da tut sich ein neuer Abgrund auf, denn eigentlich war eine Tunnelverbindung zwischen Theater und Museum geplant – die wird nun doch nicht realisiert, ebenso wie die Gebäude nicht tiefer gebaut werden als bisher. Grund ist die Bodenbeschaffenheit: „Wir haben hier so ziemlich den schlechtesten Boden Lübecks“, sagt Architekt Siegmund, „es gibt hohe Bodenaufschüttungen und darunter moorigen Boden.“ Dazu engsten Raum, auf dem ohnehin schon Pfähle gesetzt werden müssen, damit die Gebäude am Kolk nicht absinken. Ein Haus im Haus für Nr. 20/22: Wer also nach dem Umbau vom Kolk 14-18 ins Theaterfigurenmuseum Kolk 20/22 möchte, muss einmal vor die Tür und ein paar Schritte gehen. Vom Gebäude, das bisher das Theater beherbergte und künftig Museum wird, bleibt nur die Außenhaut stehen, denn die ist denkmalgeschützt. „Dahinter bauen wir ein Haus im Haus“, erklärt Siegmund, „der Aufgang läuft zwischen der alten Fassade und dem neuen Haus entlang“. Lesen Sie auch Lübeck: Archäologen entdecken ältestes Backsteinhaus der Hansestadt Lübeck: Hubbrücken-Sanierung: Forderung nach extra Brücke für Fußgänger Super-Noten für Lübecks Innenstadt: Das sagen Bürger und Experten Bis es soweit ist, vergeht noch einige Zeit. Laut Charlotta Becker werden Museum und Theater voraussichtlich 2023 fertig sein. „Wir hoffen, dass wir bis dahin nicht noch mehr überrascht werden.“ Von Sabine Risch