Lübeck: Uni-Forscherin kämpft für Belange der Muskelkranken

Jeanette Erdmann ist sehr erleichtert, dass endlich die Corona-Impfverordnung nachgebessert worden ist. So sind nunmehr chronisch kranke, zu Hause lebende und gepflegte Muskelkranke in der Verordnung höher eingestuft und können sich mit einem ärztlichen Attest mit dem örtlichen Impfzentrum in Verbindung setzen. Seit über einem Jahr ist die Humangenetikerin von der Lübecker Uni die 1. Vorsitzende des Landesverbandes Schleswig-Holstein der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke, DGM abgekürzt. Und das hat mit ihrer persönlichen Geschichte zu tun. „Denn ich bin seit der Geburt selbst an der Kollagen-VI-Myopathie erkrankt. Sie hat im Verhältnis gesehen einen recht gutartigen Verlauf “, erklärt sie. Briefe und Aufrufe der Selbsthilfeorganisation haben Wirkung gezeigt: „Wir, die Muskelkranken, die ja teils beatmet werden und somit ein sehr großes Sterberisiko an Covid-19 haben, leben nun teils schon seit elf Monaten isoliert. Deshalb war es dringend geboten, diesbezüglich die Impfpriorisierung zu modifizieren“, betont die Wissenschaftlerin. Man habe den Eindruck, dass die Briefe und Aufrufe der DGM die Entscheidungsträger mit Argumenten überzeugen konnten. Lesen Sie auch So viele Kinder in Lübeck haben sich mit Corona angesteckt - Studie Winterdienst auf Radwegen: Lübeck testet neues Verfahren Lübeck: Steigende Temperaturen sorgen für Lebensgefahr auf Seen In ihrer Funktion als Landesvorsitzende möchte Erdmann einerseits Betroffenen durch das Schaffen von mehr Unterstützungsangeboten helfen, andererseits aber auch auf die Situation von Muskelkranken aufmerksam machen. „Wir brauchen in der Öffentlichkeit mehr Bewusstsein für das Krankheitsbild, von dem es circa 800 verschiedene Formen gibt“, sagt die Professorin, die auf dem Uni-Campus das Institut für Kardiogenetik leitet. Rund 220 Muskelkranke in der Hansestadt: In Lübeck wird sie in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit für die DGM, die in Schleswig-Holstein 320 Mitglieder hat, von Erika Bade unterstützt. Die Seniorin engagiert sich seit mittlerweile gut vier Jahrzehnten für die Selbsthilfeorganisation und wurde deshalb bereits mit der Bundesverdienstmedaille ausgezeichnet. „Jetzt wird es allerdings langsam Zeit, hier mal den Staffelstab zu übergeben“, sagt die 81-Jährige. Sie hofft, dass sich in nächster Zeit jemand findet, der zukünftig als kontinuierlicher Ansprechpartner für die rund 220 Betroffenen im Stadtgebiet zur Verfügung steht. „Im Moment haben wir in der DGM leider das Problem, dass uns der Nachwuchs fehlt“, sagt Jeanette Erdmann, „wir haben Schwierigkeiten, bestimmte Positionen nachzubesetzen.“ Man könne mit seiner Tätigkeit den Betroffenen eine Stimme geben und ihnen zur Seite stehen. „Das ist sehr erfüllend, und man bekommt sehr viel Dankbarkeit zurück“, wirbt sie für diese Aufgabe. Interessenten können sich per E-Mail unter jeanette.erdmann@uni-luebeck.de melden. Von Michael Hollinde