Lübeck: Volle Busse in Corona-Zeiten

Der Weg zur Schule bedeutet für ihn besonders eines: Stress. „Es ist total voll, schon wenn ich einsteige“, sagt Ferdinand Klimaschka, der in die sechste Klasse der Ernestinenschule in Lübeck geht. „Letztens wollte ich Platz machen für einen Rollstuhlfahrer, aber es war kaum möglich. Als der Busfahrer gesagt hat, man solle weiter durchgehen, hat ein Mann neben mir laut und aggressiv den Fahrer angeschrien, weil er Angst hatte, sich mit Corona anzustecken“, sagt der Zwölfjährige. Seine Mutter ist entsetzt. „Mein Sohn war fertig, sauer und traurig, als er nach Hause kam – das ist doch nicht normal“, sagt Sonja Klimaschka. Stadtverkehr Lübeck: Situation in Bussen verschärft sich im Herbst: Normal ist es nicht – aber es sind auch keine normalen Zeiten. Das Thema der vollen Schulbusse während des Corona-Herbstes und die Ängste von Eltern vor einer Ansteckung waren am Donnerstag auch Thema im schleswig-holsteinischen Landtag. Der SPD-Vorschlag, mehr Busse für Schüler im Land einzusetzen, wurde von der Landesregierung abgeschmettert – zu teuer, nicht möglich. Auch in der Hansestadt gibt es Diskussionen um die Situation von Schülern im Bus während der Corona-Pandemie. „Jetzt in den Wintermonaten wird sich die Situation verstärken, wenn aufgrund schlechter Wetterbedingungen noch mehr Schüler und auch Arbeitnehmer auf den Bus umsteigen, die bis jetzt vielleicht mit dem Fahrrad gefahren sind“, sagt Gerlinde Zielke vom Lübecker Stadtverkehr. Abstand halten im Bus nicht möglich – und nicht vorgeschrieben: Zielke beteuert, dass es nicht möglich sei, in Bussen einen Abstand von 1,5 Metern einzuhalten. „Es liegt in der Natur der Sache, dass in einem öffentlichen Verkehrsmittel, in dem der Raum begrenzt ist, der Abstand nicht eingehalten werden kann“, sagt Zielke, und: „Es ist auch nicht vorgeschrieben. Der Öffentliche Personennahverkehr ist von den geltenden Abstandsregelungen ausgenommen“, sagt Zielke und verweist auf die geltende Landesverordnung. „Wir können die Sorge der Eltern und der Fahrgäste verstehen – wir müssen aber alle, soweit es geht, in gegenseitiger Verantwortung mit der vorgegebenen Situationen umgehen“, sagt Zielke. „Insofern bleibt weiterhin der Appell, die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Bus penibel zu befolgen.“ Kein Geld für mehr Busse: Stadtverkehr fordert flexiblen Schulanfang: Der Stadtverkehr habe schon auf die Corona-Pandemie reagiert und mehr Busse in Stoßzeiten eingesetzt. „Dennoch bleibt es natürlich nicht aus, dass insbesondere in der Zeit zwischen sieben und acht Uhr besonders viele Schüler unterwegs sind und der Bus voll ist“, sagt Zielke, aber: „Eine Ausweitung der Anzahl von Fahrzeugen in der Form, dass ein für andere Bereiche vorgeschriebener Abstand zwischen den Fahrgästen gewährleistet ist, ist für alle Verkehrsunternehmen – nicht nur den Stadtverkehr – nicht möglich. Die Fahrzeuge und auch das Personal hierfür sind nicht vorhanden.“ Laut Zielke würden sich die meisten Fahrgäste an die geltenden Regeln halten. Dennoch fordert sie von der Stadt, die Schulanfangszeiten zu entzerren und so die Busse in den Stoßzeiten zu entlasten. „Wir haben vor längerer Zeit Kontakt zu den Schulbehörden aufgenommen. Eine Lösung des Problems kann nur gemeinsam mit den Schulen erfolgen. Hier ist eine zwischen den Schulen abgestimmte Entzerrung der Schulanfangszeiten notwendig.“ Eine diesbezügliche LN-Anfrage blieb von der Hansestadt am Freitag unbeantwortet. „Das grenzt doch schon an Körperverletzung“: Für Sonja Klimaschka ist das sehr unbefriedigend. „Es kann doch nicht so schwer sein, mehr Busse einzusetzen“, schimpft sie. „Was ist, wenn mein Kind sich im Bus ansteckt und dann das Virus an seine Großeltern weitergibt – das grenzt doch schon an Körperverletzung“, sagt die 47-Jährige. „Ich erwarte von der Stadt und dem Stadtverkehr, dass etwas unternommen wird!“ Lesen Sie auch Lübecker Bürgerschaft: Die XXL-Sitzung zum Haushalt 2021 Lübeck: Fahrradfahrer fährt am Berliner Platz in Bus Lübecker Berufsschule: Ringen um Maskenpflicht im Unterricht Von Hannes Lintschnig